Es wären acht aufregende Jahre geworden, so viel ist sicher. Ein junger, ungestümer und idealistischer Oberbürgermeister hätte Konstanz in eine Zukunft geführt, die von weniger Auto, weniger Konsum, mehr Klimaschutz und mehr Veränderungsdruck gekennzeichnet ist.

Also in eine Zukunft, die sowieso kommen wird und angesichts derer man besser beraten ist, sie zu gestalten, als sie abzuwarten. Nun hat Luigi Pantisano diese Chance nicht bekommen. Die Mehrheit der Konstanzer hat sich für Uli Burchardt entschieden, dessen Zukunftskurs berechenbarer erscheint.

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Erstens: Hennemanns Rückzug half Pantisano nicht

Zum einen hat sich das Kandidatenfeld vom ersten zum zweiten Wahlgang markant verändert. Am 27. September war Luigi Pantisano der einzige Kandidat für alle, die ein grundlegendes Umdenken in ökologischen und ökonomischen Fragen wollten.

Wer eher für behutsame Veränderungen war, hatte mehrere Alternativen. So erklärt es sich auch, warum Luigi Pantisano seine Nummer-eins-Position nicht halten konnte.

Die Stimmen, die zunächst an Andreas Hennemann gegangen waren (und vielleicht sogar manche aus dem Matt-Unterstützerkreis), landeten mehrheitlich nicht bei ihm, sondern bei Uli Burchardt.

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Zweitens: Pantisanos Teflon-Taktik mit seiner Partei ging nicht auf

Zum anderen hat Pantisanos Niederlage ganz sicher mit seiner Parteizugehörigkeit und seinem Umgang mit dieser zu tun. Wenn er über sich sprach, erzählt er ausführlich von all seinen Engagements und Stationen und erwähnte seinen derzeitigen Arbeitgeber nicht einmal.

Diese Teflon-Taktik des Abperlen-Lassens hat seinen Kritikern eine Angriffspunkt beschert, den sie zielsicher und nicht immer elegant bedienten.

Doch nicht jede dieser kritischen Fragen ist einer behaupteten Rote-Socken-Kampagne zuzurechnen. Ross und Reiter zu nennen, ist zunächst einfach eine Frage der Transparenz. Wie hätten Pantisanos Unterstützer wohl reagiert, wenn in diesem Wahlkampf ein Bewerber aufgetreten wäre, der AfD-Mitglied ist und im Büro der Bundesvorsitzenden Alice Weidel gearbeitet hätte? Und das nicht thematisiert worden wäre?

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Drittens: Die Wahlversprechen schienen vielen unrealistisch

Doch jenseits von Parteipolitik hat Pantisano die Wahl auch deshalb verloren, weil viele Menschen gemerkt haben, dass er seinen Erwartungen nicht würde gerecht werden. Keine Mieterhöhungen bei der Wobak mehr? Den nächsten Drogeriemarkt verhindern, wenn eine Privatperson ein Ladengeschäft zu vermieten hat? Das Lago-Parkhaus, das nicht einmal der Stadt gehört, für Besucher dichtmachen: Das klang für viele zu sehr nach schönem Wunschtraum.

Und gerade die letzten Tage des Wahlkampf gaben einen Vorgeschmack, was aus Pantisanos Überzeugungen werden könnte, wenn die Realität anklopft. Da schwang zuletzt mehr Kompromiss mit, als es die Überzeugten wahrhaben wollen. Und zu wenig, um die Zweifelnden zu überzeugen.

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Viertens: Pantisanos Lager ist in sich zu uneins

Der Blick auf die Konstanzer Stadtgesellschaft zeigt ein Weiteres. Luigi Pantisanos Idee, das Wachstum zu begrenzen – weniger Flächenverbrauch für das Bauen, weniger Abgase und Lärm durch den Autoverkehr, weniger Stress durch den Tourismus, weniger Andrang aus der Schweiz – spricht zwei sehr unterschiedliche Gruppen innerhalb der Gesellschaft an.

Die einen, die radikale Änderungen wollen und dafür mehr Bevormundung in Kauf nehmen. Und die anderen, die eine Art „Insel“-Mentalität vor sich hertragen und eben keine Änderungen wollen. Der Spagat zwischen Fridays for future und Bürgergemeinschaft Allmannsdorf-Staad ist offenbar doch zu weit. Sogar für ein politisches Ausnahmetalent wie Luigi Pantisano.

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Fünftens: Viele Wähler wissen, dass die Macht eines OB eben doch begrenzt ist

Und noch etwas hat viele Wähler dann doch dazu veranlasst, ihr Kreuzchen bei Uli Burchardt zu machen. Es ist die mittelstädtisch-bescheidende Anerkenntnis, dass viele Entwicklungen, die das Leben in Konstanz prägen, nun einmal außerhalb dieser Stadt ihren Ursprung haben.

Weder Zuzug noch Touristenströme, weder Zinssätze noch Digitalisierung werden von Konstanz aus entschieden oder gesteuert. Die Illusion, Konstanz könnte sich dagegen stemmen, hat Burchardt in die Karten gespielt – auch wenn der Amtsinhaber sogar vielen seiner eigenen Anhänger zu schicksalsergeben vorkam.

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Sechstens: Am Ende hat er es mit seiner Kampagne schlicht überrissen

Am Ende ist Luigi Pantisano aber auch an dem gescheitert, was seinen Wahlkampf ausmachte, und das auf fast tragische Weise. Wie kein anderer OB-Bewerber vor ihm, hatte er nicht nur Unterstützer und hoffnungsfrohe Nutznießer, sondern Fans. Das hat ihm eine beispiellose Mobilisierung ermöglicht, deren Grundton (überparteilich, nahbar, bodenständig) er selbst setzen konnte.

Genau daran wuchs die Skepsis. Viele Konstanzer wollen offenbar keinen Oberbürgermeister, bei dem Menschen für ein Selfie anstehen. Pantisano und sein junges, medial anders sozialisiertes Team waren für diese Strategie vielleicht einfach ein paar Jahre zu früh dran: Was Pantisano als populär verstand, wirkte auf andere populistisch. Oder am Schluss einfach nur noch nervig.

Wird nicht Oberbürgermeister und hat dennoch Spuren in Konstanz hinterlassen: Luigi Pantisano.
Wird nicht Oberbürgermeister und hat dennoch Spuren in Konstanz hinterlassen: Luigi Pantisano. | Bild: Oliver Hanser

Mit 45,1 Prozent und 18.319 Wählerstimmen kann Luigi Pantisano trotzdem hoch erhobenen Hauptes einen Schlussstrich unter dieses Engagement ziehen. Er hat der Stadt Konstanz eine Idee hinterlassen, wie man auch Politik machen kann.

Es wäre schön, wenn Luigi Pantisano in vielen kleinen und großen Initiativen in der Stadt bliebe. Damit es immerhin keine acht langwierigen Jahre werden. Dafür nämlich kommt die Zukunft zu schnell.

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