Heute hat Jari Dochat Zeit. Das ist für den 35-Jährigen ein sehr kostbares Gut, denn normalerweise ist sein Alltag von Arbeit und Stress getrieben. Heute aber ist Montag, die Küche im Konstanzer Restaurant Anglerstuben hat geschlossen. Also kann Jari in Ruhe erzählen.
Von seiner Teilnahme an der Fernsehsendung „The Taste“, die derzeit auf Sat.1 ausgestrahlt wird. Von seiner Leidenschaft fürs Kochen und für gute Zutaten, von seiner Familie und sogar von seinen Tattoos. Jari Dochat ist ein guter Unterhalter. Und ein noch besserer Koch. Das möchte er nicht nur in seiner Arbeit als Küchenchef beweisen, sondern auch vor laufenden Kameras und einem Millionenpublikum.

Mittwochs können die Zuschauer die Show verfolgen, in der der Konstanzer und seine Mitköche – darunter Profis und Amateure – um den Titel kämpfen. Dafür müssen die Kandidaten Woche für Woche andere Aufgaben erfüllen und nach einer Stunde Zeit auf einem angerichteten Löffel das bestmögliche Ergebnis präsentieren. Über Wohl oder Wehe entscheidet eine vierköpfige Jury aus Gourmet- und Sterneköchen bei der Blindverkostung.
Dochat nimmt wegen „großer Klappe“ teil
Stress ist Jari Dochat gewohnt. Aber eine perfekte Kreation in nur 60 Minuten zu zaubern, ist doch eine andere Nummer. Jari ist aber auch deshalb angetreten, „um meine große Klappe zu unterstreichen“, sagt er lachend und meint damit, dass im vergangenen Jahr sein guter Freund Maximilian Lehmann vom Konstanzer Restaurant Friedrichs bei „The Taste“ teilnahm.
Die Kumpels schauten die Ausstrahlung gemeinsam an und Jari hatte bei einigen Kandidaten so viel anzumerken, dass der Freundeskreis schließlich der Meinung war: „Geh doch selbst hin und mach es besser!“ Gesagt, getan. Im Juni wurde die diesjährige zehnte Staffel der Kochsendung in München aufgezeichnet und machte Jari Dochat sehr viel Spaß. „Mit Fernsehen hatte ich gar keine Erfahrung, aber nach dem ersten Auftritt vergisst du die Kameras“, sagt er.
Wie weit ihn sein Können letztlich trug, darf er nicht verraten. Nur so viel: „Diesen und nächsten Mittwoch bin ich auf jeden Fall auf dem Bildschirm zu sehen.“ Er bildet mit dem extrovertierten Friseur Robin und dem Profikoch Christian das Team von Sternekoch Tim Raue. Der hat mit seiner Brasserie Colette an der Brotlaube ebenfalls Bezug zu Konstanz, doch das war Zufall.

„An Tim Raue mag ich seine direkte Art. Der kann austeilen, aber auch mal einen Spruch einstecken. Die ganze Teilnahme eine supercoole Erfahrung“, sagt Jari Dochat. „Es hat auch Spaß gemacht, mich selbst anzutreiben und zu schauen, was ich in einer Stunde bewerkstelligen kann. Nach zehn Jahren als Koch habe ich gewisse Routinen, aber in der Sendung musste ich mich jede Woche neu erfinden.“
Auf seine Arbeit in den Anglerstuben habe das aber keinen Einfluss: „Es ist etwas ganz anderes, ob man für einen Teller oder einen Löffel kocht“, erklärt Dochat. „Beim Löffel präsentiert man nur einen Happen und es kommt sehr darauf an, welche Zutat man wo und wie anrichtet.“

Überhaupt hat der Fernsehauftritt bislang kaum Auswirkungen auf sein sonstiges Leben. „Im Restaurant kam es nur einmal vor, dass ein Gast fragte, ob der Jari heute da sei“, erzählt der 35-Jährige und schmunzelt. Auch sonst habe sich kein Folgeauftritt daraus ergeben. „Das war aber auch gar nicht mein Ziel“, sagt er. „Ich bin nicht hingegangen, um berühmt zu werden.“
Das sagt der Mann, der mit 30 Jahren eigentlich einen Stern erkocht haben wollte. „Dazu kam es nicht, aber das ist auch gar nicht schlimm, denn ich habe mit 30 Jahren einen Stern bekommen: Mein Sohn wurde geboren“, sagt Jari.
Dass er Koch werden wollte, stand für ihn schon als Kind fest. Doch er wusste auch: „In diesem Beruf arbeitest du viel und verdienst wenig.“ Also probierte er nach dem Abitur die Veranstaltungsbranche aus, kehrte aber doch an den Herd zurück. Obwohl er erst mit 20 Jahren seine Ausbildung zum Koch begann, ging es schnell die Karriereleiter hoch.
„Ich habe immer versucht, möglichst gut zu sein und schnell aufzusteigen“, sagt Dochat. „Also habe ich mir in jedem Job denjenigen gesucht, der es am besten kann, und so lange weitergemacht, bis ich es besser konnte.“ Sein Weg führte ihn über Hamburg nach Bratislava, Bangkok und Wien schließlich ins Restaurant Vier Jahreszeiten in München.
Schon immer mit dem Bodensee verbunden
Als er dort beruflich nicht weiterkam, war ein Wechsel der konsequente Schritt. „Ich bin nach Konstanz gezogen, weil ich mit dem Bodensee immer schon verbunden war“, sagt Jari Dochat. Seine Großeltern wohnten in Überlingen, Urlaube verbrachte er oft hier. „Ich mag die Region auch kulinarisch, sie ist eine tolle Spielwiese für Köche.“
Seit Juni teilt er sich die Küche mit Christian Siebel, Inhaber der Anglerstuben. „Wir kannten uns schon länger und haben festgestellt, dass wir sehr ähnliche Angewohnheiten haben. Zum Beispiel essen wir beide nachts vor dem Fernseher Fisch aus der Dose“, sagt er und lacht.

Doch für Jari ist genau dies das Geheimnis seines Berufs: „Kochen ist magisch“, sagt er überzeugt. „Wir Köche zaubern aus etwas Unappetitlichem was richtig Schönes.“ Beispiel gefällig? „Kutteln!“, sagt er. „Das ist die Magenwand von Tieren, bei der Zubereitung stinkt die Küche. Doch als fertiges Gericht lieben die Südbadener Kutteln.“
So sehr der 35-Jährige für seinen Beruf schwärmt, weil er kreativ und abwechslungsreich ist, so sehr hadert er aber auch damit. „Ich würde diese Ausbildung nicht nochmal machen“, sagt er ehrlich. „Die Tätigkeit an sich ist toll, aber ich habe dadurch so viel verpasst im Leben: Geburtstage, Hochzeiten, die ersten Schritte und das erste Wort meines Sohnes. Und dafür gibt es keinen Gegenwert. Die Bezahlung ist oft lausig, die Wertschätzung unterirdisch.“
Besonders bittere Erfahrungen machten er und andere Gastronomen während der Lockdowns in der Corona-Pandemie: „Restaurants wurden geschlossen und plötzlich kursierten überall Kochrezepte. Seitdem meint jeder, er könne besser kochen als die Profis. Wir werden oft mit respektloser Kritik konfrontiert.“ Wenn er über die Corona-Politik und die fehlende Lobby der Gastro-Branche spricht, kommt Jari Dochat richtig in Fahrt. Er wird emotional, es sprudelt aus ihm heraus.
Überhaupt redet er gern. „Früher wollte ich auch mal Fußballkommentator werden“, erzählt er. Doch er bleibt der Küche erhalten. Die Liebe zum Genuss ist sowieso für immer auf seiner Haut eingebrannt: Pfeffermühle und Salzstreuer, ein Apfelbutzen, eine Brezel, ein Glas Wein und eine Note sind als Tattoos auf seinem rechten Arm zu sehen. „Essen ist Musik für die Seele“, sagt Jari Dochat. Und dann genießt er seinen freien Tag.