Der Frauenpfahl steht kurz vor der Einfahrt in den Konstanzer Hafen. Ein Schild daran weist darauf hin, dass ab hier für den Wasserverkehr in Fahrtrichtung Reichenau eine Geschwindigkeitsbegrenzung von zehn Stundenkilometer gilt. Die umgekehrte Richtung hatte dereinst im Zusammenhang mit dem Frauenpfahl eine große Rolle. Dazu später mehr.

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Auf dem mächtigen Pfahl ist eine Kugel aus feinen weißen Streben befestigt. Touristen, die hier mit den Fahrgastschiffen vorbeifahren, aber auch immer mehr, vor allem jüngere Einheimische fragen sich: Was hat es damit auf sich?

Hier verloren verurteilte Frauen ihr Leben

Die Antwort können ältere Generationen von Konstanzern aus dem Stehgreif nennen: Im Mittelalter wurden an dieser Stelle Frauen zur Strafe für ihre Vergehen, in einem Sack eingenäht, ertränkt. Es wird erzählt, dass die meisten von ihnen als Ehebrecherinnen verurteilt wurden.

Der große Johann Marmor hat in seinem Werk „Geschichtliche Topographie der Stadt Konstanz und ihrer nächsten Umgebung: Mit besonderer Berücksichtigung der Sitten- und Kulturgeschichte Derselben“ aus dem Jahr 1860 einige Zeilen über den Frauenpfahl geschrieben.

Imperia und der Frauenpfahl. Zwischen beiden Wahrzeichen der Stadt Konstanz gibt es einen gewissen Zusammenhang.
Imperia und der Frauenpfahl. Zwischen beiden Wahrzeichen der Stadt Konstanz gibt es einen gewissen Zusammenhang. | Bild: Schuler, Andreas

Diese lauten: „Vor dem Luckenhäuschen stand der so genannte Frauenpfahl, welcher seinen Namen dem Umstand verdankte, dass bei ihm die Missethäterinnen, in einen Sack eingenäht, ertränkt wurden, wie zum Beispiel am 9. November 1532 eine Diebin Namens Appolonia.“

Autor Johannes Fidelis Nikolaus Marmor, geboren 1804 in Petershausen, gestorben 1879 in Konstanz, war ein Arzt, Archivar, Historiker und Heimatforscher. Und ganz nebenbei ein Spielkamerad des jungen Napoleon III., als der von 1815 bis 1817 in Konstanz lebte.

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Verurteilte starb mit einem Tier in einem Sack

Die Gerichtsbarkeit wurde bis zum Mittelalter auf der Insel Reichenau vom Kloster der Reichenau wahrgenommen. Verurteilte wurden auf der Insel in einen Kahn gesetzt und zum Festland nach Allensbach gerudert – dort wurden sie am Galgen aufgeknöpft. Verurteilte Frauen wurden zum Frauenpfahl gebracht, wo sie in einem Sack – zumeist noch zusammen mit einer lebenden Katze, Schlange oder einem Huhn – ertränkt wurden.

Eine Sage erzählt diese Geschichte, die Komponist Bernd Konrad 2017 im Rahmen des Konzil-Jubiläums vortrug: Nach dem „Ritt über den Bodensee“ war „Gnadensee“ der 2. Teil seiner „Bodenseetrilogie“ für Orchester. In der Geschichte wird eine junge Frau, die von weit her kommt und Asyl im Kloster der Reichenau erbitten möchte, zum Tode verurteilt.

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Da die junge Frau kein Geld für die Überfahrt auf die Reichenau hat, der Damm wurde erst Jahrhunderte später gebaut, beschließt sie, mit ihrem Baby auf dem Rücken über den Gnadensee zu schwimmen. Als ihr bei dieser waghalsigen und übermenschlichen Aktion die Kräfte verlassen, rutscht das Baby von ihrem Rücken und es ertrinkt.

Als Fischer am nächsten Morgen die völlig entkräftete und verzweifelte Frau finden, die sich nicht erklären kann, ist sie dem Wahnsinn nahe. Das tote Baby wird geborgen und an Land gebracht, während sie ins Kloster gebracht wird und auf ihre Verurteilung wartet. Das Gericht fordert die Todesstrafe.

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Die Frau soll mit einem Boot nach Allensbach und dann zum Frauenpfahl gebracht werden, um dort den Tod zu finden. Die verzweifelte Frau sitzt betend im Boot, als von Ferne die Glocken des Reichenauer Klosters hörbar werden. Der Abt hat ein Einsehen und seine Gnade rettet die Frau. In Allensbach wird sie aus dem Boot gelassen und ist frei. Deshalb heißt dieser Seeteil auch Gnadensee.

Anmerkung der Redaktion

  • Dieser Artikel erschien erstmals im August 2019.