Für Städte und Gemeinden ist momentan nicht die Zeit für Sparsamkeit. Denn aufgrund der aktuellen Lage auf dem Finanzmarkt wird zur Kasse gebeten, wer ein zu hohes Guthaben auf dem Konto hat. Der Grund sind Negativzinsen – auch „Verwahrentgelte“ genannt -, die eben jene treffen, die diszipliniert haushalten. Sie liegen im Schnitt bei 0,5 Prozent, und auch wenn es gewisse Freibeträge gibt, kommen gerade im Fall von Kommunalfinanzen schnell fünfstellige Beträge pro Jahr zusammen.
„Wie kriegen wir unser Geld los?“, lautete folglich jüngst die provokante Frage von Bad Säckingens Bürgermeister Alexander Guhl an seinen Gemeinderat. Die Stadt muss nämlich für ein Guthaben von sieben Millionen Euro auf der Bank dieses Jahr knapp 35.000 Euro berappen. Die Antwort lautete: Investitionen im Wert von 1,5 Millionen Euro, die eigentlich erst nächstes Jahr erfolgen geplant waren, sollen auf dieses Jahr vorgezogen werden – sofern dies zu vertretbaren Konditionen möglich ist. Dazu zählt die Ablöse eines Kredits ebenso wie Sanierungsmaßnahmen.
Doch was machen andere Gemeinden, um zu vermeiden, dass öffentliche Gelder ungenutzt verschwinden?
Vorgezogene Maßnahmen nicht immer möglich oder sinnvoll
Martin Lauber, Kämmerer der Stadt Waldshut-Tiengen, ist bei der Beantwortung dieser Frage eher vorsichtig: „Wir haben momentan eine generell schwierige Situation, in der man nicht genau absehen kann, wie sich der Finanzmarkt weiter entwickelt.“ Daneben seien natürlich auch die Rahmenbedingungen nicht einfach: Die Auftragsbücher von Handwerksunternehmen seien voll, auf der anderen Seite gibt es Lieferengpässe bei wichtigen Rohstoffen. All das führe dazu, dass die Kosten für Bauvorhaben steigen – und sich Vorhaben auch gar nicht kurzfristig umsetzen ließen, weil es keine Kapazitäten dafür gebe.
Vor diesem Hintergrund bleibe die Große Kreisstadt bei ihrem Kurs des maßvollen Haushaltens. Ohnehin sei die Finanzplanung auch im Hinblick auf Projekte so ausgelegt, dass die Stadt mit ihrem Geld gut auskomme, so Lauber.
Langfristige Leitplanung zu Verwahrentgelten
Die Stadt Wehr habe sich unterdessen bereits im März 2020 im Rahmen einer Gemeinderatsklausur mit der Problematik der Negativzinsen befasst und eine Leitlinie beschlossen, um die Zahlung von Negativzinsen möglichst gering zu halten, wie Rechnungsamtsleiter Erich Götz erklärt. Dieser sehe einen Mix aus Investitionen und Anlageformen wie Trägerdarlehen für städtische Eigenbetriebe vor: „Aufgrund einzelner noch bestehender Geldanlagen kann der Aufwand für Negativzinsen auf rund 25.000 Euro im Jahr 2021 begrenzt werden.“
Priorität bei städtischen Investitionen hätten aktuell die Stadtentwicklungsprojekte auf den Brennet-Arealen in Wehr und Brennet, die Kinderbetreuung, Schulen und Ärzteversorgung, sowie die Erschließung von Bau- und Gewerbegebieten.
Unwetter bringen finanzielle Herausforderungen
Etwa 15.000 Euro muss die Gemeinde Küssaberg für Negativzinsen aufbringen, schildert Rechnungsamtsleiter Joachim Isele. Ein Vorziehen geplanter Investitionen sei derzeit aber nicht vorgesehen. Zumal ohnehin erhebliche finanzielle Herausforderungen im Raum stehen: In den nächsten Haushaltsjahren müsse die Gemeinde allein zwei Millionen Euro zur Beseitigung der Unwetterschäden vom Juni einkalkulieren. Starke Regenfälle hatten unter anderem Infrastruktur massiv in Mitleidenschaft gezogen. Die Aufwendungen für Reparaturen könnten darin resultieren, dass weitere geplante Investitionen verschoben werden müssen, so Isele.
Abgesehen davon tätige die Gemeinde bereits seit Jahren große Investitionen in Bereichen wie Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, Kindertageseinrichtungen und Schulen, dem Brandschutz und auch für das kommunale Großprojekt „Wohnen im Alter“, die sich aber ohne Zuschüsse kaum realisieren ließen.
Energiesparmaßnahmen und anstehende Großinvestitionen
Mit guten 20.000 Euro jährlich schlagen Negativzinsen bei der Gemeinde Lauchringen zu Buche. „Da wir eine Einheitskasse haben, nutzen wir die Liquidität für unsere Eigenbetriebe Versorgung und Abwasserbeseitigung“, schildert Rechnungsamtsleiter Heiko Weißenberger. Außerdem versuche die Gemeinde, im Zuge der Nachtragsplanung Maßnahmen zur Energieeinsparung umzusetzen, sofern das notwendige Material geliefert werden könne, so Weißenberger weiter. Außerdem werden die liquiden Mittel in Höhe von 3,8 Millionen Euro voraussichtlich im Zuge der bevorstehenden Großprojekte wie die Umnutzung des Lauffenmühle-Areals oder das Landessanierungsprogramm „Altdorf Lauchringen“ deutlich zusammenschrumpfen. „Da die Kommunen gehalten sind eine sogenannte Mindestliquidität vorzuhalten, wird es unvermeidbar sein Verwahrentgelte gänzlich auszuschließen“, sagt Weißenberger.
Großprojekte engen Handlungsspielraum ein
Ebenfalls große Aufgaben laufen in Dogern – und weitere stehen ins Haus. In den kommenden vier Jahren plane die Gemeinde Investitionen in Höhe von 14 Millionen Euro, sagt Rechnungsamtsleiter Stefan Schlachter. Den Neubau eines Feuerwehrgerätehauses, den anschließenden Kindergartenbau, die Sanierung von Straßen und der Kläranlage und noch eine ganze Reihe weiterer Vorhaben nennt Schlachter. Insofern seien aktuell keine vorgezogenen Projekte geplant, wenngleich Dogern rund 7000 Euro pro Jahr für Negativzinsen ausgeben müsse.
Großprojekte binden auch in Albbruck aktuell nahezu alle Mittel der Gemeinde, auch wenn noch längst nicht alle Rechnungen für die vom Gemeinderat vergebenen Leistungen vorlägen, wie Kämmerer Philipp Bastian darstellt. Eines der größten laufenden Projekte sei etwa die Sanierung und Erweiterung der Schule Albbruck. „Hier sind bereits fast alle Vergaben erfolgt, die Arbeiten dauern jedoch an, eine Auszahlung konnte daher noch nicht in gleicher Höhe erfolgen. Dennoch müssen wir das Geld vorhalten, da nach Abschluss der Arbeiten in der Regel eine 30-tägige Zahlfrist steht“, so Bastian. Der Umfang der Verwahrentgelte richte sich daher in erster Linie nach Rechnungseingang. Der Ansatz des Haushaltsplans von 36.500 Euro Zinsen werde aber voraussichtlich deutlich unterschritten. Es sei sogar damit zu rechnen, dass die Negativzins-Problematik sich in naher Zukunft „weitestgehend lösen“ werde, sofern keine Bauverzögerungen eintreten.
Der Finanzmittelbestand in der Gemeinde Weilheim beträgt aktuell knapp 3,5 Millionen Euro, etwa 1,9 Millionen Euro davon seien verwahrgeldpflichtig, wie Bürgermeister Jan Albicker erklärt. Jüngst hat der Gemeinderat die Tilgung eines Kredits über 430.000 Euro beschlossen, wodurch natürlich dieser Bestand gesunken sei, so Albicker. Ansonsten laufen in der Gemeinde viele Großprojekte parallel, insbesondere der Breitbandausbau. Weitere Projekte vorzuziehen oder neue zu starten sei momentan kein Thema.
Bis zu 30.000 Euro Negativzinsen bezahlt die Gemeinde Klettgau. Das werde sich voraussichtlich in absehbarer Zeit ändern, weil im Lauf des Jahres einige kostenintensive Projekte gestartet wurden, wie Rechnungsamtsleiter Thomas Metzger darstellt. Diese betreffen neben dem Breitbandausbau insbesondere die den Neubau und die Sanierung von Schulen und Hallen.
Stühlingen stehe finanziell ganz gut da, allerdings schwanke der Finanzmittelbestand aufgrund größerer Investitionsmaßnahmen wie Breitbandausbau, Erschließung von Baugebieten, Sanierungen im Wasser- und Abwasserbereich erheblich, wie Bürgermeister Joachim Burger erklärt. In den nächsten Jahren kämen auch Vorhaben wie die Städtlesanierung und Investitionen im Kindergarten- und Schulbereich hinzu. Maßnahmen seien in der Regel langfristig geplant, hängen teilweise an Förderantragen und müssten ausgeschrieben werden. Somit könnten allenfalls kleinere Maßnahmen vorgezogen werden, sofern der Gemeinderat dies genehmige, so Burger.
Die Stadt Laufenburg investiere derzeit massiv, was auch am Finanzmittelbestand nicht spurlos vorbei geht, wie Stadtkämmerin Andrea Tröndle darstellt: Lag dieser zum Jahresbeginn noch bei etwa 10,8 Millionen Euro, so betrage er aktuell noch drei Millionen. Die Belastung durch Negativzinsen werde sich für das Jahr 2021 zwar auf rund 32.000 Euro summieren. Dennoch seien keine weiteren oder vorgezogenen Ausgaben vorgesehen.
„Aufgrund der derzeit laufenden Baumaßnahmen in Millionenhöhe können wir einen gewissen Bestand an liquiden Mitteln nicht vermeiden, um stets zahlungsfähig zu sein“, sagt Görwihls Gemeindekämmerer Martin Schwald. Konkret betreffe dies den Breitband-Ausbau, den Neubau eines Kindergartens und einer Tagespflege sowie die Digitalisierung Schulen. Negativzinsen ließen sich in diesem Zusammenhang nicht vermeiden, zumal „sinnvolle Instandhaltungsmaßnahmen“ ebenfalls bereits erledigt wurden. Stattdessen würden Kreditaufnahmen so lange wie möglich hinausgezögert, wobei die Gemeinde immer auch die weitere Entwicklung im Finanzsektor im Blick behalte, so Schwald.
Ähnlich sei die Lage in St. Blasien, wie Stadtkämmerer Michael Spitz erklärt. Kindergartenneubau, Breitbandausbau, Neubau Feuerwehrgerätehaus – all das bringe die Stadt häufig an den Rand des finanziellen Spielraums „Wir konnten in den letzten Jahren durch Umschuldungen und Kreditvertragsänderungen die Zinslast massiv abbauen“, so Spitz. Der Negativzinssatz könne insgesamt kompensiert werden, wenngleich er nicht völlig vermeidbar sei.
Keine vorgezogenen Maßnahmen trotz Negativzinsen
Auch die Stadt Bonndorf zahlt dieses Jahr rund 25.000 Euro Negativzinsen. Vorgezogene Investitionen seien laut Rechnungsamtsleiter Nikolaus Riesterer dennoch nicht vorgesehen. Alles Weitere werde in Kürze im Gemeinderat behandelt.
Die Gemeinde Hohentengen verfügt über liquide Mittel von rund 3,2 Millionen Euro. Die jährlichen Belastungen durch Negativzinsen belaufen sich somit auf rund 15.000 Euro, wie Rechnungsamtsleiterin Kristina Schwab darlegt. Es gebe keine Überlegungen oder Beschlüsse, derzeit Investitionen vorzuziehen.
Auch die Gemeinde Höchenschwand muss bei einem Finanzmittelbestand von 2,6 Millionen Euro etwa 13.000 Euro Verwahrentgelte pro Jahr einkalkulieren. Auf die Investitionsplanung habe das keinen Einfluss, so Kämmerer Michael Herr.
Ühlingen-Birkendorf rechne mit Negativzinsen in Höhe von 15.000 Euro, so Bürgermeister Tobias Gantert. Dennoch sei kein Vorziehen von Investitionen geplant.
Genauso verhält es sich in Jestetten, wobei hier auch nur Negativzinsen im „vertretbaren dreistelligen Bereich“ anfallen, wie Rechnungsamtsleiterin Carolina Mihailowitsch darstellt.
Für die Gemeinde Wutach rechnet Arnold Hettich mit Negativzinsen von 4000 Euro. Die liquiden Mittel würden aber nicht für neue Investitionen sondern für die ausstehenden Schlussrechnungen zur Sanierung und Erweiterung der Wutachhalle und für die Erschließung des Gewerbegebietes „Vor Gärten“ verwendet.
Negativzinsen kein Problem dar
Seine Gemeinde stehe gerade am Ende verschiedener kostenintensiver Großprojekte, erklärt Murgs Bürgermeister Adrian Schmidle. Der Ausbau der Kinderbetreuung, die Neugestaltung der Murger Mitte als attraktives Ortszentrum – all das habe Geld gekostet und Kreditaufnahmen nach sich gezogen. „Momentan kommen wir nicht in die Verlegenheit, Negativzinsen zahlen zu müssen. Wir kommen jetzt erst einmal wieder in eine Anspar-Phase.“ Denn die nächsten Herausforderungen warteten bereits.
Auch Wutöschingens Bürgermeister Georg Eble verweist auf eine ganze Reihe Großprojekte, die die finanziellen Möglichkeiten seiner Gemeinde vollkommen ausschöpfen: „Wir sind am Neubau eines Gymnasiums mit einem Investitionsumfang von zirka neun Millionen Euro und dessen Finanzierung.“ Die Sanierung des Blauen Lernhauses und der Ortsmitte Degernau, die jeweils mit zwei Millionen Euro zu Buche schlugen, seien gerade abgeschlossen worden.
Auch in Herrischried sind Negativzinsen kein Thema, wie Kämmerer Roland Frank erklärt: „Unser derzeitiger Bestand an liquiden Mitteln von rund 500.000 Euro wird in den nächsten Wochen und Monaten deutlich schwinden und in den negativen Bereich gleiten.“ Grund seien die laufenden Projekte Schulneubau und -umbau sowie vor allem das Breitbandprojekt mit einem Gesamtvolumen von 15 Millionen, von dem die Gemeinde zehn Prozent selbst finanzieren müsse. Die Gemeinde werde also nicht um Kreditaufnahmen herumkommen.
Vielfältig und umfangreich sind derweil auch die finanziellen Verpflichtungen der Gemeinde Dettighofen. Von der Gewerbegebiet-Erschließung über die Kinderbetreuung und Schulwesen, die Themen Wasser und Abwasser bis hin zum Bau eines Dorfladens sei schon so viel geplant, dass die liquiden Mittel im Lauf des Jahres aufgezehrt werden, so Rechnungsamtsleiter Markus Helm. Mit Negativzinsen müsse die Gemeinde folglich bis auf Weiteres nicht rechnen.
Große Projekte wie die Umbau und Erweiterung der Grundschule oder der Breitbandausbau haben auch in Rickenbach zur deutlichen Reduzierung der liquiden Mittel auf gut 1,5 Millionen Euro geführt. Und mit weiteren Kosten sei zu rechnen, schildert Kämmerin Hildegard Bayer. Zudem sei das Geld so auf verschiedene Banken verteilt, dass Freibeträge bestmöglich ausgeschöpft werden könnten und Negativzinsen somit zwar ein Thema aber kein Problem seien.
Nach Bezahlung einer größeren Maßnahme betrage der Finanzmittelbestand der Gemeinde Lottstetten laut Rechnungsamtsleiterin Siri Griesser in Kürze nur noch etwa 700.000 Euro. Unter Berücksichtigung von Freibeträgen müsse die Kommune etwa 100 Euro pro Monat an Negativzinsen berappen – zu wenig, um deswegen die Investitionsplanung zu überdenken.
Die finanzielle Lage in der Gemeinde Häusern „ist nicht schlecht, wir wissen aber nicht wie es noch kommt“, erklärt Bürgermeister Thomas Kaiser. Genaue Zahlen nennt Kaiser nicht. Nur so viel: „Negativzinsen sind bei uns kein Thema.“
Auch die Lage in der Gemeinde Eggingen sei „gut bis befriedigend“, attestiert Bürgermeister Karl-Heinz Gantert. Der Finanzmittelbestand betrage etwa 900.000 Euro, daraus resultierten Negativzinsen in Höhe von 2000 Euro. Alles in allem gebe es also keinen Anlass, über vorgezogene Investitionen nachzudenken oder den grundsätzlichen Kurs zu überdenken. Ohnehin lege die Gemeinde „seit Jahrzehnten“ den Fokus auf „wichtige Investitionen“, so Gantert.
Finanzrahmen sehr beschränkt
Wie Rechnungsamtsleiter Uwe Bonow darstellt, sei die finanzielle Lage der Gemeinde Todtmoos nicht so üppig, dass die Möglichkeit zur Anlage eines Finanzmittelbestandes bestehe: „Insoweit ist auch keine Belastung durch Negativzinsen gegeben.“ Ohnehin könne die Gemeinde nur in größerem Umfang in Projekte investieren, wenn diese bezuschusst werden, so Bonow.
Noch knapper fällt die Einschätzung der Gemeinde Dachsberg aus: „Die Gemeinde Dachsberg hat keine Finanzmittel“, konstatiert Michael Denz vom Rechnungsamt. Insofern sind der Kommune offenbar grundsätzlich die Hände gebunden.
Der Kontostand der Gemeinde Ibach bewege sich unterdessen immer um den Nullbereich, wie Bürgermeister Helmut Kaiser darstellt: „Zur Bezahlung der laufenden Maßnahmen und bis die Zuschüsse abgerechnet werden können, ist der Kontostand in der Regel im negativen Bereich, es fallen also Sollzinsen an.“ Eine Belastung mit Negativzinsen gebe es nicht. „Zur Realisierung sämtlicher Maßnahmen sind wir auf Fördergelder angewiesen“, so Kaiser.
Zwei Gemeinden geben keine Auskunft
Trotz mehrfacher Anfragen gab es aus den drei Gemeinden Bernau und Grafenhausen keine Angaben zur aktuellen finanziellen Lage und der weiteren Planung im Hinblick auf Investitionen oder Negativzinsen.