„Es ist eine der häufigsten Anfragen, die wir in unserer Telefonzentrale im Rathaus registrieren: Gibt es einen Mietspiegel für St. Blasien?“ Das schreibt Bürgermeister Adrian Probst im Vorwort für den online publizierten „Qualifizierten Mietspiegel 2024 für die Stadt St. Blasien“. Dieser gilt seit 1. November 2024 für zwei Jahre.
Damit hat die Domstadt ein Alleinstellungsmerkmal: einzige Kommune im Kreis Waldshut, die inklusive der Stadtteile Menzenschwand und Albtal einen Mietspiegel erstellt hat. Wieso? Mietspiegel gibt es doch für jede Gemeinde. Stehen doch im Internet.
Mietspiegel ist nicht gleich Mietspiegel
Laut Winfried Kropp, Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds Bodensee, sind diese aber qualitativ nicht vergleichbar. „Sie beruhen auf Zahlen von Immobilienportalen wie etwa Immoscout und berücksichtigen nur deren eigene Annoncen“, erklärt er. Was da angegeben sei, liege im Schnitt 1,50 bis 2,50 Euro pro Quadratmeter über den Bestandsmieten.
Um Unterschied dazu bilden von Gemeinden erstellte Mietspiegel die wahren, im ganzen Ort geltenden Preise ab und beruhen auf einer weitaus größeren Datenlage. Qualifizierte Mietspiegel müssen sogar nach festgelegten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und laufend aktualisiert werden. „Der qualifizierte Mietspiegel schafft Transparenz für Mieter und Vermieter und dient im Rahmen der Mietpreisbremse als Referenz zur Begrenzung von Mieterhöhungen“, erklärt denn auch Fabian Zumkeller von der Stadtverwaltung St. Blasien.
„Die Kosten zur Erstellung beliefen sich auf knapp 10.000 Euro, wobei das Land 2000 Euro Fördermittel gab“, sagt er. Voraussetzung dafür war, dass die Erstellung interkommunal stattfindet. Im Falle von St. Blasien geschah das im Verbund mit den Gemeinden Feldberg, Lenzkirch, Schluchsee, Hinterzarten und Kirchzarten. Das sind Kommunen aus dem Kreis Breisgau-Hochschwarzwald, aus dem Kreis Waldshut war keine dabei.
Ab Bevölkerungszahl von 50.000 ein Muss
Auch nicht Waldshut-Tiengen: Bei rund 25.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und einem gegenüber St. Blasien vielfachen an Vermieterinnen und Vermietern wären Aufwand und Kosten weit höher. Aber erstens muss die Doppelstadt keinen Mietspiegel erstellen – Pflicht ist das erst ab einer Bevölkerungszahl von 50.000. Und zweitens besteht für sie dafür auch „kein unmittelbarer Bedarf“, wie Verena Pichler von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sagt.
Die Stadt bewerte die momentane Lage „aufgrund der ausreichenden Leerstände“ auch so „als stabil genug“. Ein qualifizierter Mietspiegel hilft laut Pichler Mietern und Vermietern, ortsübliche Vergleichsmieten zu ermitteln und Mietverhältnisse entsprechend fair zu gestalten. „Allerdings hat er keinen direkten Einfluss auf die Schaffung neuer, bezahlbarer Wohnungen“, sagt sie.
Die Wohnungsmärkte von St. Blasien und Lauchringen gelten als „angespannt“. Zumindest sagt das die 2020 erlassene „Mietpreisbegrenzungsverordnung Baden-Württemberg“. Laut dieser gilt das für 89 Städte und Gemeinden: St. Blasien und Lauchringen gehören als die einzigen im Kreis Waldshut dazu.
Gemäß der Verordnung muss sichergestellt sein, dass die Miete grundsätzlich bei Neuvergabe die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent übersteigt. „Das funktioniert aber nur bei Vorhandensein eines Mietspiegels“, erklärt Kropp. Dennoch sei allein die Aufnahme in besagte Landesverordnung noch keine Verpflichtung zur Erstellung eines solchen.
Hätte Lauchringen einen erstellt, hätte die Gemeinde dafür sogar den erhöhten Fördersatz des Landes bekommen, einmalig etwa 4000 Euro. „Das deckt die Kosten der Erstellung und der Weiterentwicklung eines Mietpreisspiegels aber bei weitem nicht“, sagt Robert Bank vom Hauptamt der Gemeinde.
Dass die Gemeinde in die Verordnung hineingeraten ist, ist für Lauchringen denn auch eher eine Verkettung ungünstiger Umstände. „Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung stand die Entwicklung des Wohn- und Geschäftsgebiets ‚Riedpark‘ und die Fertigstellung von bis zu 80 Wohnungen noch an“, erklärt Bank. Stand heute befänden sich im Riedpark 220 Wohnungen, davon 42 mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gebaut, also sozialraumgefördert. Damit habe sich die Wohnraumlage deutlich verbessert, was Lauchringen denn auch mit davon absehen ließ, einen Mietspiegel zu erstellen.
Lauchringen vermietet auch selbst
Dabei tritt die Gemeinde für 21 Zwei-, Drei- und Vier-Zimmerwohnungen selbst als Vermieter auf und verlangt dafür zwischen 4,20 und 7,20 Euro pro Quadratmeter kalt. Und Bank verweist auf eine weitere, wohl Mitte/Ende 2026 bezugsbereite Wohnanlage mit zwölf Wohnungen. Sämtlich seien diese sozialraumgefördert, mit einer auf 6,90 Euro pro Quadratmeter kalt abgesenkten Miete.
Lieber neu bauen als den Mangel reglementieren – so argumentiert Lauchringen. Auch St. Blasien denkt so. „Wirksame Entlastung erreichen wir nur durch neue Wohnungen und die Aktivierung von Leerständen“, sagt Zumkeller. Aber neu zu bauen, sei in Schwarzwald-Gemeinden wie St. Blasien mit ihrer speziellen Topografie eben auch schwierig.
Wo Potenziale bestehen
Um den Flächenverbrauch zu begrenzen, sollten für Zumkeller statt Einfamilienhäusern die Nachverdichtung leer stehender Grundstücke und der Geschosswohnungsbau Priorität haben. Potenzial wäre auch bei den in den Tourismus-Kommunen verbreiteten und weitgehend leer stehenden Zweitwohnungen. Auch deshalb sei die kommunale Zweitwohnungssteuer 2024 in St. Blasien nochmals erhöht worden, so Zumkeller.
Und wie lautet die Bilanz nach einem knappen halben Jahr qualifizierter Mietspiegel in St. Blasien? Gab es schon Fälle von überhöhten Mieten oder gar Mietwucher? „Im Gegenteil“, sagt Fabian Zumkeller. „In einigen Fällen wurden sogar sehr niedrige Mieten angesetzt und über viele Jahre kaum angepasst.“