Obwohl die baden-württembergischen Hausärzte erst seit sieben Wochen gegen Covid 19 impfen, haben im Landkreis Waldshut zwei von fünf Erstgeimpften das Serum in einer der 82 hausärztlichen Impfpraxen erhalten. Vom 7. April bis zum 31. Mai erhielten hier 21.192 Personen ihre erste und 5122 Personen ihre zweite Impfung. „Das sehen wir als eine enorme Leistung an, die auch einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass die Inzidenzen zurückgegangen sind und damit Lockerungen möglich wurden“, sagt Kai Sonntag, der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, über den Beitrag der Hausärzte im Kampf gegen die Pandemie.

Doch die Front bröckelt

Erste Arztpraxen impfen nicht mehr gegen Corona, weil sie den Aufwand für Beratung, Terminierung und Dokumentation personell nicht weiterhin stemmen können. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand!“, sagt der Stühlinger Hausarzt Peter Haarmann. Seit eineinhalb Jahren schon beschäftigt jetzt das Virus ihn, seine Kollegin Stefanie Kau und seine Angestellten. Zu Beginn hat die Praxis nur Testungen angeboten, seit 7. April wird hier auch in großem Umfang geimpft. Etwa 1200 Dosen hätten er und seine Kollegin in den vergangenen Wochen an Patienten verabreicht, schätzt Haarmann. Astrazeneca, Biontech und seit neuestem auch Johnson & Johnson.

Jede einzelne Impfung sei nicht zuletzt wegen des Absprachebedarfs mit einem immensen Mehraufwand verbunden, so der Mediziner: „Teilweise war unser Praxistelefon dauerbelegt. Weil die Patienten uns telefonisch nicht mehr erreicht haben, sind sie dann persönlich in die Praxis gekommen. Es ging hier zu wie am Bahnhof“, schildert Haarmann. Zusätzlich zu seinen neun bisherigen Angestellten habe er zwei weitere Kräfte eingestellt. Doch auch dann sei die Aufgabe nicht zu bewältigen gewesen – auch weil Krankheitsfälle im Praxisteam dazugekommen seien.

Hausärzte stellen Impfungen ein

Diese Woche haben die Stühlinger Hausärzte die Notbremse gezogen. „Ab sofort keine Erstimpfungen mehr möglich!“, verkündigt seit Dienstag ein Laufband auf der Praxis-Homerpage. „Wir machen jetzt noch alle notwendigen Zweitimpfungen, nehmen aber keine neuen Erstimpfungen mehr an“, sagt der Arzt im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Hauptaufgabe seiner Praxis, nämlich die medizinische Versorgung der Region Stühlingen, dürfe durch die Impfungen nicht gefährdet werden.

Die eigentliche Impfung dauert nur wenige Sekunden. Die meisten Hausärzte könnten die Spritze wohl auch mit links und verbundenen Augen routiniert setzen. Kompliziert an einer Corona-Impfung ist vor allem das Drumherum. Andere Impfstoffe sind im Prinzip unbegrenzt verfügbar, die Termine können deshalb langfristig geplant und auf die Agenda gesetzt werden.

Wenig Planungssicherheit

Bei den Corona-Impfungen erfahren die Hausärzte erst am Donnerstag, wieviel Dosen sie am folgenden Montag geliefert bekommen. Viele Hausärzte impfen deshalb an Tagen, an denen sie eigentlich Verwaltungsarbeit oder Hausbesuche erledigen müssten. Doch manchmal treffen die Impfstoffe wegen Lieferengpässen nicht ein, dann müssen alle vereinbarten Termine wieder abgesagt und neu vereinbart werden. „Lieferlotterie“ nennt die Kassenärztliche Vereinigung das.

Um möglichst schnell eine Impfung zu erhalten, bemühen sich viele Patienten parallel in Impfzentren und beim Hausarzt um einen Termin – besonders verstärkt, seit die Bundesregierung für die Praxen die Impfpriorisierung aufgehoben hat. „Wir werden überrannt mit Anfragen, zum Teil von Leuten die unbedingt geimpft werden wollen, damit sie im Sommer auf die Malediven reisen können“, sagt ein Mediziner.

Noch nicht alle Risikopatienten geimpft

Dabei sind die meisten Hausärzte längst noch nicht durch mit der Impfung jener ihrer Patienten, die die Immunisierung besonders nötig hätten: Alte, schwer oder chronisch Kranke. Werden Impftermine nicht wahrgenommen, müssen andere Impflinge eingeladen werden.

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Seit neuestem stehen Eltern auf der Matte, die zukünftige Termine für ihre Kinder vereinbaren wollen. Und dann gibt es auch noch jene Patienten, die unbedingt einen neuen internationalen Impfausweis ausgestellt bekommen wollen, weil sie Angst haben, dass ihre im alten Impfschein vermerkte Covid-Impfung im Ausland nicht anerkannt wird. „Für so was haben wir im Augenblick wirklich keine Zeit!“, stöhnt ein Mediziner.

Lange Warteliste

Angesichts solcher Zustände kann der Görwihler Hausarzt Johannes Romacker nachvollziehen, wenn Kollegen sich nicht mehr in der Lage sehen, sich an der Impfkampagne zu beteiligen. „Ich habe schon vermutet, dass es mit der Organisation große Probleme geben könnte“, sagt Romacker. Er hat deshalb eher zurückhaltend Impfstoff geordert und Impftermine vereinbart.

200 Erstimpfungen nahm der Mediziner seit der Woche nach Ostern in seiner Praxis vor, noch über 600 Patienten hat er auf der Warteliste. Die arbeitet er nach den alten Priorisierungsvorgaben ab. „Ein 80-Jähriger, der sich erst jetzt für eine Impfung entscheidet, erhält bei mir die Impfung vor einem 30-Jährigen, der bereits auf der Warteliste stand.“ Wie viele seiner Kollegen bedauert auch Romacker, dass das Land die Impfpriorisierung für die Hausarztpraxen aufgehoben hat. Denn das führe manchmal zu unangenehmen Diskussionen mit Patienten, die unbedingt schnellstmöglichst geimpft werden wollten. „Allen geht es zu langsam. Aber vielleicht ist das ein typisch deutsches Problem“, sagt der Landarzt.

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„Auch wenn gerne alles schlechtgeredet wird: Insgesamt verläuft die Impfkampagne recht ordentlich“, findet Romacker. Es müssten nur alle etwas Einsicht zeigen: dass Impfstoff eben nicht unbegrenzt zur Verfügung stehe; dass die Praxen nicht alle Patienten sofort impfen könnten; dass Angehörige besonders gefährdeter Gruppen ihre Impfung zuerst erhalten sollten – und dass in den Praxen auch nur Menschen arbeiteten, die ihr bestmöglichstes gäben. Die Covid-19-Impfungen will Romacker in seiner Praxis auf jeden Fall fortführen: „Ich möchte mithelfen, einen weiteren Lockdown im nächsten Herbst unbedingt zu vermeiden.“

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