400 Bauprojekte, 80 Mitarbeiter, zwei Kinder. In ihrem beruflichen und privaten Alltag bringt Peggy Bretfeld so einiges unter einen Hut. Die 44-jährige Diplom-Ingenieurin hat vergangenen Oktober bei der DB Netz AG die Gesamtverantwortung für die südbadischen Infrastrukturprojekte übernommen. Bis auf den Ausbau der Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel gehören praktisch alle Bauvorhaben der Bahn in der Region zu Bretfelds Geschäftsbereich, darunter auch die Elektrifizierung der Hochrheinbahn und der Ausbau der Breisgau S-Bahn.

Eine Brücke für 25 Millionen Euro gehört zu ihren „kleineren“ Baustellen

In Bretfelds beruflicher Position ist solides Ingenieurswissen erforderlich. Es braucht aber auch Fähigkeiten als Manager und Diplomat. Schließlich müssen größere und kleinere Baustellen koordiniert und vorangebracht werden. Wobei es sich bei einer „kleineren“ Baustelle durchaus um eine Brücke mit 25 Millionen Euro Baukosten handeln kann. Bei größeren Baustellen handelt es sich um solche im dreistelligen Millionenbereich, etwa die Hochrheinbahn, die in den nächsten Jahren für 290 Millionen Euro ausgebaut werden soll.

Bild 1: Diese Frau sorgt dafür, dass in Südbaden Züge rollen
Bild: Steller, Jessica

Lange war Deutschland bei den Investitionen ins Schienennetz im Bummelzugtempo unterwegs. Noch 2019 steckte die Schweiz pro Kopf über 400 Euro in den Ausbau der Schieneninfrastruktur, die Niederlande 130 und Italien immerhin noch 90 Euro, in Deutschland hingegen waren es gerade einmal 76 Euro. Seit 2020 aber stehen erheblich mehr Mittel zur Verfügung. „Ich freue mich sehr, dass die Bahn ein wichtiges Verkehrsmittel der Zukunft ist und wir so einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten können“, sagt Bretfeld dazu. Sie und ihr Team können in den kommenden zehn Jahren in Südbaden mit drei Milliarden Euro planen, rund 1000 Projekte sollen bis 2030 umgesetzt werden, 400 sind es im Augenblick.

Gleisbauarbeiten bei Kirchzarten am Bahnhof Himmelreich.
Gleisbauarbeiten bei Kirchzarten am Bahnhof Himmelreich. | Bild: Ingo Schneider

Die Frau, die all das von ihrem Büro bei der DB Netz AG in Karlsruhe im Blick behalten soll, arbeitet schon seit bald 20 Jahren bei der Deutschen Bahn. Direkt nach ihrem Studium an der Bauhaus-Universität Weimar stieß die gebürtige Meiningerin als junge Ingenieurin zu dem Transportkonzern. Seit der Rückkehr aus der Elternzeit 2011 ist sie mit der Breisgau-S-Bahn befasst, 2015 wurde ihr die Leitung des Großprojekts Breisgau-S-Bahn anvertraut. Es umfasst acht elektrifizierte Bahnlinien mit einer Gesamtstrecke von 235 Kilometern für 630.000 Menschen im Großraum Freiburg. Ende 2019 startete als Teil des Gesamtprojekts die Ost-West-Verbindung mit neuen Fahrzeugen, einem besserten Fahrplanangebot und modernisierten Stationen.

Das könnte Sie auch interessieren

Am Hochrhein soll nicht nur der 75 Kilometer lange Streckenabschnitt zwischen Basel und Erzingen elektrifiziert, sondern auch eine ganze Reihe anderer Maßnahmen realisiert werden: Die Stationen Waldshut, Lauchringen und Tiengen werden grundlegend umgebaut, in Warmbach bei Rheinfelden, in Wallbach bei Bad Säckingen und in Waldshut am Landratsamt werden neue Haltepunkte eigerichtet, an allen bestehenden Stationen werden die Bahnsteige verlängert, auf eine einheitliche Höhe gebracht und barrierefrei gestaltet. Als zuständiger Projektleiter ist am Hochrhein Ronald Heil wichtigster Mann in Bretfelds Team.

Die politische Zielvorgabe ist eine Inbetriebnahme der Strecke möglichst bereits 2025. Dazu sagt die Ingenieurin diplomatisch: “Dank der guten Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten in den Landkreisen, beim Verkehrsministerium und in der Schweiz sind wir aktuell auf einem sehr guten Weg. Was wir tun können, um früher in Betrieb zu gehen, unterstützen wir gerne.“

Immer noch gibt es nur sehr wenige weibliche Ingenieure

Wie schon während ihres Studiums des Bauwesens in den 90er Jahren an der Universität Weimar ist Peggy Bretfeld im Augenblick auch bei der Bahn als Ingenieur eine von nur sehr wenigen Frauen. „Ich glaube, wir sind drei auf 100“, schätzt sie. Höher liegt der Frauenanteil außerhalb des bautechnischen Bereichs. Konzertweit sind im Augenblick nach Angaben des Unternehmens 21 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Bis 2024 möchte die Bahn diesen Anteil auf 30 Prozent steigern. Insgesamt beschäftigt die Bahn derzeit rund 50.000 Frauen, was 23 Prozent der gesamten Belegschaft entspricht.

Als zuständige Projektleiterin informiert Peggy Bretfeld im Juli 2020 zusammen mit Kollegen über den Ausbau der Höllentalbahn.
Als zuständige Projektleiterin informiert Peggy Bretfeld im Juli 2020 zusammen mit Kollegen über den Ausbau der Höllentalbahn. | Bild: Silvia Bächle

An ihrem Beruf bei der Bahn schätzt die diplomierte Bauingenieurin besonders, dass sie nachhaltig für spätere Generationen wirken kann. „Selbst wenn wir irgendwann einmal tatsächlich beamen könnten – vor allem auf kurzen und mittellangen Strecken wird es die Bahn immer geben“, ist sie von den Vorteilen dieses Transportmittels überzeugt. Sie ist auch der festen Überzeugung, dass die Brücken und Tunnels, die sie und ihr Team heute planen und morgen bauen, in 100 Jahren immer noch in Betrieb sein werden.

Nur wenige Kilometer von ihrem Arbeitsplatz Karlsruhe entfernt lebt Peggy Bretfeld mit ihrer Familie auf der anderen Rheinseite in der rheinland-pfälzischen Gemeinde Jockgrim. Die beiden Söhne sind 16 und elf Jahre alt. „Sie interessieren sich sehr für meine Arbeit. Das erleichtert es mir natürlich sehr, Beruf und Familie zusammenzubringen.“ Peggy Bretfeld hat sogar den Eindruck, dass die beiden ab und zu ganz froh sind, wenn die Mama mal wieder zwei Tage auf Dienstreise ist, um ein Auge auch auf andere Baustellen zu haben als auf die unaufgeräumten Zimmer der Sprösslinge daheim.

Das könnte Sie auch interessieren