Es ist eine Tat, für die es keine Entschuldigung gibt. Das waren die einleitenden Worte vom Verteidiger des Mannes, der wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Sechsjährigen am Dienstag auf der Anklagebank saß. Den Prozessbeteiligten war an ihren Mienen abzulesen, dass es für sie einer der unangenehmeren Gerichtstermine war – einschließlich des Verteidigers selbst.
Was ist geschehen?
Denn das, was der Angeklagte vorm Amtsgericht zu Protokoll gab, hörte sich an „wie der Alptraum einer jeden Mutter“. So beschrieb es der Staatsanwalt später. Der Mitte 40-Jährige gab gleich zu Beginn zu, was ihm vorgeworfen wurde: Dass er an einem Abend Anfang 2020 ein Nachbarskind aus einer ihm bekannten Familie auf dem Spielplatz vor dem Mehrfamilienhaus angesprochen und es in seinen Keller gelockt habe.
Dort habe er sexuelle Handlungen am Kind vorgenommen. Als er dieses aufforderte, an ihm ebenfalls Handlungen vorzunehmen, habe es sich zur Wehr gesetzt, dem Kind gelang die Flucht. Dass es nicht zu Schlimmerem kam, sei einzig und allein dem Selbstbewusstsein des Sechsjährigen zu verdanken, sagte der Richter. Nicht dem Verhalten des Angeklagten.
Kaum war es zu Hause, erzählte das Kind seiner Mutter direkt, was passiert war. Der Angeklagte wurde noch in der gleichen Nacht verhaftet.
Wie geht es dem Kind heute?
Die Mutter berichtete vor Gericht, dass es nun Schlafstörungen habe, Angst im Dunkeln, Angst, alleine zu sein. „Wegen dir“, richtete sie sich direkt an den Täter. Ihre Hände zitterten. „Hätte mir das jemand angetan, wäre es weniger schlimm“, sagte sie.
Es sind wenige Minuten der sexuellen Befriedigung, die in keinem Verhältnis zu dem Schaden stehen, den der Mann angerichtet habe, resümierte der Richter, als er das Urteil sprach.
Wie wird das Strafmaß begründet?
Der Mann wird für zwei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis gehen. Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht, dass er ein vollumfängliches Geständnis abgelegt hatte und es dem Kind so erspart geblieben ist, noch einmal aussagen zu müssen.
Allein das sei der Grund gewesen, warum man, wie Staatsanwalt Behar Kremer zu Beginn der Verhandlung erklärte, „nur“ am Amtsgericht verhandele, wo die Höchststrafe bei vier Jahren liegt. Die Tat selbst nannte er „perfide“ und wie aus einem Horrorfilm. Das Opfer ein gutmütiges Kind, das nicht nur körperlich, sondern vor allem psychisch missbraucht worden sei.
Warum hat der Angeklagte das getan?
Er selbst sagt, dass er „auf Frauen steht“, dass er noch nie pädophile Gedanken gehabt hätte.
Die Gründe, warum jemand ein Kind missbraucht, sind vielfältig. In einem Gutachten schreibt der unabhängige Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, sind die wenigsten Täter tatsächlich pädosexuell. „Ein wesentliches Motiv für solche Taten ist der Wunsch, Macht auszuüben und durch die Tat das Gefühl von Überlegenheit zu erleben.“
Seine eigene Kindheit bezeichnete der Angeklagte als gut. Bei Frauen hatte er wenig Glück, die letzte Beziehung sei zehn Jahre her. Er gab an, am Tatabend „total fertig und übermüdet“ gewesen zu sein und dass er heute nicht mehr nachvollziehen könne, warum er so etwas Schlimmes getan habe. Seine Entschuldigung wurde im Gerichtssaal mit Schweigen quittiert. Wie soll man auch reagieren auf eine Entschuldigung für eine Tat, die unentschuldbar ist.
Sexueller Missbrauch von Kindern: Informationen zu juristischen Schritten, Prävention oder Anzeichen und Hilfsangebote für Eltern und Betroffene gibt es auf der mit Bundesmitteln betriebenen Webseite Hilfeportal-missbrauch.de Unter anderem gibt es ein kostenfreies und anonymes Hilfetelefon unter der Nummer (0800) 2 25 55 30.