Frau Etspüler, seit Kurzem sind Sie keine viel beschäftigte Bezirksvorsitzende mehr, sondern nur noch „einfache“ Landfrau im Ortsverein Stetten-Günzgen, vermissen Sie nicht etwas?

Als Bezirksvorsitzende hatte ich recht viel zu tun, wegen Corona konnte ich aber schon länger üben, wie es ohne unsere vielen Aktivitäten ist. Es gibt wie so oft ein lachendes und ein weinendes Auge. Belastungen sind weggefallen, aber meine Arbeit als Vorsitzende hat mir immer viel Spaß gemacht, ich war mit Herzblut dabei und habe immer versucht, das Positive zu vermitteln und dies meistens mit viel Humor. Außerdem waren wir ein tolles Bezirksvorstandsteam. Es fehlt mir also schon etwas und ich spürte auch etwas Wehmut wie bei dem letzten Verbandstreffen in Titisee, als ich zusammen mit anderen Landfrauen aus dem südbadischen Raum verabschiedet wurde. Aber ich bleibe ja aktive Landfrau in meinem Ortsverein Stetten-Günzgen. Ich betreue weiterhin die Homepage des Landfrauenbezirks Waldshut und ich freue mich darauf, jetzt mehr Zeit für meinen Familienclan, vor allem die Enkel und das Musizieren zu haben.

Auf der Steirischen Harmonika?

Genau. Als ich 60 geworden bin, schenkte mir mein Mann eine kleine steirische Harmonika und meine Bezirkskolleginnen einen Gutschein für Harmonika-Unterricht. Das Üben machte mir so viel Spaß, dass ich zwischenzeitlich ein größeres Instrument gekauft habe. Gerne spiele ich gemeinsam mit meinem Mann wie beim letzten Bezirkslandfrauentag als Überraschung, oder mit Familienmitgliedern im privaten Kreis.

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Ich weiß aus Versammlungen, wie beliebt Sie waren, warum haben Sie bei der letzten nicht mehr kandidiert?

Ich sage den Ortsvereinen immer, dass sich die Vorsitzenden möglichst früh um Nachfolgerinnen kümmern sollen. Mit steigendem Alter der Vorsitzenden wird dies immer schwieriger. Deshalb steht seit rund 15 Jahren auch in unseren Statuten, dass man mit 64 Jahren zum letzten Mal zur Vorsitzenden gewählt werden kann. Ich bin 63, hätte also theoretisch nochmals weitermachen können, aber für mich war jetzt der richtige Zeitpunkt. Ein neues Team kann jetzt durchstarten, weil mit mir auch Monika Zurin als stellvertretende Vorsitzende ausscheidet. Diese Regel ist bis heute umstritten, einige finden sie diskriminierend, aber die Erfahrung zeigt, dass sie nötig ist. Vorsitzende müssen rechtzeitig eine klare Ansage machen, wann sie aufhören, dann ist die Chance groß, dass es weitergeht. Wenn Vorstände zu alt sind, wird es schwieriger, jüngere Frauen zu finden. Bei zwei Landfrauenvereinen ist das leider passiert. Sie haben sich vor rund drei Jahren aufgelöst, weil sie keine neuen Mitglieder gefunden haben.

Werden Landfrauen und ihre vielseitigen Aktivitäten Ihrer Ansicht nach überhaupt genügend und richtig in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

Sie werden viel zu wenig wahrgenommen, das liegt aber auch teilweise an uns, weil wir uns nicht genügend in der Öffentlichkeit rüberbringen. Wir müssen zeigen, dass es Spaß macht, bei uns mitzumachen, sich neben Beruf und Familie zu treffen, Frauen aller Berufs- und Altersgruppen kennenzulernen. Es ist für jede Frau eine Bereicherung, bei uns dabei zu sein, wir bewegen und bewirken viel, sind kreativ, gehen mit der Zeit und machen immer wieder Neues – das müssen wir kommunizieren und so zeigen, dass Landfrauen alles andere als „ein alter Hut“ sind.

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Ich kann mir vorstellen, dass der Begriff Landfrau gerade in jüngeren Ohren nicht sehr modern klingt – was sagen Sie dazu?

Wie sollen wir uns sonst nennen, Country Girls oder so ähnlich? Landfrau ist der richtige Ausdruck. Wir sind Frauen, die auf dem Land leben im Gegensatz zu Frauen, die in der Stadt leben. Wir müssen dies und unsere Angebote und Aktivitäten nur noch besser vermitteln, um weg zu kommen von dem verstaubten Image, das immer noch einige mit dem Begriff verbinden.

Können Sie einige Aktivitäten nennen, die das zeitgemäße Gesicht spiegeln?

Die neuen, digitalen Medien sind uns wichtig. Während Corona haben sich die Vorsitzenden mehrfach digital getroffen. Auf unserer Bezirks-Homepage ist ein Video zu sehen, das zeigt, was wir alles machen. Wir haben es 2019 mit vielen tanzenden Landfrauen auf der Küssaburg aufgenommen, die von mehreren Kameras gefilmt wurden. Das hat allen riesigen Spaß gemacht. Das Thema Nachhaltigkeit ist uns wichtig. Wir haben Selbstvermarkter mit Hofläden besucht wie den Biobetrieb Lindenhof in Wutöschingen mit seinen Milchziegen und den Straußenhof der Familie Keller in Außer-Ay. Das waren Angebote, mit denen wir auch jüngere Frauen erreichten. 2020 haben wir beim SÜDKURIER- Vereinswettbewerb mitgemacht und 1000 Euro gewonnen, die in ein kommendes Nachhaltigkeitsprojekt fließen: Wir wollen einen Upcycling-Markt mit verschiedenen Ständen machen, an denen gezeigt wird, was zum Beispiel aus alten Möbeln, alten Stoffen oder altem Brot alles gemacht werden kann. Alle Mitglieder der Ortsvereine sind aufgerufen mitzumachen. Bildungsangebote sind natürlich auch ganz wichtig wie zum Beispiel Schulungen zur Führung eines Agrar-Büros oder Workshops und Seminare zu Themen wie Social Media, Rhetorik, Vereinsmanagement und vieles mehr. Auch Nichtlandfrauen können mitmachen, sie müssen aber etwas mehr bezahlen.

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Reiselustig sind Landfrauen meines Wissens auch.

Ja, wir bieten regelmäßig einwöchige Reisen vom Bezirk an. Wir waren schon mehrfach in den neuen Bundesländern, aber auch Wien und London haben wir schon besucht.

Das sind Aktivitäten auf Bezirksebene, was passiert eigentlich bei den Landfrauen in den einzelnen Ortschaften?

Jeder Ortsverein ist völlig frei darin, was er macht. Bei allen steht die Geselligkeit im Vordergrund. Man trifft sich, wandert zusammen, macht zusammen Fasnacht. Die einen Landfrauen sind für ihre Strohskulpturen, Tanzgruppen, Advents-Aktionen bekannt, die anderen organisieren Flohmärkte, Wiberfasnet, Dünnefescht. Wir Landfrauen bewirten bei Veranstaltungen wie Seniorennachmittagen, pflegen Blumenbeete, helfen bei Dorffesten und genießen die lustigen Landfrauen- Ausflüge.

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Ich habe gehört, dass auch Landrat Martin Kistler den Landfrauen sehr zugetan ist, stimmt das?

Ja, wir Vorsitzende vom Bezirk Bonndorf, Hotzenwald und Waldshut besuchen ihn alle zwei Jahre, um mit ihm über die Situation in den einzelnen Dörfern zu sprechen, zum Beispiel über die mangelnde Ärzteversorgung. Die Einladung kommt stets von ihm aus, er nimmt sich dafür auch viel Zeit. Schon sein Vorgänger Bernhard Wütz sagte einmal, dass die Landfrauen die Seele eines Dorfs seien.

Stichwort Politik – haben Landfrauen politisches Gewicht?

Ja, wir sind vom Ortsverein bis zum Deutschen Landfrauenverband gut vernetzt und so viele, dass wir auch politisch was bewirken können. Allein im Südbadischen Landesverband mit seinen 22 Bezirken sind fast 20.000 Frauen Mitglied. Jeder Ministerpräsident weiß um unsere Macht und unsere starke Lobby. Dass es bei der Mütterrente nachträglich gerechter zuging, war mit Verdienst der Landfrauen. Wir sind bei der Baden Messe in Freiburg regelmäßig mit einem Stand vertreten und organisieren dort auch Unterschriftenaktionen, zum Beispiel gegen Gentechnik in Baden-Württemberg.

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Sie haben also keine Angst um die Zukunft der Landfrauen vor Ort und allgemein?

Nein, mit meiner Nachfolgerin Uli Looser sowie Monika Studinger und Elvira Schmid als stellvertretende Bezirksvorsitzende, wird es im Bezirk gut weitergehen und ich habe auch die Hoffnung, dass in Dörfern, wo Ortsvereine aufgehört haben, sich wieder neue bilden. Das ist jederzeit möglich und auch schon passiert. Die Landfrauen Dangstetten haben sich zum Beispiel in meiner Amtszeit neu gebildet. Im Oktober gibt es eine Zukunftswerkstatt für jüngere Landfrauen mit Monika Studinger, in der erarbeitet wird wie das Programm der Landfrauen zukünftig aussehen soll und welche neuen Wege eingeschlagen werden können. Es wird Veränderungen geben, aber wir sind flexibel. Wir Landfrauen haben Zukunft, davon bin ich überzeugt.