Wehe, wenn die Schublade zugeschoben wird, bevor man aus ihr herauskommen konnte. „Wie oft heißt es, dass wir gar kein richtiges Paar und nur wegen des Geschäfts zusammen wären“, wundert sich Antonia Hemmer. „Wir lieben uns. Ich besuche den Patrick hier in Konstanz so oft es geht. Wir planen eine gemeinsame Zukunft.“
Was die Leute antreibt, die auf sie schimpfen, weiß sie nicht. Patrick Romer nickt zustimmend. Er wirkt nachdenklich und schüttelt dann den Kopf. „Die Menschen kennen uns nicht und denken, dass sie uns alles Mögliche an den Kopf werfen dürfen.“ Wer sie nicht möge, solle sie doch bitte in Ruhe lassen. „Eigentlich ist das doch ganz einfach, oder?“
Es sind primär die – was für eine absurde Bezeichnung – sozialen Medien, auf denen die Gürtellinie unterschritten wird. Antonia wurde als Hure beschimpft, als Schlampe, als Barbie-Püppchen. „Man kann sich vorstellen, dass das etwas mit einem macht“, sagt sie. „Ich bin ein lieber Mensch. Ich will niemandem etwas Böses tun.“ Wenn sie Sätze liest wie „Du bist jetzt bekannt, das musst Du aushalten“, verliert sie den Glauben. „Das macht mich richtig fertig.“
In diesem Moment jedoch spürt sie auch den Grund, warum sie über die RTL-Show „Bauer sucht Frau„ ihren Patrick Romer aus Dingelsdorf-Oberdorf gefunden hat.
„Der Patrick tut mir einfach gut“, erzählt sie, und ihr fränkischer Zungenschlag lässt das R wunderbar rollen. „Er baut mich auf, nimmt sich solche Kommentare nicht zu Herzen.“
Der 25-Jährige erklärt seine Sicht auf die oft anonymen Beschimpfungen im Internet: „Es bringt ja nichts, diesen Menschen Contra zu geben“, sagt er. „Ich versuche, sachlich und ironisch zu antworten. Meistens ist dann Ruhe.“
Neulich wurde er als hässlicher Mensch bezeichnet, seine Antonia im selben Atemzug ebenfalls. „Dann habe ich geschrieben: Danke, dann passen Antonia und ich ja gut zusammen, wenn wir beide hässlich sind.“ Das, was die beiden derzeit erleben, ist der Preis für die plötzliche Popularität, die sie seit der RTL-Show erfahren. Sie kämpfen mit den Geistern, die sie riefen – zumindest mit den bösen. Ohne Schmähungen geht es wohl nicht mehr. Traurig, aber wahr.
Doch sie möchten den Weg weitergehen. Gemeinsam. Seite an Seite. Die positiven Resonanzen überwiegen ja immerhin. Und Geld lässt sich damit auch verdienen. Auf Instagram hat Antonia rund 80.000 Fans, Patrick rund 72.000. Diese stattliche Anzahl lässt sich versilbern. Sie produzieren Instagram-Storys, präsentieren dabei einen Sponsor und kassieren je nach Anzahl der Fans Prämien.
Im deutschsprachigen Raum kann man pro 10.000 Follower rund 100 Euro pro Bild verdienen. Im US-amerikanischen Raum erzielen Prominente bis zu 5000 Dollar pro Bild. Die RTL-Show hat ihre Zahlen nach oben getrieben. „Jetzt versuchen wir, so lange wie möglich auf der Welle zu reiten“, geben sie zu.
Antonia Hemmer wäre beinahe von der Welle erfasst und weggespült worden. Als sie mitten in der Sendung vorübergehend ausstieg, ahnte niemand den Grund, der dahinter steckte – zumal wenige Tage später Bilder von der nur leicht bekleideten 20-Jährigen in einem Boulevardblatt veröffentlicht wurden. „Zeitlich war das reiner Zufall. Das war für meinen Kalender, den ich schon lange vorher produziert hatte.“ Natürlich, so möchte man fast sagen, natürlich wurde sie im Internet übelst beschimpft.
Der Grund aber, warum sie die Show Hals über Kopf verließ, war ein anderer. Ein trauriger. „Ich war am Ende, der Druck war zu hoch für mich. Ich bekam wieder Depressionen.“ Im SÜDKURIER-Interview spricht sie offen über dieses Thema, das sie seit vielen Jahren begleitet. „Im Frühjahr war ich zwei Monate in einer Klinik deswegen“, sagt sie. „Das hat mir sehr geholfen.“
Mittlerweile hat sie Strategien zur Hand, die sie anwenden kam, wenn die dunklen Schatten aufziehen. Sie möchte anderen Menschen Mut machen, diese Krankheit zu akzeptieren und offen damit umzugehen. Als vor wenigen Tagen die Ex-Freundin des Fußballers Jerome Boateng Suizid begangen haben soll, war Antonia tief betroffen. Die Verstorbene war ebenfalls Influencerin und durchlebte in den Tagen zuvor übelste Beschimpfungen im Netz. „Ich kann mich sehr gut in sie hinein versetzen. Irgendwann kommt der Moment, da willst du nicht mehr.“
Wenn sie mit ihrem Patrick zusammen ist, geht es ihr gut. „Er lenkt mich ab, er macht dann einen Spaß und bereitet mir Freude“, sagt sie. Derzeit ist sie aus Hannover zu Besuch. Sobald sie eine Wohnung gefunden hat, möchte sie hierher ziehen und ihren eigentlichen Job als Kosmetikerin ausüben.
„Hallo – was ist Konstanz für eine tolle Stadt?“, fragt sie lachend. „Der See, die Altstadt, die Schweiz, Italien gleich um die Ecke“, antwortet sie dann selbst auf ihre Frage. Der entscheidende Punkt kommt ganz am Ende: „Und hier ist der Patrick, mein großes Glück.“ Nein, dieses Paar passt in keine Schublade.
