Es meckert immer jemand: Hier muss man zu lange warten, dort ist die Umsteigezeit zu knapp. Die Anschlüsse passen nicht, man ist zu lange unterwegs. Derartige Beschwerden über die Fahrpläne für Bahn- und Busverkehr am Hochrhein häufen sich. Dabei haben‘s die Planer nicht leicht. Hinter so einem umfangreichen Zahlenwerk steckt viel mehr, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Wir haben bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg und beim Landratsamt Waldshut nachgefragt, wie Fahrpläne für die Schiene und den Busverkehr entstehen und was alles mit einfließt.

Auf die Frage, wie ein Fahrplan entsteht, musste Heiko Focken von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) als Verantwortliche für den Schienenverkehr im Land wahrscheinlich erst einmal durchschnaufen. So kann auf jeden Fall seine erste Antwort auf Nachfrage des SÜDKURIER interpretiert werden: „Das ist fast eine philosophische Frage.“

Vergleich mit einem Kochrezept

Er vergleicht das Prozedere mit einem Kochrezept. „Ganz oben stehen die Bedürfnisse der Fahrgäste“, schreibt er, „sprich: was schmeckt ihnen?“ Die NVBW versuche, den Fahrplan also vom Ereignis her zu denken. Dafür benötige man die Hardware. Statt Kochtopf und Herd seien es hier die Fahrzeuge, die Schienen-Infrastruktur oder die Bahnhöfe.

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Sind sie nicht oder unzureichend verfügbar, falle auch das Ergebnis sparsamer aus als vielleicht benötigt oder erwünscht. Focken: „Mit nur einem Topf lässt sich kaum ein Dreigänge-Menü zaubern. Ebenso wenig wie sich auf dem eingleisigen Abschnitt der Hochrheinstrecke östlich von Waldshut ein wirklich schmackhafter, stets stabiler Fahrplan erstellen lässt.“

Das Angebot muss auch finanzierbar sein

Schließlich benötige man die Zutaten. Statt Salz und Pfeffer seien es engagierte Eisenbahner, bequeme Fahrzeuge, gute Kundeninformationen, ausreichend Platz im Zug, Pünktlichkeit, aufmerksame Fahrgäste oder ein attraktives Tarifsystem. „Sie runden das am Ende stehende Ergebnis – die Zugfahrt von A nach B – ab, das dem Kunden wirklich schmeckt“, schildert der Bahnfachmann. Summa summarum müsse das Ganze (“wie beim Kochen“) auch finanzierbar sein.

Wer für welche Bereiche zuständig ist:

Mehrere Akteure sind laut Fockens Schilderungen an der Fahrplanerstellung beteiligt: In erster Linie die Aufgabenträger, Verkehrsunternehmen und die Infrastrukturbetreiber. Begleitend die Kommunen und Landkreise, Verkehrsverbünde, Kunden und Fahrgastverbände, Industrie- und Handelskammer und Schulen. Im Fall der Hochrheinstrecke kommen die Partner in der Schweiz (Kantone oder SBB/Thurbo) mit ihren Anschlussverkehren dazu.

Vom Fernverkehrs- bis zum Busfahrplan

Zunächst entstünden die Pläne für die langläufigen Fernverkehrslinien. „An diese sind in den großen Bahnhöfen, wenn möglich, die Takte der Regionalverbindungen ausgerichtet“, beschreibt Focken. Entlang der Hochrheinstrecke seien es vor allem der Bahnhof Singen und Basel badischer Bahnhof. Auch die Verknüpfungen der Regionalzüge untereinander seien wichtig. Wie in Basel zwischen Hochrheinstrecke und Wiesentalbahn Richtung Lörrach.

Focken: „Gibt es weitere wichtige Verkehrsbedürfnisse, dann werden sie in den Fahrplan eingebaut.“ Ein Beispiel: Die außerhalb des Taktfahrplans verkehrenden Schülerzüge im Bereich Waldshut. Sie sollen den Schülern längere Wartezeiten vor und nach dem Unterricht ersparen, und man will ihnen mehr Platz anbieten.

Das Problem: Der eingleisige Abschnitt

Als das größte Problem bei der Fahrplangestaltung sieht Focken den eingleisigen Abschnitt zwischen Waldshut und Erzingen. Tiengen ist kein Kreuzungsbahnhof mehr. In Oberlauchringen können Züge kreuzen, aber Fahrgäste können an Gleis 2 nicht aus- und einsteigen. „Dieser Zwangspunkt schränkt die Kapazität der Strecke, die Anzahl der Zugfahrten, und die Freiheit bei der Fahrplangestaltung massiv ein“, erklärt Focken. Auch dafür hat nennt er ein Beispiel: Der Zug ins Wutachtal um 13 Uhr fahre für den Unterrichtsschluss in Waldshut zu früh ab. Später funktioniere nicht, weil der nächste Schülerzug nach Erzingen bereit stehe. Der wiederum könne nicht später fahren, weil ihm in Lauchringen der IRE entgegenkomme.

Fahrpläne haben sich über Jahrzehnte entwickelt

Und am Ende steht der Busfahrplan. Landratsamtssprecher Tobias Herrmann holt auf Nachfrage des SÜDKURIER ein wenig aus: „Die heute bestehenden Fahrpläne haben sich über Jahrzehnte entwickelt.“ Vor rund 30 Jahren sei der Busverkehr sehr stark an den Schülern ausgerichtet worden. In der vergangenen zwei Jahrzehnten seien immer mehr Erwachsene dazu gekommen, die Fahrgastzahlen hätten sich verdoppelt. So habe der Landkreis die Fahrzeiten beim Bus auf den stärkeren Achsen zunehmend an einer echten Vertaktung ausgerichtet – ohne den Schülerverkehr aus den Augen zu verlieren.

Man habe versucht, den Busverkehr zunächst an die Ankünfte und Abfahrten an den Bahnhöfen anzupassen. Überdies sei das Ziel gewesen, bei den Schulen einen versetzten Unterrichtsbeginn (Tiengen: 7.45 Uhr; Waldshut: 7.55 Uhr) zu erreichen. „Um effiziente Busumläufe zu gestalten“, schreibt Herrmann.

Anregungen zum Schüler- und Berufsverkehr

Die Südbadenbus Gesellschaft (SBG), der Landkreis und weitere entlang der Strecke beteiligte Akteure erhalten laut Herrmann von den Schienenverkehrsunternehmen den mit der Nahverkehrsgesellschaft abgestimmten und vorgegeben Entwurf des Fahrplans. Anregungen zum Schienenfahrplan, besonders für den Schüler- und Berufsverkehr, werden eingebracht. Dann werden die Busanschlüsse gestaltet. Abgestimmt mit dem Landkreis und weiteren Akteuren. Die Verkehrsströme und Notwendigkeiten im Schüler- und Berufsverkehr fließen in die Gesamtbetrachtung ein.

Um bei Fockens Vergleich zu bleiben: Viele Köche rühren den Brei, viele Zutaten kommen in den Topf, und dann soll‘s gar jedem schmecken. Fazit: Es allen recht zu machen, ist schier unmöglich. Oder wie es Focken jüngst im Zusammenhang mit der Wutachtalbahn formulierte: „Eine Königslösung gibt es nicht.“

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