Das alte Haus liegt verlassen da, seit vielen Jahren findet hier kein Leben mehr statt. Die Farbe blättert ab, Fachwerkbalken treten unter dem Putz hervor. Das Haus ist in keinem guten Zustand, doch für Cosimo Stella hat es einen besonderen Wert: Der heute 73-Jährige lebte viele Jahre lang darin. Nun soll es samt Nebengebäuden abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden.
„Es ist traurig, in welchem Zustand das Gebäude ist“, sagt der 73-Jährige, als er vor seiner ehemaligen Eingangstür steht. „Aber auch damals war die Fassade schon angeschlagen und der Keller so feucht, dass man darin nichts aufbewahren konnte.“ Dennoch war das Haus ihm und seiner Familie eine Heimat.
Auch Pferde gab es einst auf dem Anwesen
„Ich bin dort 1965 mit meinem Vater eingezogen, wir kamen aus Italien“, sagt Cosimo Stella. Damals war er 15 Jahre alt. Vier Jahre später verließ er das Haus wieder, als sein Vater zurück nach Italien ging. Cosimo Stella heiratete und zog 1974 erneut ins obere Stockwerk ein, dieses Mal mit seiner Frau und seinem Sohn.
In dieser Zeit wurde noch eine Tochter geboren. „In der unteren Etage wohnte mein Bruder, später auch andere uns bekannte Italiener“, erzählt Stella. Und er kennt weitere Details aus der Geschichte des Hauses: „Rechts neben dem Eingang waren früher zwei bis drei Pferde untergestellt, denn das Gebäude war mal an einen Reitclub am Tannenhof vermietet.“

Stella lebte dort bis 1984. „Ich habe mich in dem Haus wohlgefühlt und unsere Kinder konnten im Hockgraben spielen. „Die Straße war auch nicht so dicht bebaut wie heute, überall standen Apfelbäume“, erinnert er sich.
Doch nun sollen die beiden alten Häuser auf dem Grundstück an der Sonnenbühlstraße abgerissen und durch vier Mehrfamilienhäuser mit Flachdach ersetzt werden. Jeweils zwei Gebäude sollen miteinander verbunden sein. Geplant ist auch eine in den Hang gebaute Tiefgarage.


Bebauungsplan stammt noch aus dem Jahr 1966
Die zuständigen Architekten, Christoph Biehler und Ralf Weith aus Konstanz, beantragten dafür einige Befreiungen vom Bebauungsplan „Sonnenbühl“, der aus dem Jahr 1966 stammt. „Die dort vorgesehenen Baufenster sind nicht mehr zeitgemäß“, sagte Ralf Weith im Beirat für Architektur und Stadtgestaltung der Stand Konstanz (Gestaltungsbeirat).
Die Planer möchten bei Anzahl und Stellung der geplanten Gebäude sowie bei der Dachform von den Vorgaben abweichen. Das Baurechts- und Denkmalamt hat keine Einwände: „Der Fußabdruck und die Körnung werden an dieser Stelle als städtebaulich verträglich gesehen, gegen eine Befreiung zum Herausdrehen aus den Baufenstern bestehen zumindest keine Bedenken“, heißt es in der Sitzungsvorlage.

Im Gegenteil: Ursula Hochrein, Landschaftsplanerin aus München und Mitglied des Beirats, ermutigte die Architekten zu noch mehr Freiheiten: „Lösen Sie sich vom alten Bebauungsplan von 1966 und suchen Sie ganz frei nach Alternativen“, gab sie den Planern mit auf den Weg.
Das Gremium hatte zwei Wünsche: Die Häuser sollten gedreht werden, damit mehr Bewohner ins Grüne des Hockgrabens blicken können. Und die Tiefgarage soll komplett im Hang verschwinden. „Deren Wände dürfen nicht an manchen Stellen herausragen“, so Hochrein.
Trotz der Ermutigung zu neuen Lösungen mahnt das Baurechts- und Denkmalamt: „Die städtebaulich verträgliche Einbindung in das Umfeld ist dort von besonderer Relevanz.“ Denn in der Umgebung stehen hauptsächlich ein- bis zweistöckige Einfamilienhäuser mit Satteldächern in lockerer Bebauung.
Kritiker finden die neuen Planungen zu groß
Auch Stadtrat Peter Müller-Neff (Freie Grüne Liste) findet: „Es ist gut, dass sich bei dem leerstehenden Haus endlich was tut. Aber vom Hockgraben aus betrachtet wirkt das, was jetzt geplant ist, viel zu groß.“
Ähnlich sieht es Sven Martin, Vorsitzender der Bürgervereinigung Allmannsdorf-Staad (BAS). „Der Hockgraben soll von allen Seiten zugebaut werden. Dass dort so ein großes Projekt möglich ist, hat uns aufgeschreckt.“ Martin nennt auch die Bedeutung der Grünzone als Lüftungsschneise.

Ein Café im alten Haus?
Er und weitere BAS-Mitglieder haben noch eine andere Idee. „Es wäre eine Option zu prüfen, ob man den alten Hof erhalten kann und dort ein Café unterbringt, so wie in der Dingelsdorfer Ortsmitte. Nebenan kann ein Neubau entstehen. Es wäre schön, Alt und Neu zu kombinieren“, sagt Martin.
Denn eines ist für den engagierten Bürger klar: „Wir brauchen keine weiteren Luxuswohnungen mit Blick ins Grüne, sondern das Zusammenbringen von Generationen und Planungen mit Fingerspitzengefühl und Augenmaß.“

Laut Architekt Christoph Biehler ist allerdings nicht geplant, die alten Häuser zu erhalten: „Das Denkmalamt hat dies geprüft, sowohl Vertreter aus Stuttgart als auch aus Freiburg waren hier, aber an diesen Gebäuden ist nichts mehr zu retten. Das Ensemble ist ein Kleinod, aber da hat man 30 Jahre zu lang gewartet.“
Außerdem gibt Biehler zu bedenken: „Das ist ein Privatgrundstück. Welcher Besitzer wäre bereit, seinen Garten für eine öffentliche Nutzung herzugeben?“ Laut dem Architekten entsteht dort auch keine Luxusvilla, sondern barrierefreie Wohnungen. „Die Bauherrschaft ist in einem Alter, in dem sie darüber nachdenkt, nach Konstanz zurückzukehren“, sagt der Architekt.
Cosimo Stella finden den Gedanken, dass seine frühere Heimat abgerissen werden soll, schade. „Das Haus ist einige hundert Jahre alt“, sagt er und ergänzt dann: „Hier ist viel Platz. Ich verstehe aber auch, dass in Konstanz mehr Wohnungen gebaut werden müssen.“