Er sorge sich um Patienten, die unter schwierigen sozialen Verhältnissen aufwachsen, sagte als Gastredner Peter Meißner, Chefarzt der Kinderklinik in Konstanz, im Jugendhilfeausschuss. „Wir sehen nur einen Teil der Realität.“ Jens Teichler, der Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) in Konstanz, und seine Kollegen erkennen negative und positive Folgen für junge Menschen durch die Krise.

Die Einrichtungen

Noch geht es Markus Schubert, Leiter der Sozialen Dienste in Konstanz, wie vielen anderen. Er sieht aktuell keine kritischen Entwicklungen. Er bleibt aber vorsichtig: „Vielleicht ist das derzeit ein trügerischer Friede“, so seine vorläufige Einschätzung. Im nächsten Schuljahr könnte es zu einer Welle an auffälligen Kindern kommen. Aktuell werde Sozialarbeit geleistet, aber in neuer Form, stellte Schubert fest.

Markus Schubert, Leiter der sozialen Dienste in Konstanz (Archivbild)
Markus Schubert, Leiter der sozialen Dienste in Konstanz (Archivbild) | Bild: Claudia Rindt

Bei Gesprächen am Gartenzaun seien Sozialarbeiter ebenso ansprechbar wie in virtuellen Chatrooms. „Bei der digitalen Sozialarbeit funktioniert einiges erstaunlich gut.“ Rein statistisch sei derzeit nicht zu erkennen, dass das Kindeswohl mehr gefährdet sei als in den Zeiten vor dem Coronavirus.

„Die Fallzahlen sind eher gleich“, sagt Schubert. Doch er wie Alfred Kaufmann, Leiter des Sozial- und Jugendamts, wissen, dass die Ämter nur eine Auswahl im Blick haben. „An den Kindern und Jugendlichen, die wir im Sichtfeld haben, sind wir dran. Sorgen mache ich mir um die anderen“, sagte Kaufmann.

„Wir merken, welchen Stresslevel Familien haben“

Der Chefarzt der Kinderklinik hat einen ähnlichen Eindruck. In seinem Haus zeigten sich noch keine kritischen Trends, sagt Peter Meißner. Derzeit kämen etwas mehr Kinder mit Essstörungen, aber das sei statistisch noch nicht auffällig.

Der Chefarzt der Konstanzer Kinderklinik, Dr. Peter Meißner (Archivbild)
Der Chefarzt der Konstanzer Kinderklinik, Dr. Peter Meißner (Archivbild) | Bild: Kirsten Astor

Der Chefarzt geht allerdings davon aus, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist: „Wir merken, welchen Stresslevel Familien haben.“ Diese sind in der Pandemie zeitweise durch die Erwerbsarbeit und die Anforderung, die Kinder daheim betreuen oder beim Lernen begleiten zu müssen, doppelt belastet.

Dies werde Auswirkungen auf die Kinder haben, ist sich Peter Meißner sicher. Deutlich zu erkennen sei schon heute, dass den Kindern das soziale Miteinander im Verein und die Bewegung fehle. Viele zeigten eine Zunahme beim Gewicht.

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Christian Grams, Geschäftsführer der Diakonie des evangelischen Kirchenbezirks Konstanz, sieht, dass bei vielen Kindern die Kindertagesstätte und die Schule als Schutzraum wegfallen. Die Vertrauensstelle bei sexuellem Missbrauch habe bisher aber noch keine Zahlen, die auf eine Häufung der Delikte hinweisen, so Grams.

Schlafmangel, Gewichtszunahme, fehlende Strukturen

Jens Teichler, der Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums in Konstanz, hat die 20 Fachmitarbeiter der Einrichtung befragt, die sich der guten Entwicklung von Kindern widmen. Manche von ihnen haben chronische Krankheiten oder Behinderungen, andere nicht.

Alle Beschäftigten sähen bei den Kindern körperliche und seelische Auswirkungen der Krise. Sie litten etwa unter Schlafmangel, Gewichtszunahme, fehlenden Strukturen, Antriebslosigkeit und dem diffusen Auftreten der Eltern. Diese müssten nun teilweise auch in die Rolle des Lehrers schlüpfen. Dreiviertel der Mitarbeiter sähen aber auch positive Auswirkungen der Krise.

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Teichler sagte, er habe keine Zeit mehr gehabt, um zu erkunden, welche Punkte die Kollegen meinten. Er persönlich bemerke, dass viele Kinder es schätzten, dass sie mehr Zeit mit den Eltern verbringen können, dass sie weniger Stress hätten und dass sie konzentrierter arbeiten könnten.

Viele Konstanzer Kinder sind in der Notbetreuung

Viele der Jüngsten haben trotz der geschlossenen Einrichtungen wegen der Pandemie ihren Platz in einer Kindertagesstätte, dies geht aus Informationen der städtischen Fachämter hervor. Mehr als die Hälfte der betreuten Kinder kämen nun in die Notbetreuung.

In der Regel sei der Beruf der Eltern ausschlaggebend dafür. Lasse sich die Erwerbsarbeit nicht mit der Kinderbetreuung vereinbaren, stehe diesen Eltern die Notbetreuung offen.

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Im Ausschuss machten sich Mitglieder Sorgen wegen der Flüchtlingskinder. Sie fürchten, dass vor allem diese keine Chance auf einen Betreuungsplatz und die Sprachförderung dort haben. Nach eigener Auskunft erfasse die Stadt nur, ob ein Kind Migrationshintergrund habe. Es sei klar festzustellen: Kinder mit Wurzeln in anderen Ländern seien in der Notbetreuung rar vertreten.