Hotel-Boom in Konstanz? Tja, der setzte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Davor war Konstanz noch ein kleines Städtchen und von Tourismus noch nicht die Rede. Handelsreisende nächtigten in Gasthäusern, aber erholungssuchende Urlauber waren ebenso wie der Begriff Hotel noch Fremdworte. Wie kam der Wandel?
Grund für den Boom war der Bau der Eisenbahn anno 1863, erklärt Jürgen Klöckler, Leiter des Stadtarchivs Konstanz. „Davor war eine Reise an den Bodensee beschwerlich“, schließlich mussten die Menschen über den Schwarzwald kommen, schildert er die damalige Situation. Und er ruft in Erinnerung: „Autos kamen deutlich später um die Jahrhundertwende.“

Badische Eisenbahn fährt zur Endstation Konstanz
„Die Vorstellung im 19. Jahrhundert war, dass man Bahn und Schiff verbindet und Güter und Menschen umgeladen werden“, berichtet er. Damit erklärt er zum einen den Standort des Konstanzer Hauptbahnhofs, das im Florentiler Stil erbaut wurde, zum anderen den Grund für die Dichte an Beherbergungsbetrieben in der Umgebung.
Mit der Bahn kamen dann auch tatsächlich Touristen und sie wurden immer mehr, weshalb entsprechende Bettenkapazitäten erforderlich wurden. „Richtige Hotelbauten gab es vor 1870 nicht“, stellt Jürgen Klöckler fest, lediglich Gasthäuser.
Das Hotel Halm ist ein Paradebeispiel
Paradebeispiel des Hotel-Neubaus ist das Hotel Halm direkt gegenüber dem Hauptbahnhof. Ferdinand Halm hatte zwar schon einen Beherbergungsbetrieb. „Er stand da, wo dann die Reichspost gebaut wurde“, erzählt Jürgen Klöckler. Halm hat nach dem Verkauf des Altbaus, wo seit 1888 das heute noch bestehende stadtbildprägende Postgebäude steht, ganz in der Nähe als Ersatz einen Neubau errichten lassen.

Das Hotel Halm, das 1874 eröffnet wurde, ist ideal gelegen, denn „mit schwerem Gepäck hatten es die Gäste nicht weit vom Bahnhof zum Hotel und dann gleich in die Stadt“, schildert Jürgen Klöckler. Rasch wurde der Prachtbau führend in Konstanz, sodass Ferdinand Halm nur wenige Jahre später an das Haus anbauen ließ.
Den Speisesaal ließ er im maurischen Stil anno 1888 gestalten. „Dieser Stil war in jener Zeit angesagt“, erklärt Jürgen Klöckler und kommt auf eine der vielen Besonderheiten zu sprechen: „Die Spiegel sind aus einem Stück.“ Dazu zeigt der Stadtarchivar ein Bild aus der Sammlung Wolf.

„Die Erweiterung war eine Verdoppelung“, stellt der Stadtarchivar fest. „Der Prachtbau war eine gute Adresse mit viel Personal damals.“ Klöckler kommt dann auf den Hotelbesitzer zu sprechen: „Ferdinand Halm kam aus kleinen Verhältnissen, wurde Hotel-Direktor und ein wohlhabender Mann. Er hatte unternehmerischen Mut.“
Auf der Dominikanerinsel wird das Kloster zum Hotel
Aber auch andere Projekte kommen mit Aufblühen des Tourismus in Konstanz ins Laufen, wie zum Beispiel der Umbau des einstigen Dominikanerklosters, das 1236 gegründet wurde. „Die Kirche, die davor als Fabrik genutzt wurde, wurde 1874 völlig entkernt“, berichtet Jürgen Klöckler.
Die Umnutzung zum Hotel war in vollem Gang. Am 14. November 1874 wurde die Aktiengesellschaft Inselhotel in das Handelsregister eingetragen, das Hotel selbst am 15. April 1875 eröffnet. „Da sieht man, dass man im Tourismus mehr verdient als in der Industrie“, merkt Jürgen Klöckler an.

Massiver Wohnbau statt Stadtgarten?
Ab 1876 begann die Aufschüttung zwischen Insel und Hafen. Hierfür wurde der Aushub verwendet, der durch die Erweiterung des Hafens anfiel. „Bürgermeister Max Stromeyer hatte allerdings nicht die Planung eines Stadtgartens im Sinn. Er wollte eine massive Bebauung mit Luxuswohnungen für kapitalkräftige Bürger“, berichtet Jürgen Klöckler.
„Die Eigentümer der Insel wehrten sich“, erzählt er weiter. Die Gäste des geplanten Hotels hätten schließlich statt wunderbarer Seesicht lediglich ein Luxuswohnviertel vor Augen gehabt. „Es gab schließlich einen Kompromiss: Wir machen den Stadtgarten“, so Klöckler.

Barbarossa ist ein Familienbetrieb – seit 150 Jahren
Auch das Barbarossa feiert in diesem Jahr Jubiläum; seit 150 Jahren ist es im Besitz der Familie Miehle. „Das Barbarossa ist ein Exot, weil es nicht als Hotel gebaut wurde. Es hat eine Vorgeschichte, die bis ins hohe Mittelalter reicht“, erklärt Jürgen Klöckler.
Schon vor dem Eigentümerwechsel wurde dort ein Gasthof betrieben. Die Nutzung wandelte sich vom Gasthof über Gasthaus zum Hotel. Das Barbarossa „hat einen anderen Ursprung, fügt sich aber in die Hotellandschaft ein und ergänzt sie“, so Klöckler.
Beginn der völligen Deindustrialisierung
„Es war eine Umbruchszeit“, stellt Jürgen Klöckler fest. Noch gab es das Wort Hotel noch nicht als offiziellen Überbegriff. Der Stadtarchivar zückt ein altes Adressbuch. Die seinerzeitigen Hotels wurden unter der Rubrik Gast- und Pensionshäuser geführt.
Damit wurde ein Prozess des großen Wandels in Gang setzt, wie Klöckler eindrücklich schildert: „Mit der Ausrichtung der Stadt auf den Tourismus wurde die Industrie langsam aus der Stadt gedrängt – zum Seerhein abwärts – bis zur völligen Deindustrialisierung.“