Andy Böhm möchte eines betonen: „Wir sind alles, nur keine Corona-Leugner oder Querdenker“, versichert er. „Aber das, was sich in diesem Land abspielt, ist eine Riesen-Sauerei.“ Das – damit meint er die Regelungen für den Einzelhandel im Kampf gegen die Ausbreitung von Covid-19. „Wir sind alle gerne bereit, tatkräftig mitzuhelfen und haben das unter Beweis gestellt“, sagt er.
In seiner Stimme schwingt Verbitterung mit. „Aber wenn ich jetzt schon wieder höre, was aus Berlin und aus Stuttgart kommt, schwillt mir die Halsader. Das ist ein schlechter Witz.“ Ärger und Wut bahnen sich ihren Weg: „Wir waren ja monatelang ruhig und haben uns zurückgehalten. Aber irgendwann reicht es.“
Sein Sohn Kevin soll, wenn alles wie geplant verläuft, das Geschäft in zwei Jahren vom Vater übernehmen. Er blickt in eine ungewisse Zukunft. „In Mainz zum Beispiel ist nun das ‚Click and Meet‘ erlaubt worden“, sagt der 29-Jährige. „Da dürfen Kunden in die Geschäftsräume kommen, vorher bestellte Ware anprobieren und sich dann entscheiden. Nur bei uns ist das noch nicht erlaubt.“
In Konstanz ist der Inzidenzwert höher und liegt bei 84,2 (Stand 4. März), die Stadt Mainz verkündet auf ihrer Homepage einen Inzidenzwert von unter 35. In Baden-Württemberg wird erst bei einer Inzidenz von 50 und weniger im Einzelhandel gelockert.
Die beiden wären ja gewillt, strenge Maßstäbe anzusetzen – zum Beispiel Beschränkung der Kundenanzahl gestaffelt nach Größe des Verkaufsraums, Eingang im vorderen und Ausgang im hinteren Bereich oder Besuch nur nach Terminvergabe. So, wie es in Friseursalons seit Montag der Fall ist.
„Aber diese Ungleichbehandlungen der Branchen sind nicht mehr hinnehmbar“, echauffiert sich Andy Böhm. „Der Einzelhandel hat längst bewiesen, dass die Maßnahmen hier greifen. Und trotzdem müssen wir mit der Gastronomie am härtesten leiden.“
Das Lager von Böhm Sport in der Macairestraße quillt langsam über – die Winterware, die das Unternehmen bereits vor mehr als einem Jahr bestellt hatte, stapelt sich bis unters Dach. „700 Paar Skischuhe und 350 Paar Skier“, erklärt Andy Böhm und zeigt auf die Kisten. „Im Moment sitzen wir auf der Ware. Niemand weiß, ob wir in der nächsten Saison überhaupt wieder Skilaufen dürfen.“
Er wird regelmäßig von Aufkäufern kontaktiert, die die Ware für zehn Prozent des Einkaufspreises erstehen und dann im Netz weiterverkaufen wollen. „Wenn ich das machen würde, könnte ich je nach Umsatzeinbruch die Differenz geltend machen und würde meine staatliche Hilfe erhalten. Wenn ich es stiften würde, müsste ich 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen. Verrückt.“ Damit sei Betrug Tür und Tor geöffnet. „Das ist echt der Hammer. Diese Regelungen sind nicht mehr nachvollziehbar.“
Gleichzeitig möchten sich die beiden bei ihren Stammkunden bedanken, die ihnen die Treue halten. „Durch die Bestellungen im Internet haben wir rund 20 Prozent des Umsatzes im Vergleich zu sonst“, erzählt Andy Böhm. „Allerdings steht fest: Noch so einen Winter würden wir nicht überstehen.“ Dann würde dem 1994 gegründeten Unternehmen des Ende drohen. „Wir sind halt nicht die Autoindustrie mit ihrer riesigen Lobby.“
So reagiert OB Burchardt auf Böhms Hilferuf
Der 58-Jährige fordert Oberbürgermeister Uli Burchardt auf, sich für die Öffnung der Läden und der Sportanlagen einzusetzen. Der SÜDKURIER leitete dieses Ansinnen an die Pressestelle der Stadt Konstanz weiter. „Kommunen haben auf die Regelungen zur Corona-Prävention keinen direkten Einfluss“, antwortet Pressechef Walter Rügert.
„Grundsätzlich kann ein OB versuchen, über Briefe und Appelle an Bund und Land auf Änderungen hinzuwirken. Dass der Konstanzer Einzelhandel ein sehr wichtiges Thema für OB Burchardt ist, zeigt seine Initiative für die Sondersitzung des Arbeitskreises Zukunftsfitte Innenstadt, in der Probleme und Perspektiven des Einzelhandels behandelt wurden.“

Außerdem plädiere der OB in der Diskussion über Öffnungsschritte für eine sorgfältige Abwägung. Die vergangenen Tagen hätten gezeigt, dass die Infektionslage sich wegen der Mutationen schnell wieder zuspitzen könne. Für umfassende Öffnungen sieht der OB laut Pressestelle derzeit noch keinen Spielraum.
Hoffnungen verbinde er mit der weiteren Entwicklung bei den Testungen. Wenn, wie angekündigt bald jede und jeder einen Test machen könne, wäre dies eine sehr gute Grundlage für weitere Öffnungsschritte.
„Wir sind bereits dabei, uns seitens der Stadt darauf vorzubereiten, Infrastruktur für die Testung aufzubauen. Dazu prüfen wir im Moment unter anderem auch den Aufbau eines Testzentrums. Bei allem gilt: Ein dritter Lockdown muss unbedingt verhindert werden“, so OB Burchardt.
Andy Böhm ist enttäuscht, dass im Segment Sport so wenig möglich ist. Er war über mehrere Jahrzehnte erfolgreicher Fußball-Trainer in Deutschland und in der Schweiz, als Ausstatter und Berater diverser Vereine im Profi- sowie im Amateurbereich hat er weitreichende Kontakte.
Andy Böhm: „Wahnsinn, was hier abgeht“
„Wer sagt denn, dass alle Kinder nach dem Lockdown zurückkommen in den Sport?“, fragt er. „Im schlimmsten Fall verlieren wir eine ganze Generation. Die Skisaison ist schon verloren. Dabei haben sich in Ischgl die Menschen nicht auf der Piste angesteckt, sondern in den Bars.“
Einerseits habe Uli Burchardt die Leute aufgefordert, Sport an der frischen Luft zu treiben, „was ich super fand. Dann werden Sportanlagen gesperrt. Vereine und Sport sind die großen Verlierer. Wahnsinn, was hier abgeht.“