In Stadelhofen rumort es. Genauer gesagt in der Kreuzlinger Straße. Die Gewerbetreibenden sind sauer. Die FGL hat den Antrag gestellt, die Fußgängerzone unter anderem auch auf Stadelhofen auszuweiten. Die Geschäftsleute fragen sich: Waren die Antragssteller jemals in dieser Straße? Falls ja, dann müssten sie doch wissen, dass viele Geschäftsleute – von der Auto-Werkstatt über Computer-Service bis Paketshop – darauf angewiesen sind, dass die Kunden die Geschäfte direkt anfahren können.
Die CDU-Fraktion hat reagiert und die Anwohner zu einem Vor-Ort-Termin eingeladen, den mehr als 20 Leute wahrnahmen. Unter ihnen war FGL-Stadträtin Christel Thorbecke, die offen bekannte: „Ich wusste nicht, dass es hier so unterschiedliche Geschäfte gibt“ und darüber hinaus so „gar nicht Touristen-Stadt“.
Das Thema ploppt immer wieder auf
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Roger Tscheulin versteht den Vorstoß der FGL auch nicht: „Alles alte Themen, die wir schon im Gemeinderat hatten.“ Er erinnert an den Vorschlag aus dem Jahr 2019, als Zollernstraße und Münzgasse zur Fußgängerzone hätten erklärt werden sollen. Die Anwohner sowie dortige Gewerbetreibenden wurden befragt. „84 Prozent der Leute wollten keine Fußgängerzone“, so Tscheulin.
Im Wirtschaftsausschuss sei argumentiert worden, die Cafés und Restaurants würden von einer solchen Änderung profitieren, berichtet Tscheulin. Die Meinung der anwesenden Gastronomen geht auseinander. Einer verspricht sich einen Gewinn aufgrund verbesserter Aufenthaltsqualität. Das unterstreicht Anwohnerin Daniela Mink, die für ein Gastro-Erlebnis lieber in die Innenstadt geht, denn „mit Motorenlärm macht‘s keinen Spaß“. Das Gros der Gastronomen aber lebt zu einem guten Teil vom Mitnahmegeschäft und ist auf Kurzzeit-Parkplätze angewiesen.

Fußgängerzone? Dann ist alles tot – so die Befürchtung
„Wenn man eine Fußgängerzone macht, ist hier alles tot. Das ist schön, wenn man schlafen will“, meint Hartmut Binder, der das Restaurant Pfannkuchen betrieben hat. „Seit 37 Jahren bin ich hier. Früher war in der Hüetlinstraße 50 bis 60 Prozent mehr Frequenz.“ Das bestätigt eine dortige Anwohnerin: „Wer vor ein Geschäft fahren will, findet keinen Parkplatz und fährt noch eine Runde.“ Sie spricht von einem unnützen Park-Such-Verkehr.
Anwohner Richard Bartscher hingegen will „kein Auto vor der Nase“, zumal er davon ausgeht, dass es bald nur noch „die Hälfte an Autos“ geben werde. Alexander Gebauer von der Bürgergemeinschaft Allmannsdorf-Staad laudiert die schönen Stadträume, die aufgewertet werden sollten. Es solle „nicht immer nur um Privatinteressen und die lieben, süßen Autos gehen, die eh bald überflüssig werden“, meint er.
Die Idee macht manchen nicht glückselig
Glückselig macht die Fußgängerzonen-Idee Michael Meier-Shergill, Inhaber des Geschäfts „Glückseeligkeit“, überhaupt nicht. Im Gegenteil: „Wir leben hier nur, weil wir einen Paketshop haben. Das macht über 50 Prozent unseres Umsatzes.“ Da oft große Pakete abgeholt würden, seien direkte Anfahrt und Kurzzeitparkplätze unverzichtbar. „Sonst kann ich zumachen“, stellt er fest.
Thomas Keck, der nicht nur große Pokale graviert, sondern auch für die Industrie arbeitet, geht es ähnlich. Mit dem Status quo des verkehrsberuhigten Bereichs seien die meisten zufrieden. Er erinnert an jene Zeit, als „hier die B33 bis zum Kreuzlinger Zoll durchführte. Mit der Verwaltung haben wir erreicht, wie es jetzt ist“, so Keck. „Das ist eine super Entwicklung“, wertet er.

Vergrößerung des verkehrsberuhigten Bereichs?
Allerdings wünscht er sich, dass an der Einfahrt in den verkehrsberuhigten Bereich ein Sackgassen-Schild aufgestellt wird; das würde den Verkehr verringern. Dieser solle ruhig auf die gesamte Kreuzlinger Straße ausgeweitet werden, findet Daniela Mink, denn gerade in jenem Teil zum Kreuzlinger Zoll seien die Gehwege äußerst schmal. Das kann sich auch Thomas Keck vorstellen, der aber eine Fußgängerzone rundheraus ablehnt. „Wir sind hier ein Mischgebiet und haben kein Gewerbe, das typisch für eine Fußgängerzone wäre.“
Die Marktstätte wurde als Beispiel genannt, dass der Wandel zur Fußgängerzone keinen Schaden hinterlasse. Dieser Ansicht tritt Keck entgegen: „In diesem Bereich gibt es kaum inhabergeführte Geschäfte mehr, sondern nur noch Ketten. Die Kleinen sind weg und an den Rand der Innenstadt gezogen.“ Und eben dort hätten sich Handwerker und Dienstleister etabliert; die Mieten seien günstiger und die Geschäfte könnten mit dem Auto angefahren werden.
„Es ist keinem Kunden zuzumuten, seinen Computer weit zu schleppen“, sagt Thomas Keck mit Blick auf seinen Nachbarn vom PC-Service. Fehle die Erreichbarkeit, „dann bestellen die Leute im Internet, der Lieferverkehr nimmt weiter zu und dann beißt sich die Katze in den Schwanz“, so Keck.
Architekt Paul Gerhardt, ebenfalls Anwohner, spricht noch einen Punkt an: „Im Innenhof des Hotels Constantia kommt eine Tiefgarage hin. Wie und wo wollen die dann ein- und ausfahren?“ Und er wundert sich über die Stadt und den Gemeinderat, die eben diesen Bebauungsplan beschlossen hätten, dieses Detail aber wohl jetzt nicht ins Kalkül zögen.
Der große Wunsch: Miteinander statt gegeneinander
Fest steht für Thomas Keck: „Wir dürfen es uns jetzt nicht kaputt machen lassen, sonst werden noch mehr inhabergeführte Geschäfte sterben.“ Er findet: „Man sollte uns mit ins Boot holen, wie man die Straße umgestalten kann.“ CDU-Gemeinderätin Heike Rawitzer bilanziert: „Ich habe den Eindruck, alle wollen einen Kompromiss und keinen harten Cut, um dem Handel nicht zu schaden.“