Von Anfang an war das Handlungsprogramm (Hapro) Fußverkehr auch unter den Bürgern umstritten. Eigentlich finden es alle gut, dass für Fußgänger ein besseres Umfeld geschaffen werden soll, doch muss es das Ziel sein, dass im Kompromiss die beste Lösung gefunden wird, finden die Freien Wähler. Sie haben deshalb im Technischen und Umweltausschuss (TUA) einen Antrag gestellt, denn sie wollten mit dem Ja zum Gesamtprogramm der Verwaltung keinen Blankoscheck ausstellen.

In dem umfangreichen Katalog sind – mit Ausnahme des Arbeitsprogramms 2024 – Handlungsbedarfe dargestellt mitsamt Priorisierung der Umsetzung. Aber wie die Umsetzung letztlich aussieht, das wird nicht formuliert. Und genau da sehen die Freien Wähler das Problem. Es gehe um die Konkurrenz der unterschiedlichen Mobilitätsarten, so Daniel Hölzle (Freie Wähler).

Freie Wähler rechnen mit Protesten der Bürger

Er gibt ein Beispiel: Um Gehwege zu verbreitern, müssten im Paradies – wo Parkplätze ohnehin schon Mangelware seien – Stellplätze entfallen. „Das ist ein Grund, warum wir eine große Problematik sehen. In der Bevölkerung wird Unruhe entstehen“, ist Hölzle überzeugt, denn die erste Protestwelle gab es in diesem Jahr bereits.

Außerdem „ist das Programm ziemlich überladen und führt zu Unverständnis, weil es zuweilen arg weit hergeholt wirkt“, so Hölzle weiter. Deswegen forderten die Freien Wählern in ihrem Antrag, dass die Projekte, die in den jährlichen Arbeitsprogrammen festgeschrieben werden, erst dem TUA zur Abstimmung vorgelegt werden sollen. „Da wollen wir als Rat entsprechend draufschauen“, so Hölzle, schließlich müssten die Stadträte den Bürgern gegenüber die jeweiligen Maßnahmen auch vertreten.

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CDU findet einige Vorhaben absurd

Auch die CDU hat ihre Schwierigkeiten mit dem Gesamtprogramm, wie Daniel Groß bekundet. Manche Handlungsbedarfe seien schlichtweg absurd, stellt er fest und gibt ein Beispiel. In der Radolfzeller Straße in Wollmatingen gebe es ein Stück Gehweg, der etwas mehr als 30 Zentimeter breit sei. Dieser solle gemäß Handlungsprogramm verbreitert werden.

„Aber das geht nicht, sonst kann dort kein Bus mehr fahren“, sagt Daniel Groß in aller Deutlichkeit und gibt gleich das nächste Beispiel. In Egg gebe es eine Straße, die zu einem einzelnen Haus führe „und da soll ein Fußweg hin?“ Daniel Groß schüttelt den Kopf und fährt fort: „Die Fischenzstraße wird zum verkehrsberuhigten Bereich, da braucht es dann keine Gehwege“.

„Es kann nicht sein, dass stillschweigend Anwohner-Parkplätze abgebaut werden, die nicht kompensiert werden können“, findet ...
„Es kann nicht sein, dass stillschweigend Anwohner-Parkplätze abgebaut werden, die nicht kompensiert werden können“, findet Daniel Groß (CDU). | Bild: Bernd Kern | SK-Archiv

Wenn die wünschenswerten Gehwegbreiten im Bestand „auf Biegen und Brechen umgesetzt werden, dann wird es schwierig“, macht Daniel Groß deutlich. Gerade im Paradies und in Petershausen werde es wegen des Anwohnerparkens problematisch. „Wenn durch die Verbreiterung von Gehwegen stillschweigend Parkplätze abgebaut werden, werden diese nirgends kompensiert werden können“, übt Groß Kritik.

Alfred Reichle (SPD) findet, dass man mit dem Programm auf einem guten Weg sei, opponiert aber wegen einer Einzelmaßnahme. In Wallhausen solle vom sommerlichen Interimsparkplatz ein beleuchteter Zebrastraßen zum Strandbad gebaut werden. Dies sei unverhältnismäßig, da eine Querungsmöglichkeit lediglich während der Sommermonate benötigt würde. „Das hätte zuerst dem Ortschaftsrat vorgestellt werden müssen“, kritisiert er.

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Es geht um den Wegfall von Parkplätzen

Die Freie Grüne Liste findet das Handlungsprogramm gut. Fußgänger würden in der Stadtplanung ein Stiefmütterchendasein fristen; ihnen sollten mehr Aufmerksamkeit und mehr Raum zuteilwerden, merkt Anne Mühlhäußer an. Ihr Fraktionskollege Peter Müller-Neff wird deutlicher: Das Stadt- und Verkehrsplanungsbüro Kaulen Aachen/München habe deutlich gesagt, „das Primat des Autos soll zurückgedrängt werden“.

„Kaulen hat gesagt, das Primat des Autos soll zurückgedrängt werden“, sagt Peter Müller-Neff (FGL).
„Kaulen hat gesagt, das Primat des Autos soll zurückgedrängt werden“, sagt Peter Müller-Neff (FGL). | Bild: Rindt, Claudia | SK-Archiv

Im Handlungsprogramm seien die Handlungsbedarfe dargestellt, erläutert Verkehrsplaner Stephan Fischer. Es handle sich dabei um einen Soll-Stand. Daraus würden konkrete Maßnahmen abgeleitet, was auch bedeuten könne, „ruhenden Verkehr rauszuschmeißen“ oder auch Geschwindigkeiten zu reduzieren. Fischer stellt klar: „Man muss was nehmen müssen.“

Diese Sollwerte würden auch herangezogen, wenn beispielsweise eine Straße saniert werde. Damit könnten Synergien genutzt werden, so Verkehrsplanerin Polina Vorobyeva. So könne durchaus eine Maßnahme, die nicht oberste Priorität habe, schneller umgesetzt werden, wenn an der Stelle ohnehin schon etwas verändert würde.

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Einspruch nur über Umwegen

Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn versucht, zu beschwichtigen. Die Maßnahmen würden ja im Arbeitskreis (AK) Rad- und Fußverkehr behandelt; und in jenem säßen auch Mitglieder der Fraktionen. „Die Lobbyisten im AK Rad als einziges herzunehmen“ findet Achim Schächtle (FDP) zu wenig. Zumal er aus diesem Kreis berichtet, wenn es kritische Stimmen gebe, dann heiße es gleich „wenn du nicht fürs Rad bist, dann geh raus“, erzählt Schächtle.

„Es geht nicht an, dass die Lobbyisten des Arbeitskreises Radverkehr als einziges Gremium herangezogen wird“, kritisiert ...
„Es geht nicht an, dass die Lobbyisten des Arbeitskreises Radverkehr als einziges Gremium herangezogen wird“, kritisiert Achim Schächtle (FDP). | Bild: Scherrer, Aurelia | SK-Archiv

Auch Daniel Hölzle ist die Besprechung im AK zu wenig. Mitglieder des AK Rad könnten ja immer noch einen Antrag stellen, so Langensteiner-Schönborn, denn „das Königsrecht bleibt beim Gemeinderat“.

Der Antrag der Freien Wähler, dass der Maßnahmenplan für das Folgejahr dem TUA zum Beschluss vorgelegt werden soll, wurde bei fünf Ja- sowie sechs Nein-Stimmen und einer Enthaltung abgelehnt. Stattdessen stimmte der TUA bei acht Ja-Stimmen und vier Enthaltungen für das gesamte Handlungsprogramm Fußverkehr.