Es hätte früher mehr Phantasie gebraucht, um sich ein solches Szenario vorzustellen: Die Stromversorgung in der Stadt oder in Teilen davon bricht völlig zusammen, die Kommunikation über Telefone oder Internet ist plötzlich unmöglich, manche Heizung fällt aus, kaum jemand kann noch kochen. Alarmanlagen funktionieren nicht mehr, genauso wie die Information der Bürger über Fernsehen oder Rundfunk. Es geht praktisch nichts mehr. Was dann? Wohin können Bürger sich wenden? Wo gibt es Informationen, warme Räume, womöglich Schlafgelegenheiten und etwas zu essen?

Heutzutage – in Zeiten, in denen die Menschen die Unsicherheiten im Zuge einer globalen Pandemie gepaart mit Bildern aus der Ukraine und Drohungen über einen großflächigen Blackout im Hinterkopf haben – muss die Phantasie gar nicht mehr so blühend sein, um sich diese Fragen zu stellen. Die Stadt Rheinfelden hat als eine der ersten Kommunen im Landkreis Antworten parat. Die Verwaltung hat den Bürgersaal zum ersten sogenannten Notfalltreffpunkt der Stadt ertüchtigt, weitere sollen Schritt für Schritt folgen.

Graues Ungetüm im Keller

Im Keller des Rathauses schläft ein graues Ungetüm vor sich hin. Ein Schild mit der deutlichen Empfehlung, Ohrenschützer zu tragen, weist darauf hin, was hier für eine Leistung entfesselt werden kann, wenn es denn einmal nötig wird. „Es ist das Herzstück“, sagt Bernd Reißfelder, sozusagen der Chef-Hausmeister. Gemeinsam mit Ordnungsamtschef Dominic Rago steht er in dem Kellerraum, von dem aus das Rathaus und speziell der Rathaussaal praktisch am Leben gehalten werden, wenn der Ernstfall eintritt, sprich: wenn rundherum alle anderen Systeme ausfallen.

Dann springt der dieselbetriebene Notstromgenerator an und versorgt die notwendigen Teile des Gebäudes bis zu 96 Stunden mit Strom. Bürgersaal plus Küche, EDV-Abteilung, Bürgerinfo und die wichtigsten Büros – etwa das
von Oberbürgermeister Klaus Eberhardt – sind dann weiter arbeitsfähig. Im Bürgersaal selbst können Bürger dann Verpflegung bekommen, Handy-Akkus aufladen, zur Not auch übernachten – je nachdem, welche Notlage eintritt.

Vom bloßen Stromausfall bis hin zu Extremlagen in Naturkatastrophen wie etwa Stürmen oder Großbränden ist vieles denkbar. „Wenn man alles ernst nimmt, was in den Vorgaben enthalten ist, müssen wir immer vom schlimmsten Szenario ausgehen“, sagt Dominic Rago. Auf diesem Weg sei Rheinfelden kreisweit Vorreiter. „Wir stehen im Kontakt mit unseren Kollegen“, so Rago. „Im Vergleich sind wir vorne dabei.“ Und auch Bernd Reißfelder ist auf technischer Ebene im engen Austausch: „Rheinfelden ist da führend“, sagt der Haustechnik-Chef.

„Am Thema Notfalltreffpunkte sind wir schon recht lange dran“, sagt Rago. „Schon bevor die Diskussion um Stromausfälle und Blackouts begann. Für Unterbringung und Evakuierungen bei größeren Notfällen wie etwa Bränden braucht man auch Örtlichkeiten. Für die Gefahrenabwehr sind die Kommunen zuständig.“ Seit 2018 ist die Verwaltung mit der Arbeit am sogenannten externen Notfallplan beschäftigt – auch deshalb, weil es in der Stadt sogenannte Störfallbetriebe gibt, bei denen Zwischenfälle ebenfalls zu Notlagen führen könnten.

In Absprache mit dem Landratsamt werden in einem solchen Notfallplan verschiedene Stufen von Notlagen festgelegt. Daraus geht dann klar hervor: Was ist in welcher Lage wann zu tun? Wer muss alarmiert und informiert werden?

Es tritt je nach Notlage ein Krisenstab zusammen, es werden Helfer rekrutiert, die Polizei überwacht die Sicherheit, Feuerwehr, Rotes Kreuz und THW sind involviert, ebenso Energiedienst als örtlicher Stromversorger und Netzbetreiber. In diesem Konzept ist bis zur Frage, wie die Bevölkerung in einem Notfall mit Medikamenten, Trinkwasser und Essen versorgt wird, alles hinterlegt. „Wir haben da eine ganz pragmatische Lösung gefunden“, nennt Dominic Rago das Beispiel Verpflegung: „Wir arbeiten mit einem örtlichen Supermarkt zusammen, über den wir im Fall der Fälle Nahrungsmittel bekommen. Wir können ja nicht den ganzen Keller mit Raviolidosen vollmachen.“

Für den Fall einer Notlage – etwa durch einen Blackout – hat die Stadt auch ein paar Instrumente angeschafft, die fast vorsintflutlich klingen: Megafon, Funkgeräte, Satellitentelefon – sie gehören auf einmal zum Notwendigen, wenn der Strom ausbleibt. Dafür gibt es sogenannte Stromausfallmelder, die bei bestimmten Personen dauerhaft in der Steckdose eingesteckt sind und einen Stromausfall signalisieren. Damit ist auch in den Nachtstunden gesichert, dass ein Ausfall rechtzeitig erkannt wird und die Reaktionszeit nicht zu lang ist.

Weitere Notfalltreffpunkte geplant

„Diese Vorarbeit kam uns jetzt zugute“, erklärt Rago. Denn jetzt, wo die Diskussion um Blackouts akut geführt wird, sind viele Gemeinden unter Zugzwang. „Bei uns ist jetzt das Rathaus schon so weit fit, dass es als Anlaufstelle dienen kann.“

Dabei soll es aber nicht bleiben. Die Stadt wird bekanntlich ein weiteres Notstromaggregat für die Fécamphalle am Georg-Büchner-Gymnasium anschaffen. Hier wird der zweite Notfalltreffpunkt im Stadtgebiet geschaffen. „Dann geht es Schritt für Schritt weiter“, erklärt der Ordnungsamtsleiter. „Wir haben Prioritäten gesetzt. Jedes Jahr soll ein weiterer Treffpunkt folgen.“ Zunächst 2024 die Hans-Thoma-Schule samt Halle in Warmbach, dann 2025 die Scheffelhalle in Herten, zum Schluss 2026 die Sonnrainhalle in Karsau.

Die Gebäude sollen alle so fit gemacht werden, wie jetzt die Fécamphalle. Dabei wurde vor allem die Bevölkerungsverteilung zugrunde gelegt: Bürgersaal, Fécamphalle und Hans-Thoma-Halle liegen zwar in relativer Nähe zueinander, müssten aber im Notfall auch den größten Ansturm verkraften: „In der Kernstadt haben wir 18.000 Einwohner“, rechnet Rago vor. „Das ist ein Wort.“ Die Scheffelhalle in Herten dient als Anlaufstelle für den mit knapp 5000 Einwohnern größten Ortsteil plus Degerfelden, die Karsauer Sonnenrainhalle für die Bewohner der Dinkelbergdörfer.

Damit nicht nur in der Theorie alles für den Notfall vorbereitet ist, plant die Stadt auch Notfallübungen für verschiedene Szenarien, um daraus Erkenntnisse für den Ernstfall zu ziehen – damit dann möglichst wenig der Phantasie überlassen bleibt.