Zwischen Basel und dem Rheinfall bei Schaffhausen gibt es ein Vielzahl von Rheinquerungen von Deutschland in die Schweiz, aber nur eine Hand voll davon kann mit Kraftfahrzeugen befahren werden und sind zugleich offizielle Grenzübergänge. Geht es nach dem Willen der politisch Verantwortlichen dies- und jenseits des Rheins, könnten eine oder zwei weitere Brücken über den Rhein hinzukommen.

Mit einem sogenannten Letter of Intent bekräftigen der Kanton Aargau und das Land Baden-Württemberg nun dieses Ziel. Auch wenn der Zeithorizont bis zur tatsächlichen Realisierung des oder der Bauwerke weit ist, will eine deutsch-schweizerische Expertengruppe im ersten Quartal 2021 die Arbeit aufnehmen. Grundlage für ihre Arbeit wird ein grenzüberschreitendes Verkehrsgutachten sein, das noch im Herbst 2020 vorgestellt werden soll.
Brücken bei Bad Säckingen und Waldshut-Tiengen
Konkret geht es um eine neue Rheinbrücke zwischen Bad Säckingen und Murg sowie um eine zweite Rheinquerung zwischen Waldshut und Koblenz. Während letztgenannte insbesondere für eine Entlastung auf der B 34 im Großraum Waldshut sorgen und im Idealfall die regelmäßigen Staus rund um den Zollhof im Gewerbepark Hochrhein abmildern könnte, steht das Bauwerk zwischen Sisseln und Bad Säckingen/Murg wohl eher auf der Wunschliste der Schweiz.
Denn dieser Übergang kam erstmals mit der Präsentation des Sissler Felds ins Gespräch. Dort, wo schon jetzt Pharmariesen wie Novartis und Syngenta forschen und produzieren, könnten in absehbarer Zeit noch weitere Hunderte oder mehrere Tausend neue Arbeitsplätze entstehen. Jobs, für die es auch Grenzgänger aus Deutschland bräuchte.
14.000 Menschen aus dem Landkreis Waldshut fahren täglich zur Arbeit in die Schweiz
Auch wenn es sich bei einem Letter of Intent lediglich um eine unverbindliche Absichtserklärung handelt, machte Uwe Lahl, Ministerialdirektor im baden-württembergischen Verkehrsministerium und Stellvertreter von Verkehrsminister Winfried Herrmann, bei der Unterzeichnung des Papiers deutlich: „Das ist mehr als eine Absichtserklärung, das ist ein Versprechen, dass wir so intensiv an diesem Projekt arbeiten, wie wir können.“

Und Lahl drückt auch gleich noch aufs Tempo: „Es muss schneller gehen, deshalb bündeln wir jetzt die Kräfte, suchen Kompromisse und treffen dann die Entscheidung.“ Ähnlichen Optimismus verbreitete auch sein Pendant aus der Schweiz, die Leiterin der Staatskanzlei des Kantons Aargau, Vincenza Trivigno. Im Garten des Waldshuter Landratsamtes setzten beide ihre Unterschrift unter das Papier, das für eine deutliche Verkehrsentlastung am Hochrhein sorgen könnte.
Brücken verbinden
Ebenso wie Lahl und Trivigno betonte auch Landrat Martin Kistler das verbindende Element von Brücken. Insbesondere in einer Region wie der hiesigen, seien sie wichtige Verkehrs-, aber auch Lebensadern. Kistler: „Brücken sind nicht nur für Pendler und Einkäufer, sondern auch für Familien, Bildung und die medizinische Versorgung der Menschen wichtig.“
Wie wichtig, das habe die Grenzschließung während des Corona-Lockdowns gezeigt. Und Vincenza Trivigno ergänzte: „Der Grenzübertritt gehört bei uns zum Leben einfach dazu.“ Eine Aussage, die Uwe Lahl gerne unterstrich: „Brücken sind mehr als Infrastrukturmaßnahmen.“ Hier führten sie zwei Länder zusammen. Oder, wie es Sabine Hartmann-Müller formulierte: „Ein vertrauensvolles Projekt unter Freunden.“
Wie notwendig die angestrebte Entlastung für Bürger und Wirtschaft ist, wurde den Unterzeichnern und den Gästen der Zeremonie, darunter beiden CDU-Abgeordneten Felix Schreiner und Sabine Hartmann-Müller (Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD, und Reinhold Pix, Grüne, hatte sich entschuldigen lassen) deutlich. Denn während oben, also im Garten des Landratsamts, gesprochen wurde, knatterten und brummten unten auf der B 34 Auto an Auto, Lastwagen an Lastwagen vorbei und machten das Gesagte mitunter schwer verständlich.

Der Ort sei aber auch noch aus weiteren Gründen von hoher Symbolkraft, so Landrat Martin Kistler. Hinter dem Landratsamt verläuft die Hochrhein-Bahn, die mit Geld aus Deutschland und der Schweiz elektrifiziert werden soll und bei Waldshut auch einen Abzweig in die Schweiz hat, unterhalb der B 34 fließt der Rhein und der Blick seiner Gäste schweifte unweigerlich in die Schweiz.

Die Grundsatzentscheidung, wie viele Brücken wo gebaut werden, kann indes dauern. Carlo Degelo, Leiter der Abteilung Verkehr im Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, sagte auf Nachfrage unserer Zeitung: „Wir gehen von einem Zeitrahmen von vier bis acht Jahren aus.“ Dem Gesichtsausdruck von Uwe Lahl nach zu urteilen, wünscht sich die deutsche Seite ein wenig mehr Tempo. Degelo bekam aber prompt Rückendeckung von Vincenza Trivigno: „Es bringt nichts, die Abkürzung zu nehmen. Das dauert am Ende länger, als wenn wir von Anfang an sauber arbeiten.“
Arbeit soll 2021 starten
Die konkrete Arbeit will die mit deutschen und Schweizer Verkehrs- und Planungsexperten besetzte Arbeitsgruppe bereits im ersten Quartal 2021 aufnehmen. Basis ihres Tuns wird die grenzüberschreitende Verkehrsanalyse sein, die in diesem Herbst der Öffentlichkeit präsentiert werden soll. Darin wurde der Verkehrs dies- und jenseits des Rheins zwischen Basel und Schaffhausen untersucht.
Eine weitere Hürde auf dem Weg zu neuen Brücken stellt die Finanzierung des Bauwerks oder gar der Bauwerke dar. Da, so der Stuttgarter Ministerialdirektor Uwe Lahl, sei auch Berlin gefordert. Schließlich werde es darum gehen, für das Projekt, das nicht im Bundesverkehrswegeplan hinterlegt ist, Geld aus Bundesmitteln zu bekommen. Lahl: „Der Bund muss hier mit ins Boot.“ Klares Ziel sei es, „noch in dieser Legislaturperiode einen Pflock in Berlin einzuschlagen“. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner nahm den Ball auf und sagte: „Ich bin mir sicher, dass der Bund ein entsprechendes Bekenntnis abgeben wird.“