Die Konstanzer Markstätte war der Hotspot 2022. Hier feierten Massen junger Menschen lautstark à la Ballermann. Abstand, Anstand, Glasverbot – all das kümmerte sie während der Fasnachtstage nicht. Die Salmannsweilergasse war ebenfalls von Scharen junger Menschen bevölkert; zeitweise war kaum ein Durchkommen möglich.
Mäschgerle und Zunft-Narren mieden diese Brennpunkte, hielten sich andernorts auf und freuten sich über Pop-up-Aktionen, die in diesem Corona-Jahr in Konstanz unter dem Motto „Allen wohl und niemand weh“ stattfanden.
Von Lockerungen überrascht worden
Bereits seit September 2021 standen die Konstanzer Narrenzünfte und -vereine im engen Austausch mit der Konstanzer Stadtverwaltung, entschieden sich aber aufgrund der pandemischen Lage, alle Großveranstaltungen abzusagen und dafür auf kleine Spontan-Aktionen zu setzen. Dass kurz vor dem Schmotzigen Dunschtig, dem höchsten Tag der Konstanzer Fasnacht, die Landesregierung die Corona-Verordnung lockern würde, damit hatte keiner gerechnet.
„Wir sind alle davon überrascht worden“, sagt Gabriele Bossi, Leiterin des Konstanzer Bürgeramtes. „Wir hatten gehofft, dass es erst nach dem Schmotzigen Lockerungen geben würde. Es war schwierig, in der Kürze der Zeit, gewisse Rahmenbedingungen zu schaffen“, stellt Bossi fest. Das Glasverbot in der Konstanzer Altstadt habe gerade noch ausgesprochen werden können.
Absperrungen zu organisieren, um eine effizientere Kontrolle des Verbots zu ermöglichen, aber auch das Organisieren von Toilettenwagen – dafür habe schlichtweg die Zeit gefehlt. „Erschreckend war, dass sehr viele, sehr junge Leute, wirkliche Jugendliche, mit sehr viel Alkohol unterwegs waren“, sagt Gabriele Bossi bezüglich des Geschehens auf der Marktstätte.
Mit einer solchen „Masse und Menge an Alkohol“ habe sie nicht gerechnet. „Ab 22 Uhr war es nicht mehr kalkulierbar und kontrollierbar“, sagt sie. Die organisierten Narren hingegen lobt Gabriele Bossi explizit, zumal diese echten Fasnachter in der Mehrheit waren.
Großteil der Menschen war vernünftig
„Die Narren haben friedlich gefeiert. Alles in allem ziehe ich ein positives Fazit. Die Menschen waren in großen Teilen vernünftig“, so Bossi, die anfügt: „Jetzt hoffen wir alle auf ein normales Jahr 2023. Dann können wir frühzeitig organisieren, sodass die jungen Menschen wieder ein Angebot bekommen.“ Wobei sie die Jugendparty auf dem Stephansplatz der Vor-Corona-Jahre als Beispiel nennt.
In Anbetracht der Partyzone Marktstätte spricht Uwe Vincon, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, von einem „glimpflichen Verlauf“. Alkohol habe das Geschehen beherrscht und die Marktstätte sei mit Scherben übersät gewesen, was Gefahrenpotenzial berge. „Man sollte darüber nachdenken, ob sich das wiederholen sollte“, meint er. Mit Blick auf die Hästräger, die friedlich feierten, merkt er an: „Es war eine Chance für die Brauchtumspflege.“

Schmotziger Dunschtig, Fasnachtssamstag und Rosenmontag habe der Rettungsdient ein deutlich erhöhtes Aufkommen an Einsätzen gehabt, berichtet Silvia Baumann von den Maltesern Bodensee. „Ganz normal für Fasnacht“, wertet sie, denn die Einsätze seien abends gewesen, vorwiegend wegen des jungen Publikums.
Glasverbot wurde mit Füßen getreten
Das DRK hatte spontan für den Schmotzigen Dunschtig eine Hilfsstelle im Bürgersaal eingerichtet und ein Sanitätszelt auf der Marktstätte aufgebaut. „Mit 18 Personen waren wir vor Ort, sonst sind wir um die 45“, so Alex Schroff, Leiter des ehrenamtlichen Bereitschaftsdienstes des DRK. Ziel der Ehrenamtlichen sei es gewesen, den „Rettungsdienst vor einer Überlastung zu bewahren“; dieser habe zeitweise am Anschlag gearbeitet.
Schroff spricht von vier Transporten ins Klinikum, drei Personen wegen Alkohol und einem chirurgischen Fall. Er berichtet von zahlreichen Schnittverletzungen, „da das Glasverbot nicht eingehalten wurde“. Zwar seien die Ehrenamtlichen mehrfach an ihre Kapazitätsgrenze gekommen, „aber wir sind froh, unsere Ziele erreicht zu haben“, so Alex Schroff.
Auch Mario Böhler, Präsident der Narrengesellschaft Niederburg zieht insgesamt eine positive Bilanz. Gerade die Zunft-Narren hätten „ihren Witz und ihre närrische Kreativität an den Tag gelegt, sei es mit der Rumdappete“, aber auch mit den vielen weiteren kleinen Pop-up-Aktionen. „Es war ein sehr buntes, kreatives Bild“, so Böhler über die aktiven Zünfte und Vereine, die Vernunft hätten walten lassen.
Kritik allerdings übt er an der Landesregierung und der kurzfristigen Lockerung zu Fasnacht, die er als „nicht klug“ bezeichnet. „In den letzten zwei Jahren hat sich die Landesregierung wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert“, sagt er offen. Und dann die Kurzfristigkeit der Lockerungen, die Planung und Umsetzung einer Veranstaltung, „um die Jugend zu kanalisieren“, schlichtweg unmöglich machten.
Ein Stück weit könne er die „Kids und Jugendlichen verstehen, dass sie raus wollen. Sie waren zwei Jahre mehr oder weniger eingesperrt; das schlägt sich an einer solchen Stelle Bahn“, so Böhler, der auch auf eine gewisse Scheinheiligkeit von manchen Erwachsenen zu sprechen kommt: „Andere trinken auch nicht nur Apfelsaftschorle und Verbandspräsidenten sieht man selten mit einer kleinen Mango-Schorle.“
Fasnacht: Mini-Urlaub für die Seele
„Irgendwie verständlich, aber halt nur irgendwie“, meint Arthur Bruderhofer, Präsident des Narrenvereins Schneckenburg. „Die Feier-Jugend hatte zwei Jahre nichts; dass es bei so einer Möglichkeit raus- und durchbricht, ist zwar klar, aber nicht schön. Eineinhalb Liter Vodka irgendwann im Kopf, ist nicht Sinn der Sache“, stellt er in aller Deutlichkeit fest.
Der Präsident fügt an: „Umso wichtiger ist, dass wir Vereine mit der Brauchtumspflege und dem Fasnachtsunterricht weitermachen, um das Thema der Jugend nahezubringen.“ Freude hätten die Pop-up-Aktionen den Vereinen und Mäschgerle gebracht und das sei wichtig.
„Das Thema Corona hat wohl jeder im Hinterkopf, die Inzidenzen werden jetzt sicherlich steigen und die Ukraine ist allgegenwärtig“, skizziert Bruderhofer. Bei all diesem Negativen bedürfe es einem positiven Gegenpol, wie beispielsweise solche Fasnachts-Klein-Aktionen. „Das ist Mini-Urlaub für die Seele“, stellt Arthur Bruderhofer fest.