Rheinfelden Eine Kirche feiert Geburtstag, und zwar die kleine evangelische Dorfkirche in Minseln. Am Sonntag, 13.¦Juli, wird ihr 70.¦Jahrestag gefeiert. Genau besehen hätte das Fest schon etwas eher begangen werden können. Am Palmsonntag 1955, das war damals der 3.¦April, wurde die Kirche von Bischof Julius Bender geweiht. Das war fast genau drei Jahre nach dem ersten Spatenstich. Gewidmet wurde sie Johannes, dem Lieblingsjünger von Jesus und Verfasser des gleichnamigen Evangeliums.
Ursprünglich sollte die Kirche größer werden, aber nach genauer Betrachtung der Gemeindegröße – damals war Minseln noch ein selbstständiges Dorf – entschied man sich für einen etwas kleineren Bau. Obwohl sie bescheiden ausgestattet ist, verfügt sie doch über sehr bemerkenswerte Besonderheiten. Gleichlaufend mit dem Bau erhielt der Berliner Künstler Gerhard Olbrich den Auftrag für die Gestaltung. Er schuf ein Altarbild und sechs Glasfenster, von denen drei 1955 eingebaut wurden, drei weitere im Jahr danach. Jedes Fenster greift vier Themen aus dem Neuen Testament auf, jeweils im oberen Feld hält ein Engel ein Schriftband als Beschreibung. Es gibt ein Weihnachts-, ein Oster- und ein Pfingstfenster.
Das Altarbild weicht von üblichen Gestaltungsprinzipien ab. Als biblische Figur zeigt es nur Jesus im Mittelpunkt. Die übrigen Personen erscheinen zufällig, sie greifen das Gleichnis vom verlorenen Sohn auf. Eingeordnet in die Zeit zehn Jahre nach Kriegsende, lässt sich das Bild als Darstellung der Geschehnisse nach den Jahren der Diktatur deuten. Ist der gebrochene Rückkehrer einer, der dem Nationalsozialismus verfallen war? Ist die weinende Frau eine Vertriebene? Helmut Sieber, Kirchenältester und Chronist in der evangelischen Gemeinde Rheinfelden, weist auf die bis heute hervorragend erhaltene hölzerne Kastendecke hin. Minseln und Karsau hatten ja nicht immer das beste Verhältnis zueinander. Doch immerhin stiftete die politische Gemeinde Karsau die Kosten für die Decke.
Damit konnte Holz aus dem Karsauer Wald eingekauft werden, aus dem dann die Decke gebaut wurde. Beachtenswert sind auch die beiden Glocken. Die Kleine stammt aus dem Jahr 1889, Großherzog Friedrich¦I. von Baden schenkte sie damals den sich hier ansiedelnden Protestanten. Sie hatte ihren Platz in der ersten evangelischen Kirche der neuen Siedlung am Rhein, die noch keinen Namen hatte. 1955 wurde sie umgesetzt nach Minseln. Die andere Glocke wurde 1952 bei der Firma Rincker in Leun, Hessen, gegossen.
1961 wurde noch eine kleine Orgel installiert. Das Instrument stammt von der Firma Steinmeyer aus Oettingen. So klein die Kirche auch ist, sie verdient Aufmerksamkeit. Sie weist etliche Parallelen zur Rheinfelder Christuskirche auf. Es gibt nur eine kleine und eine große Kirche in der evangelischen Pfarrei Rheinfelden. In Herten und Karsau bestehen Gemeindezentren, mit dem Paulussaal auch noch eines in Oberrheinfelden. Die evangelische Landeskirche hält die Kirche Minseln nicht mehr in ihrem Finanzierungsprogramm.
Dennoch wird die Gemeinde sie nicht aufgeben, ein Förderverein bemüht sich um den Erhalt. Das Gebäude befindet sich in gutem Zustand und ist hervorragend ausgestattet. Gern genutzt wird es nicht nur für kirchliche Anlässe, sondern ebenso für Konzerte und kleine Veranstaltungen, die sogar Einnahmen für den Erhalt einbringen. In Notfällen, so erklärte Pfarrer Joachim Kruse, etwa bei Sturmschäden, gäbe die Landeskirche durchaus Unterstützung.
Der Festgottesdienst am Sonntag, 13.¦Juli, beginnt um 10¦Uhr. Dazu werden auch Gäste aus der Stadt erwartet. Anschließend findet auf der Wiese um die Kirche ein Apéro statt. Die Gruppe „Grüner Gockel“ übernimmt die Organisation. Selbstverständlich kann die Kirche besichtigt werden, von den Fenstern bis hinauf zum Glockenturm. Helmut Sieber steht bereit, um Auskünfte zum Gebäude zu geben.