Christian Siebel atmet einmal tief ein, dann macht er seinem Ärger Luft. „Unsere Branche hat ohnehin schon zu kämpfen. Die Energiekosten steigen, das neue Mautgesetz wird den Transport aller Waren in Deutschland erheblich verteuern und wir müssen längst schon deutlich über dem Mindestlohn zahlen, sonst hätten wir gar kein Personal mehr“, sagt der Inhaber der Anglerstuben.

„Jetzt soll auch noch die Mehrwertsteuer in der Gastronomie ab 2024 wieder auf 19 Prozent angehoben werden. Das macht es für uns noch schwerer, denn wir wollen unsere Gäste nicht ausbeuten“, sagt Siebel. „Niemand von uns trägt eine teure Uhr oder fährt einen Porsche.“

Felix Maedel, gemeinsam mit Anselm Venedey Inhaber der Brasserie Ignaz sowie Inhaber des Restaurants Heinrich, stimmt zu: „Wir haben noch nie so kalkuliert, wie wir es eigentlich müssten. Aber jetzt müssen wir die erhöhte Mehrwertsteuer an die Kunden weitergeben, es geht nicht mehr anders.“

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„Unsere Branche hat keine laute Stimme“

Die Konstanzer Gastronomen fühlen sich von der Bundespolitik erneut vernachlässigt. „Schon während der Corona-Pandemie hat man gesehen, dass unsere Branche keine laute Stimme hat“, sagt Jari Dochat, Küchenchef der Anglerstuben. „Irgendwann konnte man wieder zum Friseur und zum Zahnarzt gehen, aber wir durften nicht mit einer Armlänge Abstand einen Teller auf den Tisch stellen.“

Sauer stößt den Köchen und Wirten vor allem auf, dass die Hotellerie und Anbieter von Speisen zum Mitnehmen von der Mehrwertsteuer-Erhöhung ausgenommen sind. „Wir legen weiße Decken auf den Tisch, bei uns sitzt man vernünftig und die Gäste werden bedient. Es kann nicht sein, dass wir deutlich mehr Steuern zahlen sollen als Take-away-Anbieter“, empört sich Anselm Venedey, Inhaber des Restaurants Wessenberg.

Einen schön gedeckten Tisch, richtiges Besteck und Geschirr sowie die Bedienung durch den Service: Das alles müssen die Gastwirte ...
Einen schön gedeckten Tisch, richtiges Besteck und Geschirr sowie die Bedienung durch den Service: Das alles müssen die Gastwirte – wie hier in den Anglerstuben – bereitstellen und trotzdem künftig 19 Prozent Mehrwertsteuer bezahlen, während To-go-Angebote beim niedrigen Steuersatz von sieben Euro bleiben. | Bild: Kirsten Astor

Daniel Ohl, Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Baden-Württemberg, spricht ebenfalls von „großer Frustration in der Branche und Enttäuschung über die Politik“, das komme in Rückmeldungen an den Verband zum Ausdruck. Auch er spricht das Thema Chancengleichheit an: „Eine unterschiedliche Besteuerung von Essen im Gasthaus und Essen zum Mitnehmen wirkt wettbewerbsverzerrend.“ Der Dehoga befürchtet viele Betriebsschließungen.

Denn die Wirte müssten ihre Preise ab Januar 2024 sogar um über 15 Prozent anheben, um die höhere Umsatzsteuer und die allgemein steigenden Kosten zu decken, so Daniel Ohl. Nun fürchten die Konstanzer Gastronomen, dass die Schmerzgrenze für die Gäste erreicht ist.

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„Dabei möchte ich allen die Chance geben, sich mein Essen leisten zu können, nicht nur die Gutverdiener oder Schweizer“, sagt Patrick Stier, Inhaber und Küchenchef des Gourmet-Restaurants Papageno. Derzeit kämen noch Konstanzer verschiedener Einkommensklassen in sein Restaurant.

„Sechs Gänge kosten bei mir derzeit 135 Euro. Nach der Steuererhöhung müsste ich auf fast 150 Euro hochgehen. Da habe ich Bauchweh“, so Stier. Die Gastronomen denken beim Gespräch mit dem SÜDKURIER aber auch an Kollegen, die einen Betrieb in abgelegeneren Orten führen. „Für die wird es noch schwerer“, sagt Anselm Venedey.

Personal ist in der Gastronomie ohnehin knapp. Wirte befürchten, dass noch mehr Kräfte abwandern, wenn Betriebe den Gürtel enger ...
Personal ist in der Gastronomie ohnehin knapp. Wirte befürchten, dass noch mehr Kräfte abwandern, wenn Betriebe den Gürtel enger schnallen müssen. Hier bedient Moritz Wesemüller die Gäste im Restaurant Wessenberg. | Bild: Hanser, Oliver

Enttäuscht von der Bundespolitik

Die Gastronomen hoffen nun auf das Verständnis der Gäste: „Wir wirtschaften nicht in die eigene Tasche, wenn wir Preise erhöhen müssen. Am Ende hat niemand mehr Geld außer dem Staat“, sagt Christian Siebel, der von der Politik enttäuscht ist. Denn Anselm Venedey erinnert daran: „Der damalige SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte 2021 im Wahlkampf versprochen, dass es beim niedrigen Steuersatz in der Gastronomie bleiben wird.“

Doch nicht alle Politiker stimmten für die erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer. „Ich verstehe nicht nur den Unmut der Gastronomen, ich teile ihn auch“, sagt etwa der Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas Jung (CDU) auf SÜDKURIER-Nachfrage. „Ich habe mich frühzeitig und glasklar für die Beibehaltung der sieben Prozent positioniert und dies auch bei mehreren Treffen mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband klargemacht.“

„Ich verstehe nicht nur den Unmut der Gastronomen, ich teile ihn auch“, sagt der Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas ...
„Ich verstehe nicht nur den Unmut der Gastronomen, ich teile ihn auch“, sagt der Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas Jung, stellvertretender Vorsitzender der CDU. | Bild: Bernd Weißbrod/dpa

Andreas Jung sieht nicht nur Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft in Gefahr, sondern weist auch auf die soziale Funktion von Gaststätten hin: „Gerade in Zeiten, in denen es in der Gesellschaft zu Polarisierungen kommt, brauchen Menschen einen Ort des Austauschs. In Frankreich gewinnt die rechtsradikale Marine Le Pen dort an Zustimmung, wo die letzte Gaststätte geschlossen hat.“

Die Wirte müssen nun überlegen, an welcher Stelle sie an der Preisschraube drehen – und eigene Wünsche zurückstellen. „Ich hatte beim Schreiner eine neue Theke bestellt, bevor die Steuererhöhung ins Gespräch kam“, sagt Christian Siebel. „Den Auftrag habe ich jetzt wieder zurückgezogen.“

Jari Dochat und Inhaber Christian Siebel (von links) von den Anglerstuben bereitet die Entscheidung der Bundespolitik Sorgen. „Wir ...
Jari Dochat und Inhaber Christian Siebel (von links) von den Anglerstuben bereitet die Entscheidung der Bundespolitik Sorgen. „Wir werden sehen, bei welchen Speisen wir künftig die Preise erhöhen“, sagen sie. Pauschal auf alles zwölf Prozentpunkte aufzuschlagen, halten sie für falsch. | Bild: Kirsten Astor