Der Koalitionsausschuss der Stuttgarter Regierungsparteien hat jetzt in aller Deutlichkeit den Landesverkehrsminister zurückgepfiffen. Wie berichtet hatte Winfried Hermann vor kurzem für den Hochrhein eine Bundesstraße anstatt einer Autobahn gefordert. Das hatte zu heftigen Reaktionen in den Landkreisen Waldshut und Lörrach geführt.

Jetzt haben die Spitzen der grün-schwarzen Koalition Winfried Hermann (Grüne) im Streit um den Weiterbau der Hochrheinautobahn A98 ausgebremst. Auf Betreiben der CDU-Fraktion hat sich der Koalitionsausschuss darauf verständigt, dass die Landesregierung den im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Ausbau der Autobahn 98 weiter unterstützt.

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Nach Bekanntwerden dieser Entscheidung herrschte vielerorts am Hochrhein Erleichterung, auch bei den Wahlkreis-Abgeordneten von CDU und SPD. Nur der grüne Landtagsabgeordnete Niklas Nüssle betont, die von Hermann vorgeschlagene dreispurige Bundesstraße stelle die „günstigste, schnellste und verträglichste Lösung für Mensch und Umwelt“ dar.

Massiver Druck hat sich ausgezahlt

Bad Säckingens Bürgermeister Alexander Guhl sagte, es habe sich ausgezahlt, dass der Hochrhein gegen den Hermann-Vorschlag massiv Druck gemacht habe. Die Region habe sich doch weitgehende „deutlich positioniert“ und die Weiterplanung und den Bau der A98 gefordert. Dabei lobt Guhl die CDU-Fraktion im Land. Diese hatte im Koalitionsausschuss offenbar gegen Winfried Hermann ihre Meinung durchgedrückt. „Dafür gebührt Respekt“, so Guhl.

Gleichzeitig habe auch der Besuch von Michael Theurer, dem parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, geholfen. Für den Bad Säckinger Bürgermeister zeige dies, dass es sich bei der Bundesstraßen-Vorstoß von Winfried Hermann wohl doch um eine „Einzelmeinung“ handle und ihn nun auch die eigene Parteispitze „zur Raison gerufen hat“.

Keine weiteren überflüssigen Diskussionen

Ähnlich äußert sich Wehrs Bürgermeister Michael Thater. „Ich begrüße diese gute Nachricht aus Stuttgart“, so Thater auf unsere Nachfrage. Dies sei nach seiner Überzeugung auch der einzig sinnvolle Weg. Thater fordert die lokalen Akteure auf, jetzt alle geschlossen für die zügige Umsetzung der A 98-Planungen einzustehen und künftig weitere „überflüssige Diskussionen“ sein lassen. Schließlich gehe es um die Entlastung vieler tausend Menschen und das Rückgrat der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung der Region am Hochrhein. Und genau dafür kämpfe die Regio schon seit Jahrzehnten.

Schwörstadt: Entlastung ersehnt

Erleichterung auch bei Schwörstadts Bürgermeisterin Christine Trautwein-Domschat: Sie hält die Entscheidung der Landeskoalition für vernünftig und konsequent. Zudem sei die Beibehaltung des bisherigen Kurses zu diesem Verfahrenszeitpunkt aus Sicht der Finanzierenden, der Steuerzahler, wirtschaftlich. „Schwörstadt sehnt sich die lang erhoffte Entlastung herbei“, so Christine Trautwein-Domschat.

Endlich wieder Schulterschluss mit Stuttgart

Der Waldshuter Landrat Martin Kistler „begrüßt es sehr“, dass die Landesregierung und nun auch der Verkehrsminister den im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Ausbau der A98 unterstützt. Am Hochrhein habe man dazu Einigkeit. Alle Kommunen, beide Kreistage und die Region hätten die Trassenplanung der Deges begrüßt. Kistler: „Ich bin froh, dass nun Klarheit herrscht und wir auch wieder den Schulterschluss mit Stuttgart feststellen können.“ Denn nur gemeinsam könne man die drängenden Projekte auf den Weg bringen. Dazu zähle er neben der A98 auch die Elektrifizierung der Hochrheinbahn, die Reaktivierung von Schienenstrecken, Verbesserungen des ÖPNV und der Mobilitätsangebote.“

Nun doch Unterstützung vom Land

Die Lörracher Landrätin Marion Dammann, ist „sehr dankbar“, dass dieses für die Region so wichtige Vorhaben nun doch von der Landesregierung unterstützt wird und die Planungs- und Genehmigungsprozesse ohne Verzögerung fortgesetzt werden können. Mit Verkehrsminister Hermann werden man davon unabhängig die zwingend erforderlichen Schienen- und sonstigen Mobilitätsprojekte vorantreiben, um die Klimaziele im Bereich der Mobilität umsetzen zu können.

Kopfschütteln über Hermann-Vorstoß

„Ich hoffe, dass die Störfeuer aus Stuttgart jetzt aufhören“ – Felix Schreiner, CDU-Bundestagsabgeordneter
„Ich hoffe, dass die Störfeuer aus Stuttgart jetzt aufhören“ – Felix Schreiner, CDU-Bundestagsabgeordneter | Bild: Simone M. Neumann

„Ich kann nicht verleugnen, dass man in Berlin ziemlich den Kopf über die Aussagen des grünen Verkehrsministers aus Stuttgart geschüttelt hatte“, erklärt Felix Schreiner, der direkt gewählte CDU-Wahlkreisabgeordnete. Innerhalb der schwarz-grünen Koalition habe sich die CDU mit ihrer Position gegenüber Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann klar durchgesetzt. Dazu habe die eindeutige Positionierung der Hochrhein-CDU beigetragen. Er persönlich hoffe nun, dass die Störfeuer aus Stuttgart jetzt aufhören und sich auch die Grünen vor Ort hinter den Bau der Autobahn stellten, so Schreiner. „Wir haben uns 2016 zu einem Verfahren mit der Deges bekannt, das den Bau beschleunigen soll. Es ist in den vergangenen Wochen viel Vertrauen kaputt gegangen, was einfach nur unnötig war.“

Zurückrudern in der A98-Frage

„Gut, dass das Irrlichtern aus Stuttgart ein Ende hat“ – Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD-Bundestagsabgeordnete
„Gut, dass das Irrlichtern aus Stuttgart ein Ende hat“ – Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD-Bundestagsabgeordnete | Bild: Christoph Soeder

„Die grün-schwarze Regierung rudert in der Frage der A98 zurück, weil der jüngste Vorstoß von Verkehrsminister Winfried Hermann wider alle Vernunft war“, kommentiert die SPD-Wahlkreisabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter die Entwicklung. Eine Umwidmung der Autobahn in eine Bundesstraße hätte den Lückenschluss zur vollständigen Umfahrung aller Städte und Gemeinden am Hochrhein um Jahre zurückgeworfen – und sei deshalb in Berlin nie ein ernstzunehmendes Thema gewesen. „Gut, dass das Irrlichtern aus Stuttgart ein Ende hat.“ Wenn Winfried Hermann es ernst meine mit der Verkehrswende, dann solle er jetzt alles daransetzen, dass die Bahn entlang des Hochrheins für den Personen- und Güterverkehr auf der West-Ost-Achse eine echte Alternative zur Straße werde. „Mit der Elektrifizierung der Strecke gewinnt die Hochrheinschiene das dafür notwendige Potential, wenn der Landesverkehrsminister nicht an der Ausstattung knausert“, so die SPD-MdB.

Deutliches Zeichen an den Verkehrsminister

Die Entscheidung des Stuttgarter Koalitionsausschusses sei ein deutliches und wichtiges Zeichen an den grünen Landesverkehrsminister, erklärte die CDU-Landtagsabgeordnete Sabine Hartmann-Müller. Dessen „Eingrätschen“ in bereits lange geklärte Grundsatzfragen so wichtiger Projekte dürfe nicht geduldet werden. „Die CDU-Landtagsfraktion hat lange dafür gekämpft, die A98 im Koalitionsvertrag zu verankern. Dass dieses wichtige und überregionale Infrastrukturprojekt nach Verkehrsminister Hermann aufgeweicht werden soll, ist mit uns nicht zu machen“, so Hartmann-Müller.

Eine dreistreifige Bundesstraße, wie von Hermann gefordert, wäre der Realität nicht gerecht geworden. Auch Hartmann-Müller sie betont die Zuständigkeit des Bundes beziehungsweise der Deges bei Planung und Bau. Der FDP-Bundesverkehrsminister habe alle Karten in der Hand, um das Projekt zügig umzusetzen.

Schneller, kostengünstiger und umweltfreundlicher als A98

Der grüne Landtagsabgeordnete Niklas Nüssle hingegen sieht die Sache vollkommen anders. So bewertet er das Ergebnis des Koalitionsausschusses wie folgt: „Die grün-schwarze Koalition hat die im Koalitionsvertrag bereits vereinbarten Punkte betont und darüber hinaus keine weiteren Festlegungen zur A98 getroffen.“ Zu den Festlegungen im Koalitionsvertrag gehöre, dass Verkehrsprojekte unter dem Aspekt des Klimaschutzes bewertet werden. Dies habe Winfried Hermann getan. Seine Lösung einer dreispurigen Bundesstraße sei wahrscheinlich schneller, kostengünstiger, umwelt- und klimaverträglicher umsetzbar. Hermann sei auch nicht „zurückgepfiffen“ worden.

Es liege im Interesse des Landes, dass sein zuständiger Minister Meinungen äußere und an den Bundesverkehrsminister herantrage, die die Belange der Bürger, den Erhalt der Kulturlandschaft sowie eine zukunftsgerechte und klimaneutrale Mobilität berücksichtigten, so Nüssle. Dafür brauche es im ländlichen Raum eine gute Infrastruktur für den Individual-, Rad- und Schienenverkehr. „Eine zusätzliche dreispurige Bundesstraße zur Entlastung der Ortsdurchfahrten von Schwörstadt, Bad Säckingen und Waldshut, sowie der Ausbau von Rad- und Schienenwegen ist die günstigste, schnellste und verträglichste Lösung für Mensch und Umwelt.“ Diese Haltung werde dem Bundesverkehrsminister nahe gelegt, bei dem die Entscheidung liege, wie weiter verfahren wird.

Entwicklungen bei der Hochrheinautobahn A98