Joghurtbecher, Plastikverpackungen und Folien gehören in den Gelben Sack. Bananenschalen, Teebeutel und Gemüsereste kommen in den Biomüll. Zeitungen, Kartons und Eierverpackungen landen im Papiermüll. Und was nicht zuzuordnen ist – wie Keramikreste, Staubsaugerbeutel oder Zigarettenasche –, wird als Restmüll entsorgt.

Was heute für uns Alltag ist, war in den 1970er-Jahren noch Neuland. Damals wanderte alles in denselben Eimer – ohne Trennung, ohne Rücksichtnahme auf Wiederverwertung, deutschlandweit. Außer in Teilen von Konstanz. In sieben Testgebieten wurden ab 1975 erstmals systematisch Glas, Papier und Restmüll getrennt.

Unter Leitung von Rolf Schiller führte die Dornier System GmbH aus Immenstaad im Auftrag des Bundesinnenministeriums eine Untersuchung über die Trennung und Verwertung von Papier und Glas aus dem Hausmüll der Stadt Konstanz durch. Hierfür wurden verschiedene Siedlungsstrukturen ausgewählt, in denen unter Beteiligung der Universität Konstanz, der Universität Stuttgart und der Konstanzer Müllabfuhr unterschiedliche Abholsysteme und Behältertypen getestet wurden.

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Dank umfassender Öffentlichkeitsarbeit in den Testgebieten machten die Bürger mit, erinnert sich Rolf Schiller: „Der Gedanke, dass Müllberge ins Unendliche steigen können, kam langsam auf. Wir mussten zwar allen immer erklären, was Recycling ist. Aber die Konstanzer waren bereit, sich auf das Experiment einzulassen.“

93 Prozent der beteiligten Konstanzer bewerteten das Projekt positiv

Es war so erfolgreich, dass der Versuch nach sechs Monaten verlängert wurde. „Die Ergebnisse blieben weiter glänzend“ – vor allem bei der Abholung direkt am Haus, berichtet Schiller. Und das, obwohl es zu Beginn enormen Gegenwind gab. Der Projektleiter erzählt von Deponien und Müllverbrennungsanlagen, die ihn bekämpften: „Sie werden boykottiert. Von hinten bis vorne.“

Die Bereitschaft der Konstanzer war hingegen vorhanden. 93 Prozent der Teilnehmer bewerteten das Projekt als positiv. Schwierigkeiten tauchten dennoch auf. Vor allem bei anonymisierten Wohnanlagen wurde der Müll nicht sauber getrennt. Das hat sich bis heute nicht geändert, wie der Berufskraftfahrer der Entsorgungsbetriebe Stadt Konstanz (EBK), Klaus Schlegel, immer wieder feststellen muss: „Umso größer die Wohnblöcke sind, desto mehr Probleme. Kleine Häuser funktionieren gut.“

EBK-Urgestein Klaus Schlegel leert bei seiner Tour durch Wollmatingen eine Tonne für den Biomüll.
EBK-Urgestein Klaus Schlegel leert bei seiner Tour durch Wollmatingen eine Tonne für den Biomüll. | Bild: Joshua Tress

Er selbst erlebte als dienstältester Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe die Einführung der flächendeckenden Mülltrennung ab den 90ern in Konstanz mit. Aus einer einzigen Tonne, bei der „wir alles mitgenommen haben, egal was“, entwickelte sich über die Jahre ein System aus vier Fraktionen je Grundstück.

Heute wird bei falscher Befüllung auch mal die Tonne stehen gelassen. Schlegel erzählt, die Konstanzer hätten immer mehr Verständnis dafür entwickelt. Zu Beginn sei er noch böse beschimpft worden, wenn nicht alles abgeholt wurde. Das habe sich mit der Zeit aber normalisiert. Er und seine Kollegen erlebten die Umstellungen hin zu mehr Trennung insgesamt als positiv.

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EBK-Mitarbeiter zieht positive Bilanz: „Unsere Arbeit wurde einfacher“

Schlegel weiter: „Unsere Arbeit wurde einfacher. Wir mussten nicht mehr alles, was am Straßenrand stand, von Hand einsammeln.“ Das Leeren der Tonnen genügte – genau wie schon im Experiment aus den 70ern. Vielleicht funktionierte auch deshalb – wie Rolf Schiller sagt – die Zusammenarbeit mit der Müllabfuhr schon damals so gut: „Ich konnte mich total darauf verlassen. Da muss ich die Stadt Konstanz echt loben.“

Der Kreis Konstanz ist in Baden-Württemberg der einzige, in dem die Gemeinden die Aufgabe der Müllabholung übernehmen. Dieser Umstand in Kombination mit Bemühungen, Arbeitskreisen und Versuchen zur Trennung von Müll schon vor 1975 könnte den Ausschlag für die Vergabe der Trennungstests nach Konstanz gegeben haben.

Rolf Schiller, Projektleiter der Studie Mitte der 70er-Jahre, bedient 1999 seinen Mehrkammer-Wagen.
Rolf Schiller, Projektleiter der Studie Mitte der 70er-Jahre, bedient 1999 seinen Mehrkammer-Wagen. | Bild: Repro

Die Tatsache, dass der damalige Bundesinnenminister aus Konstanz kam, schadete aber sicher auch nicht. Achim Lehle, Abteilungsleiter der Entsorgungsbetriebe Konstanz, stellt fest, dass ab hier eine stetige Entwicklung von reiner Müllentsorgung zur Kreislaufwirtschaft stattfand und noch immer stattfindet. „Irgendwann merkte man, dass die Deponien Reaktoren waren, wo man nicht wusste, was womit pufft und zischt.“

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Was passiert eigentlich mit dem Müll aus den Konstanzer Tonnen?

In Konstanz wird der gesamte Müll verwertet. Nur der Restmüll nicht. Dieser stellt mit einem Drittel an der Gesamtabfallmenge den größten Teil des in Konstanz anfallenden Mülls dar und wird in der Schweiz verbrannt. Neben der Verdopplung der Menge an Müll pro Kopf seit der Studie aus den 70ern sieht Achim Lehle hierin eines der zentralen Probleme. Die Konstanzer würden zu viel verwertbare Stoffe entsorgen, die eigentlich nicht in den Restmüll gehören.

Eine weitere Herausforderung seien die Fremdstoffe im Biomüll. Dennoch sei 100 Prozent Kreislaufwirtschaft das Ziel der Entsorgungsbetriebe. Durch das Gespräch mit den Betroffenen und die Kennzeichnung der Müllbehälter durch Aufkleber möchte Lehle diesem Ziel näherkommen. Er ist überzeugt: „Der Aufwand lohnt sich. Wiederverwertung ist besser als Neumaterial. Noch besser wäre es aber, den Müll gar nicht erst entstehen zu lassen.“

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Rolf Schiller ist stolz auf die Entwicklung nach dem Feldversuch vor 50 Jahren: „Das ist doch ein Hammer, dass alles auf Konstanz – und die eindeutigen Ergebnisse der Studie – zurückgeht.“ Sich selbst bezeichnet er als „Vater der Getrenntsammlung“.