Die Einreise-Voraussetzungen ausländischer Fachkräfte zur Jahresrevision des Schweizer Atomkraftwerks Leibstadt im Sommer sind trotz Grenzsperrung gegeben. Dies hat nun das Staatssekretariat für Migration (SEM) in Bern in einer weitergehenden Mitteilung gegenüber dieser Zeitung erklärt. Offen ist unterdessen nach wie vor, ob die deutschen Grenzbestimmungen den Betrieb der in Albbruck geplanten Containersiedlung ermöglichen, wo ein Teil der Arbeiter untergebracht werden soll. Das Projekt wird vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie in der Region zusehends kritischer gesehen. Die Waldshut-Tiengener Bürgerinitiative Zukunft ohne Atom (ZoA) fordert: „Runterfahren statt Revision.“

In Bezug auf die Einreiseproblematik erklärte Sibylle Bossart vom SEM: Es sei „von essentieller Bedeutung, dass die kritische Infrastruktur der Schweiz und die Kapazitäten in der Gesundheitsversorgung aufrechterhalten werden“. Die Fachreferentin der Schweizer Einwanderungsbehörde: „Deswegen ist es den dafür benötigten Spezialistinnen und Spezialisten aus der EU/EFTA sowie aus Drittstaaten im Rahmen einer Ausnahme weiterhin möglich, in die Schweiz einzureisen.“ Dies gelte unter anderem auch für Spezialisten zur Wartung von Kernkraftwerken.

1000 externe Spezialisten

Bei der Jahreshauptrevision, die vom 11. Mai bis 9. August geplant ist, werden sich neben der rund 500-köpfigen Stammbesetzung etwa 1000 externe Fachkräfte aus dem Ausland im Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) aufhalten. Einen Pandemieplan gegen das Corona-Virus gebe es bereits ungeachtet der Revision, hatte das KKL auf Anfrage mitgeteilt.

Um einen sicheren Betrieb mit dem erforderlichen Personal zu gewährleisten, hätten auch deutsche Atomkraftwerke Vorsorge im Bezug auf das Virus getroffen. Dies erklärte gegenüber dieser Zeitung Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium und SPD-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Waldshut. Die Politikerin: „Hierzu zählen beispielsweise zusätzliche Maßnahmen bei der Zugangskontrolle, damit infizierte Personen die Anlagen nicht betreten sowie Verhaltensvorgaben zur Hygiene oder dahingehend, persönliche Kontakte auf das notwendige Maß zu reduzieren.“ Das Ministerium stehe in engem Austausch mit den Aufsichtsbehörden der Nachbarstaaten, so auch mit dem Schweizer Ensi (Eidgenössisches Nuklearsicherheits-Inspektorat). Schwarzelühr-Sutter: „Dieser Austausch hat gezeigt, dass die europäischen Staaten ein ähnliches Vorgehen haben.“

Kritisch sieht die Abgeordnete das in Albbruck auf dem Gelände der früheren Papierfabrik geplante Containerdorf. Von dort sollen etwa 350 externe Spezialisten, die aus mehreren Ländern stammen, täglich zur Revision über die Grenze pendeln. Schwarzelühr-Sutter: „Auch wenn die Revision für das AKW jetzt fällig ist und Sicherheit die oberste Priorität hat, darf hier keine Ausnahme gemacht beziehungsweise kein Präzedenzfall geschaffen werden.“ Es müssten die gleichen Einreisebestimmungen des Bundesinnenministeriums gelten, die durch das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg umgesetzt werden. Es sei Sache der Vertragsfirma, für die Unterbringung der Arbeiter zu sorgen, falls die Corona-Vorschriften eine Einreise nicht zulassen. Die Politikerin: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Containerdorf für die für die notwendige Revision tätigen Fremdarbeiter nicht auch in der Schweiz eingerichtet werden kann.“

Auf keinen Fall dürfe die Containersiedlung in Albbruck realisiert werden, meint die Waldshut-Tiengener Bürgerinitiative Zukunft ohne Atom (ZoA). Sprecherin Monika Herrmann-Schiel in einer Medienmitteilung zu dem Vorhaben: „Das stellt in den Zeiten der Corona-Pandemie eine zusätzliche Gefährdung für die Bevölkerung und für die Arbeiter dar.“ Herrmann-Schiel schloss sich in Bezug auf Leibstadt, aber auch im Blick auf das Schweizer Kernkraftwerk Beznau, einer Forderung der überregionalen Initiative „Ausgestrahlt“ an. Diese hatte für die deutschen Reaktoren wegen der Pandemie Abschaltungen anstelle der auch dort anstehenden Jahresrevisionen verlangt.