Die Bauarbeiter sind am Bahnhof Wollmatingen kräftig am Werk. Mit dem Bagger wurde der einstmalige Pizza-Bahnhof, der wegen des in ein kleines Häuschen eingebauten Zugwaggons auffiel, abgerissen. Auf dem kleinen Grundstück zwischen Riedstraße und Bahngleisen direkt am Radweg soll ein acht Stockwerke hohes Hotel gebaut werden.

Der Clou: eine dreidimensionale Fassade
„The Reed“ ist das Hotelprojekt betitelt. Auf dem mehr als 400 Quadratmeter großen Grundstück soll ein achtstöckiges Hotel mit Flachdach sowie einem Gastronomiebereich im Erdgeschoss errichtet werden. Die Architektur wird nicht 08/15, sondern eher avantgardistisch.
Das liegt an der dreidimensionalen Fassade mit ihren Auskragungen, die mit Licht und Schatten spielt. Der Hintergedanke der Architekten des Ermatinger Büros tec architecture: Die Auskragungen seien als Sonnenschutz für die Fenster gedacht. Auf Anraten des Gestaltungsbeirats wurde die Fassade über das gesamte Gebäude entwickelt.
Vorgesehen sei, erläutert Fabian Ammann von tec, diese Fassade mit recycelten Fassadenplatten auszuführen. Drei Varianten seien im Gespräch, die sich eignen würden: Platten mit Holz als Grundstoff, mit Basalt und recycelter Steinwolle oder aus recycelten Abfallprodukten aus der Lebensmittelindustrie.
Bei allen drei Arten von Platten würden die Oberflächen entsprechend behandelt, so dass sie schwer entflammbar seien und damit dem Brandschutz entsprächen. Klar sei bezüglich der Materialität, dass die Wirkung matt und samtig und keinesfalls glänzend sein solle.
Der Gestaltungbeirat ist zufrieden, allerdings nicht alle Stadträte, die dem Gremium als Beisitzer angehören. „Das sieht aus wie eine Gletscherlandschaft“, kritisiert Alfred Reichle (SPD) die Ausformung der Fassade. „Sehr futuristisch“, fügt er an. „Wenn es optisch etwas flacher wäre, fände ich es besser.
„Der Gletscher ist geschmolzen“, beruhigt Fabian Ammann. Die Auskragung betrage lediglich 45 Zentimeter. „Die Fassade und deren Struktur ist sehr zu begrüßen. Ein prägnantes Gebäude mit mutiger Architektur und nicht quadratisch, praktisch, Lochfassade“, ist Peter Müller-Neff (FGL) ganz anderer Ansicht.
Das Radhotel soll Platz in 89 Zimmern bieten
Das Gebäude mit 89 Hotelzimmern soll parallel zur Bahnlinie stehen. Der Eingang ist im Süden geplant. Die Andienung und Anfahrt zu den zehn Parkplätzen sowie weitere zehn öffentliche Parkplätze soll – ähnlich wie jetzt – von Süden über die Riedstraße erfolgen. Ein Teil dieser Fläche ist übrigens im Besitz der Stadt Konstanz. Für das Hotel seien 32 Fahrradstellplätze vorgesehen.
„Ob das nicht etwas realitätsfremd ist?“, grübelt Müller-Neff. Er ist der Meinung, dass das Radhotel mit seinen 89 Zimmern mindestens 100 Fahrradstellplätze bräuchte. Die 32 „reichen auf keinen Fall“, so Müller-Neff. Diese Zahl entspreche der Stellplatzsatzung, stellt der Gestaltungsbeiratsvorsitzende Zvonka Turkali fest.
Die Bitte: „Es wäre schöner, wenn es mehr Grünanteil gäbe“
Die Gestaltungsbeirätin Ursula Hochrhein bemängelt, dass beabsichtigt sei, den gesamten Baumbestand zu fällen. Dies sei aufgrund der Auto- und Fahrradabstellplätze sowie der Zufahrt mit Wendemöglichkeit für die Anlieferung nicht anders möglich, erläutert Landschaftsarchitektin Sonja Bruns des Büros GTL. Zehn Nachpflanzungen seien gefordert, vierzehn Neupflanzungen seien vorgesehen.
Insgesamt goutiert der Gestaltungsbeirat jetzt das Neubauprojekt. „Es hat sich viel bewegt und ist auf einem guten Weg“, so Ursula Hochrhein. Allerdings: „Die Ostseite sollte als Grünfläche gestaltet und auf eine Stützmauer verzichtet werden. Es wäre schöner, wenn es mehr Grünanteil gäbe.“ Zvonko Turkali zeigt sich auch zufrieden. Er hat noch den Wunsch, dass die Radabstellplätze überdacht werden, „ansonsten: toi, toi, toi“.
Und was ist mit dem Radweg?
Der Neubau wird so ausgerichtet, dass die kurvige Engstelle, die bislang direkt am Pizza-Bahnhof entlangführte, entfällt. Der viel befahrene Radweg entlang der Bahnlinie soll begradigt und breiter ausgebaut werden kann. Benedikt Brüne, Pressesprecher der Stadt Konstanz, schreibt auf SÜDKURIER-Anfrage, dass der Verwaltung bekannt sei, dass der Bauherr mit den Abrissarbeiten begonnen habe.
Weiter heißt es: „Im Anschluss wird der Vorhabenträger ein Provisorium für den Radweg mit gerader Wegeführung herstellen, um die aktuelle Gefahrenstelle des Radwegs zu entschärfen.“ Sobald der Hotelneubau fertiggestellt sei, werde er im Endausbau einen finalen Fuß- und Radweg herstellen.