Es waren zweieinhalb intensive Stunden für Philipp Frank und Martin Gruner. Immer wieder mussten sich die beiden OB-Kandidaten den kritischen Nachfragen der beiden Moderatoren Markus Baier und Andreas Gerber stellen. Oft wurden ihre Aussagen mit Applaus aus dem Publikum quittiert, einiges sorgte für Schmunzeln, manches aber auch für Kopfschütteln.

Philipp Frank ist seit acht Jahren Oberbürgermeister in Waldshut-Tiengen, Herausforderer Martin Gruner will dieses Amt für die nächsten acht Jahre übernehmen. Mit ihren Vorhaben und Visionen für die Doppelstadt kamen sie am Mittwochabend in die SÜDKURIER-Wahlarena in der Waldshuter Stadthalle. Die Redaktionsleiter Markus Baier (Waldshut) und Andreas Gerber (Bad Säckingen) klopften das Wahlprogramm ab, legten den Finger in so manche Wunde und bohrten für die Wähler nach.

Andreas Gerber, Leiter der Lokalredaktion Bad Säckingen (links) und Markus Baier, Leiter der Lokalredaktion Waldshut (rechts), fühlten ...
Andreas Gerber, Leiter der Lokalredaktion Bad Säckingen (links) und Markus Baier, Leiter der Lokalredaktion Waldshut (rechts), fühlten den OB-Kandidaten Martin Gruner und Philipp Frank auf den Zahn. | Bild: Schlichter, Juliane

Für die etwa 600 Besucher in der Stadthalle Waldshut und die Leser, die die Podiumsdiskussion Zuhause im Livestream verfolgten, ging es thematisch in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Doppelstadt und um die ein oder andere Kontroverse.

Der SÜDKURIER hat die Podiumsdiskussion zur OB-Wahl im Internet live übertragen.
Der SÜDKURIER hat die Podiumsdiskussion zur OB-Wahl im Internet live übertragen. | Bild: Schlichter, Juliane

Die Projekte

Zahlreiche Projekte wurden in den vergangenen Jahren in Waldshut-Tiengen verwirklicht, zum Einstieg ging es um die wichtigsten für den OB. Das schönste Projekt in acht Jahren war für Philipp Frank die Eröffnung des Feuerwehrgerätehauses mit Kita auf dem Dach in Waldshut, „weil es das erste war ohne Vorgeschichte und in der Konzeption einzigartig“. Das Schwerste sei die Lösung der Spital-Frage gewesen: „Es war die schwierigste Handlung, aber wahrscheinlich die wichtigste.“

Philipp Frank ist seit acht Jahren OB in Waldshut-Tiengen und strebt eine zweite Amtszeit an.
Philipp Frank ist seit acht Jahren OB in Waldshut-Tiengen und strebt eine zweite Amtszeit an. | Bild: Schlichter, Juliane

Martin Gruner hätte als OB gerne den Umbau der Waldshuter Stadthalle begleitet. Zu Beginn war Gruner Beigeordneter und somit Baubürgermeister der Doppelstadt: „Ich schätze mich glücklich, dass ich die Anfangsphase mit begleitet habe, es ist ein wichtiges Gebäude für die Stadt.“

Heikler wurde es dann bei der Frage nach den Kosten, die etwa bei der Sanierung des Kornhauses und der Feuerwehr-Kita deutlich über der ersten Kostenschätzung lagen. „In der Bauphase der Feuerwehr-Kita hat sich Projekt nach meinem Kenntnisstand nicht erkennbar verteuert. Das Kornhaus ist ein anderes Projekt, es war kein Neubau sondern Sanierung im alten Bestand. Da hatten wir fortlaufend mit Unwägbarkeiten zu kämpfen gehabt“, antwortete Philipp Frank. Und was ist schiefgelaufen, wollte Markus Baier wissen. „Offenbar ist etwas schiefgelaufen, aber ich würde es positiv formulieren, wir haben die Projekte gut über die Ziellinie gebracht. Und ich bin heilfroh, dass wir im Hochbauamt heute voll besetzt sind“, so der OB.

Andreas Gerber wollte von Martin Gruner, der seit einigen Jahren Baubürgermeister in Weil an Rhein ist, wissen, ob bei den Projekten Kornhaus, Stadthalle und Freibäder nicht schon in der Startphase Fehler gemacht wurde, als er noch Beigeordneter bei der Stadt Waldshut-Tiengen war. Gruner: „Beim Kornhaus waren wir noch nicht so weit, über Kosten zu sprechen.“

Verhältnis OB-Gemeinderat

Zum Verhältnis zwischen OB und Gemeinderat formulierte Markus Baier die These, ob sich die Unterstützung der vier Gemeinderatsfraktionen für seinen Gegenkandidaten und die jüngste Protestnote nicht wie ein Misstrauensvotum anfühle. Der OB konterte: „Nicht der Gemeinderat wählt den OB, sondern die Bürger“, die Rückmeldung aus der Bevölkerung bestätige in ihn der Kandidatur. Zudem sei Kommunalpolitik Sachpolitik, „da muss nicht Friede und Freude herrschen“. Frank verwies außerdem darauf, dass ein Großteil der Entscheidung im Gemeinderat mit 80 bis 100-prozentiger Zustimmung erfolgt sei, der Haushalt 2023 sogar einstimmig verabschiedet wurde.

Ob er die Stadt mit seinem Weggang als Beigeordneter in einer heiklen Situation habe hängen lassen, wollte Andreas Gerber von Martin Gruner wissen. „Die Einsatzmöglichkeiten waren begrenzt, die Art der Zusammenarbeit auch“, sagte Gruner über das damalige Verhältnis zum OB. Und wie vermeide er angesichts der Unterstützung von vier Gemeinderatsfraktionen Abhängigkeiten, sollte er gewählt werden? „Er sehe keine Abhängigkeit, sondern eine Einheit, die es beim aktuellen OB so nicht gebe. Er werde und müsse mit allen Gemeinderäten in Konflikte gehen, „die Frage ist nur, wie man sie führt“.

Martin Gruner war von 2014 bis 2017 Erster Beigeordneter der Stadt Waldshut-Tiengen und ist aktuell Baubürgermeister in Weil am Rhein.
Martin Gruner war von 2014 bis 2017 Erster Beigeordneter der Stadt Waldshut-Tiengen und ist aktuell Baubürgermeister in Weil am Rhein. | Bild: Schlichter, Juliane

Die Personalführung

Ein weiterer Themenkomplex war die Personalführung und wie die Attraktivität der Stadt als Arbeitgeber gesteigert werden kann. Hier möchte Martin Gruner die Mitarbeiter stärken, die Attraktivität der Aufgabe darstellen und die „Mitarbeiter so führen, dass sie morgens mit einem Lächeln zur Arbeit kommen“.

Auch Philipp Frank möchte „die Attraktivität steigern, wo es nur geht“. Als Beispiele nannte er Anreize wie das Jobticket oder das Jobrad und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Politik, Zulagen zu gewähren, um bestimmte Stellen zu besetzen, sei nicht von Nachhaltigkeit geprägt. Zudem müsse man hinterfragen, wie das bei den anderen Mitarbeitern ankomme.

Beim Thema Personal-Fluktuation verwies er darauf, das Thema differenziert zu betrachten. Er bestätigte, dass es Weggänge im Hochbaumamt und Vakanzen im Stadtplanungsamt gegeben habe. Weniger Fluktuation habe es hingegen bei den Amtsleitern gegeben und den Abteilungen, die ihm als OB direkt unterstellt seien. Zudem nannte er Beispiele, wie Amtsleiterposten aus den eigenen Reihen besetzt werden konnten.

Klettgau-Carré

Waren sich die Kandidaten bisher relativ einig in ihren Aussagen, gab es unterschiedliche Ansichten beim Klettgau-Carré. Erste Pläne für das Gelände gibt es bereits seit sieben Jahren, vor einigen Monaten legte der Investor Claus Schleith das Projekt bis nach der OB-Wahl aufs Eis. „Es tut mir weh, wenn sich sehe, dass sich nichts bewegt. Wir brauchen Parkplätze in der Innenstadt, und wenn es über eine Tiefgarage nicht geht, dann wissen wir, dass wir mit weniger deutlich mehr planen müssen“, sagte Martin Gruner und kritisierte, dass bei dem Projekt der politische Wille fehle. Dem widersprach Philipp Frank: „Der Gemeinderat ist bei jeder Veränderung und Absenkung mitgegangen, auch weit unter unserer Erwartung.“ Zudem habe die Stadt auch immer wieder Vorstöße gemacht.

Andreas Gerber, Leiter der Lokalredaktion Bad Säckingen (links) und Markus Baier, Leiter der Lokalredaktion Waldshut (rechts), fühlten ...
Andreas Gerber, Leiter der Lokalredaktion Bad Säckingen (links) und Markus Baier, Leiter der Lokalredaktion Waldshut (rechts), fühlten den OB-Kandidaten Martin Gruner und Philipp Frank auf den Zahn. | Bild: Schlichter, Juliane

Beide Kandidaten kündigten an, nach der Wahl wieder Gespräche mit dem Investor aufnehmen zu wollen. Frank: „Ich wünsche mir nichts mehr für die Stadt, für Tiengen, dass dieses Projekt zum fliegen kommt.“ Gruner zeigte sich überzeugt, dass der Investor großes Interesse habe, das Projekt zu realisieren. „Es muss absolute Priorität eines OB sein, sich um dieses Projekt zu kümmern.“

Die Wahlkampffinanzierung

Etwas unerwartet traf Martin Gruner die Frage bezüglich Spekulationen, die Firma Schleith finanziere den Wahlkampf mit. Er wisse nicht, ob das Unternehmen eine der beiden Parteien unterstützt, die zur Wahlkampffinanzierung ein Spendenkonto eingerichtet haben, beteuerte Gruner. „Ich kenne die Spender nicht und das ist auch gut so.“ Auch auf Nachfrage versicherte er, dass es ihm nicht wichtig sei, zu wissen, woher das Geld komme. Ohnehin zahle er zwei Drittel des Wahlkampfes aus seinem Privatvermögen.

Die Gesundheitsversorgung

Hat die Stadt die Entwicklung der medizinischen Versorgung verschlafen und sich von Lauchringen überholen lassen? Dieser These widersprach Philipp Frank. Zum Zeitpunkt, als das Ärztehaus Thema war, hatte die Stadt als Hauptgesellschafter der Medicum GmbH „zwei Ärztehäuser, die horrende Verluste geschrieben haben. Da war es nicht opportun, ein neues Ärztehaus zu planen“.

Die Suche nach Ärzten sei ein „hochwichtiges“ Thema, aber auch ein schwieriges. Gleichwohl konnte er an diesem Abend einen Erfolg vermelden: Für die Praxis des verstorbenen Allgemeinmediziners Thomas Ruch habe ein Nachfolger gefunden werden können.

Während Frank darauf hinwies, dass man mit einem Gebäude noch lange keine Ärzte habe, gehöre für Gruner der Bau eines Ärztehauses zwingend hinzu, um überhaupt Ärzte zu bekommen. Beide wollen unkonventionelle Wege gehen, um Ärzte in die Region zu locken. Als Beispiel nannte Gruner ein Stipendium für angehende Mediziner aus der Region, auch Frank will früh Kontakte zu jungen Menschen aus der Region knüpfen, die ein Medizinstudium beginnen.

Die Zukunft des Spitals

Um die Zukunft des Klinikgebäudes will sich Martin Gruner so schnell wie möglich kümmern – nicht erst, wenn der Umzug ins geplante Zentralklinikum naht. „Das Potenzial ist groß und das Gebäude ist riesig. Da ist viel möglich.“ Er will als OB die Nachnutzung bald in einem städtebaulichen Konzept diskutieren.

Nicht ganz so weit will derzeit OB Philipp Frank gehen: „Ich bin inhaltlich sehr nah, aber wir dürfen den zweiten nicht vor dem ersten Schritt machen. Wir brauchen erst eine rechtliche Grundlage, bevor wir weitere Schritte machen und konkret werden.“

Zwei positive Dinge zum Schluss

Zum Ende der Wahlarena sollten die beiden Kandidaten erklären, warum der jeweils andere der bessere OB für Waldshut-Tiengen sei. Für Martin Gruner ist es die Kontinuität des Amtsinhabers in allen Bereichen, für Philipp Frank der unschlagbare Optimismus seines Mitbewerbers.

Noch mehr aus der Wahlarena

In der Wahlarena kamen noch mehr Themen zu sprechen. Sie wollen die Podiumsdiskussion noch einmal erleben? Hier können Sie sich das ganz Video noch einmal ansehen. 

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