Bereicherung ist eines dieser Worte, die im Zusammenhang mit Harrison Eijke Chukwu immer wieder fallen. Freund, Vorbild oder gelungene Integration gehören ebenfalls dazu. Eine Bereicherung für unsere Stadt, ein guter und treuer Freund sowie ein Vorbild an Integration und für soziales Engagement.
Kampf gegen politische Windmühlen...
Aber auch Begriffe wie Ohnmacht, Wut oder Kampf gegen Windmühlen. Ohnmacht gegenüber der Obrigkeit, Wut auf in den Augen vieler Beobachter willkürlich ausgelegte Gesetze und Kampf gegen die Windmühlen der Politik und der Verwaltung.
Flucht aus Nigeria: Der heute 40-Jährige Harrison Eijke Chhukwu kommt 2010 nach Deutschland. Er gehörte in seiner Heimat der christlichen Minderheit an, die in der Provinz Biafra einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt sind. Überfälle, Massenentführungen und Massaker sind an der Tagesordnung.
Harrison Eijke Chukwu soll Zeuge der Ermordung seines Bruders und seines Arbeitgebers geworden sein, weshalb er 2010 schwer traumatisiert nach Europa flüchtet. Hier erhofft er sich ein neues, friedliches und sicheres Leben. Der Asylantrag wird 2011 jedoch abgelehnt.
Integration in Konstanz
Längst wohnt er in Konstanz. Hier absolviert er Sprach- und Integrationskurse. Harrison Eijke Chukwu versucht alles, um neue Heimat und Freunde nicht verlassen zu müssen. Er engagiert sich sozial und ehrenamtlich, stellt einen Antrag nach dem nächsten, will unbedingt eine Duldung erwirken.
Zwischen 2014 und 2017 wird er aufgefordert, bei der Erstellung des fehlenden Passes mitzuwirken. Hier liegt der wohl entscheidende Fehler aus Sicht des Nigerianers: Er kommt dieser Aufforderung nicht oder nicht ausreichend nach, weshalb er zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt wurde. Begründung: Verweigerungshaltung bei der Mitwirkung seiner Identitätsklärung.
Antrag auf Härtefall
Ab 2017 versucht er mehrmals nachweislich, bei der nigerianischen Botschaft in Berlin einen Pass zu erhalten. Sein Ansinnen ist aber erst 2019 von Erfolg gekrönt. Parallel dazu lebt er mit einer Duldung in Konstanz, arbeitet ehrenamtlich im Café Mondial, geht einer legalen und bezahlten Beschäftigung nach, gibt Trommelkurse in Kindergärten oder kocht auf Festen.
In der Gastronomie wird ihm eine Ausbildung angeboten. Zunächst gibt es dafür grünes Licht von der Regierung, wenige Tage später wird die Genehmigung zurückgezogen mit dem Hinweis auf die vorherige Verweigerungshaltung. Sein Unterstützerkreis sammelt Unterschriften, beim Innenministerium und bei der Härtefallkommission werden Anträge gestellt. „Für was gibt es eine solche Kommission, wenn nicht für einen Menschen wie Harrison?“, fragt Daniela Winkler vom Unterstützerkreis.
Ablehnung des Antrags mit Begründung
In diesem Sommer nun wird der Antrag des Harrison Eijke Chukwu auf Härtefall abgelehnt. Bis zum 1. Oktober soll der 40-Jährige Deutschland verlassen, gestern erhielt er vom Regierungspräsidium einen Aufschub bis 30. November. Dem SÜDKURIER liegt das Schreiben vor, mit dem Innenminister Thomas Strobel und Staatsekretär Wilfried Klenk die Ablehnung durch die Härtefallkommission begründen.
„Die Herren sollten sich schämen“
Harrison Eijke Chukwu habe seinen Asylantrag unter einer so genannten Alias-Personalie betrieben. Sprich: Er habe einen falschen Namen angegeben. Erst nach Nachfrage gibt es nähere Informationen dazu. Bei dem schriftlichen Antrag seien Vor- und Nachname vertauscht worden. „Die Herren sollten sich schämen, so etwas als Grund aufzuführen“, sagt Jurist Sebastian Röder, der Harrison und seine Unterstützer berät. „Das ist so offensichtlich keine Identifikationstäuschung und keine Alias-Personalie. Da wird ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet.“

Als weitere Begründung wird die nicht-Mitwirkung bei der Identitätsklärung genannt, für die Harrison 2017 bestraft wurde. „Hier hätte ein Spielraum bestanden, eine Aufenthaltserlaubnis wegen guter Integration zu erteilen. Die Strafe liegt ja schon mehr als drei Jahre zurück“, sagt Sebastian Röder. „Er hat danach aktiv mitgewirkt. Man muss sich das vorstellen: In dem Moment, wo man einen Pass erhalten hat, ist man eigentlich weg.“
Ein Exempel statuieren? „An den Haaren herbei gezogen“
Er denkt, dass in diesem Fall ein Exempel statuiert werden soll, um Nachahmer abzuschrecken. „Das ist aber an den Haaren herbei gezogen und empirisch nicht nachweisbar. Ganz im Gegenteil: Wenn man eine Perspektive aufgezeigt bekommt, werden die Menschen viel bereitwilliger bei der Klärung der Identifikation mitwirken.“
„Integration wird ad absurdum geführt“
Thomas Strobl lässt sich zu dieser Aussagen hinreißen: „Es ist nicht überraschend, dass Herr Chukwu aufgrund seiner fast zehnjährigen – im Wesentlichen auf seiner Verweigerungshaltung beruhenden Aufenthaltsdauer – über soziale Bindungen verfügt und von seinem Umfeld Anerkennung erfährt.“ Damit werde das Ansinnen auf Integration ad absurdum geführt, heißt es aus dem Kreis der Unterstützer.
Samuel Hofer von den Grünen im Landkreis: „Diese Aussage ist zynisch. Geflüchtete werden von der konservativen Politik regelmäßig dafür kritisiert, sich nicht ausreichend in die Gesellschaft zu integrieren. Wenn nun ein Geflüchteter sich in einem so hohen Maße ehrenamtlich engagiert, die Sprache lernt sowie ein Arbeitsverhältnis eingeht und dadurch soziale Bindungen aufbaut, werden diese als ‚nicht überraschend‘ gewertet.“
Breite Unterstützung für Harrison
Diese Einstufung erscheine besonders unpassend angesichts der Dimension der Unterstützung. So hätten sich in Petitionen 3500 Konstanzer für seinen Verbleib ausgesprochen. Außerdem würden sich Oberbürgermeister Burchardt (CDU) und Sozialbürgermeister Osner (SPD), sechs von sieben Gemeinderatsfraktionen, die Landtagsabgeordneten Erikli (Grüne) und Keck (FDP), der Arbeitgeber von Herr Chukwu, zehn Professoren der Uni und über 30 Organisationen, Unternehmen, Vereine und Initiativen für den Verbleib Harrison Eijke Chukwu aus. „Der Einordnung dieser überwältigenden Unterstützung als ‚nicht überraschend‘ widersprechen wir entschieden“, so Samuel Hofer.

Wie geht es jetzt weiter?
Harrison Eijke Chukwu muss Deutschland nach der gestrigen Aufschiebung durch das Regierungspräsidium bis 30. November freiwillig verlassen – ansonsten droht Zwangsabschiebung. Seine Unterstützer wollen nicht aufgeben.
„Wir werden versuchen, die Abgeordneten des Wahlkreises zu mobilisieren“, erzählt Doris Künzel vom Unterstützerkreis. Bis dahin gilt das, was Daniela Winkler so ausdrückt: „Das ist wie ein Kampf gegen Windmühlen. Man fühlt Ohnmacht gegenüber der Politik. Und Wut.“