Die Preise für Baustoffe gehen seit Monaten steil nach oben. Thomas Möller, Geschäftsführer der Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg und Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, und Thomas Schäfer, Hauptgeschäftsführer von Holzbau Baden-Württemberg, geben Antworten auf die derzeitige Situation für Bauherren.
Stimmt es, dass der Preis für einen Festmeter Rundholz von etwa 35 Euro im vergangenen Jahr auf aktuell über 90 Euro gestiegen ist?

Thomas Schäfer: Diese Preisentwicklung können wir bestätigen. Aufgrund einer steigenden Nachfrage seitens der Sägewerke konnten die Waldbesitzer zuletzt wieder höhere Verkaufspreise erzielen. Es handelt sich dabei um eine Normalisierung des Preisniveaus, nachdem der Holzpreis vor dem Hintergrund großer Schadholzmengen im vergangenen Jahr auf einen extremen Tiefstand gesunken war.
Wie hat sich der Holzpreis seit März 2020 bis heute konkret entwickelt?
Thomas Schäfer: Die Einkaufspreise für Holz als Baustoff sind seit Ende vergangenen Jahres deutlich in die Höhe geschnellt. Die Preise für Brettschichtholz, Konstruktionsvollholz und Dachlatten haben sich in etwa verdoppelt.
Was sind aus Sicht ihres Verbandes die Gründe dafür?
Thomas Schäfer: Die Gründe liegen in der hohen Nachfrage nach Holz sowohl im Inland als auch im Ausland. Die deutschen Säger produzieren daher mit hoher Auslastung. So werden seit rund einem Jahr große Mengen Schnittholz in die USA exportiert. Diese starke Holznachfrage der Vereinigten Staaten hat vielfältige Ursachen: Dazu zählen die eingeschränkten Importmöglichkeiten aus Kanada aufgrund von Handelsstreitigkeiten, borkenkäferbedingte Ausfälle beim Frischholzeinschlag, ein früher und heftiger Wintereinbruch, der den Frischholzeinschlag gestoppt hat, sowie ein boomender Holzbau. Rundholz wird unserem heimischen Markt darüber hinaus durch langfristige Lieferverträge mit China entzogen. Hier werden globale Marktmechanismen spürbar. Gemäß der Gesetzmäßigkeit von Angebot und Nachfrage liefert der Handel dahin, wo die besten Preise bezahlt werden.
Wie sieht diese Preisentwicklung bei anderen Baumaterialien aus, zum Beispiel Dämmmaterial, Beton, Baustahl oder Schrauben?

Thomas Möller: Deutlich angestiegen sind seit dem vergangenen September insbesondere die Preise für Betonstahl. Laut amtlicher Statistik liegen hier die Preiszuwächse bei gut 30 Prozent. Grund für diese Entwicklung sind begrenzte Lieferkapazitäten der Hersteller wegen der wieder anziehenden Nachfrage im Automobilsektor und im Maschinenbau. Auch erdölbasierte Produkte wie Bitumen und Dämmstoffe verzeichnen erhebliche Preissteigerungen. Dagegen ist die Preisentwicklung bei Kies, Sand, Zement und Beton relativ stabil. Bei Schrauben sind in den vergangenen Monaten lediglich geringe Preissteigerungen zu verzeichnen.
Welche Empfehlungen geben Sie derzeit ihren Mitgliedern, wie sie mit dieser Materialverteuerung umgehen sollen?
Thomas Möller: Kommt es während der Bauphase zu Materialpreissteigerungen, kann das ausführende Bauunternehmen prüfen, ob ihm Mehrkosten zustehen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der reguläre Bauablauf behindert wurde, etwa durch zeitliche Verzögerungen, die der Auftraggeber zu vertreten hat. Auch bei Nachtragsleistungen kann das ausführende Unternehmen angemessene Preiszuschläge einfordern. Für zukünftige Verträge empfehlen wir unseren Mitgliedsfirmen, darauf zu achten, ob Stoffpreisgleitklauseln im Vertrag aufgenommen wurden. Eine solche Gleitklausel sieht für wichtige Baustoffe die Möglichkeit zur Preisanpassung vor.
Thomas Schäfer: Grundsätzlich raten wir den Mitgliedsfirmen, bei ihren Angeboten vorsichtig zu kalkulieren und Baumaterial rechtzeitig zu ordern. Darüber hinaus zahlen sich gefestigte und langjährige Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten gerade in schwierigen Situationen aus.
Um welche Summe wird ein Einfamilienhaus jetzt teurer?
Thomas Möller: Das hängt von den verwendeten Baustoffen ab. Generell sind die Baupreise für Wohngebäude im vergangenen Jahr coronabedingt nur noch moderat gestiegen. Zuletzt lagen die Neubaupreise für Wohnbauten im Februar 2021 lediglich um 2,3 Prozent höher als ein Jahr zuvor.
Thomas Schäfer: Die Preise für Einfamilienhäuser in Holzständerbauweise dürften aufgrund der aktuellen Entwicklung um etwa drei bis vier Prozent steigen. Das heißt: bei Baukosten von zum Beispiel 400.000 Euro müssen die Bauherren rund 10.000 bis 15.000 Euro mehr aufbringen.
Welchen Einfluss haben diese Preissteigerungen auf die Bauwirtschaft aktuell und für die Zukunft?
Thomas Möller: Für den weiteren Jahresverlauf gehen wir davon aus, dass sich die Preisentwicklung allmählich wieder beruhigt. Dennoch werden die Unternehmen die gestiegenen Kosten an die Kunden weitergeben müssen. Dies geht auch aus einer aktuellen Verbandsumfrage hervor: Danach sehen sich 56 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen gezwungen, die Preissteigerungen bei Baumaterialien künftig an ihre Auftraggeber weiter zu berechnen, um die erhöhten Kosten aufzufangen. Daher – sowie auch wegen weiter steigender Lohnkosten aufgrund der anstehenden Tarifverhandlungen – sind 2021 wieder stärkere Preiserhöhungen bei Bauleistungen zu erwarten.
Zu den Personen
Thomas Möller (60), ist seit Januar 2018 Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Laut Internetseite des Verbandes war er nach seinem Studium der Rechtswissenschaften von 1993 bis 1998 Leiter der Abteilung Arbeitsrecht beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie in Berlin tätig. 1999 übernahm er die Hauptgeschäftsführung des Bauindustrieverbandes Nordbaden. Mit der Fusion des nordbadischen Bauindustrie- und Baugewerbeverbandes wurde er 2002 zum Hauptgeschäftsführer des Verbandes Bauwirtschaft Nordbaden ernannt. Der zweifache Familienvater ist seit 2005 außerdem ehrenamtlich als Vorsitzender der Arbeitgeber in der Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft BG Bau aktiv.
Thomas Schäfer (63) studierte an der Universität Mannheim Betriebswirtschaftslehre. Danach war der Diplom-Kaufmann bei einem großen deutschen Versicherungskonzern angestellt. 1. März 1996 Eintritt in den Landesverband Holzbau Baden-Württemberg, wo er im Juli 2015 vom Vorstand zum Hauptgeschäftsführer ernannt wurde.