Ein „Mai-Ausflug mit Hindernissen“, so lautete eine Überschrift im SÜDKURIER vor 50 Jahren. Die Heimatzeitung berichtete über einen See-Spaziergang der besonderen Art, der Folgen haben sollte. Seither gibt es besseren Zugang zum Ufer: durch den Seeuferweg. Was war am Tag der Arbeit geschehen?

Zu dieser Zeit war das Seeufer am Konstanzer Trichter, von der Seestraße abgesehen, nur an wenigen Stellen öffentlich zugänglich. Am Ende der Seestraße führte der Weg weg vom See in die Mozartstraße zur Schmuggler-Bucht. Zwischen dort und dem Hörnle war noch in den 60er-Jahren kaum ein Uferabschnitt frei nutzbar, da sich Grundstücke in Privatbesitz befanden.

Auf genau diesen Missstand wollten der damalige SPD-Stadtrat, DGB-Kreisvorsitzende Erwin Reisacher und eine Gruppe von Mitwanderern im Anschluss an die Mai-Kundgebung hinweisen. Unter dem Motto „Das Seeufer gehört allen“, mit Bezug zum badischen Recht des Jahres 1928 und dem Badischen Wassergesetz aus dem Jahr 1899, in dem allen Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu öffentlichen Gewässern zugesichert wird, machten sich etwa 150 Personen auf den Weg.

Vor 50 Jahren endete hier beim Yachthafen der ufernahe Weg, Erwin Reisacher und seine „Wandergruppe“ ließen sich jedoch von Zäunen und ...
Vor 50 Jahren endete hier beim Yachthafen der ufernahe Weg, Erwin Reisacher und seine „Wandergruppe“ ließen sich jedoch von Zäunen und Hecken nicht bremsen. | Bild: Jürgen Rössler

„Mit Begeisterung und turnerischem Geschick kamen die ‚Wanderer‘ zunächst gut voran“, so die Berichterstattung damals. Gut ging es bis zum Gelände Mozartstraße 18. Ein Eigentümer wollte mit dem Gartenschlauch das Betreten seines Geländes unterbinden. In Leserbriefen war zunächst die Rede davon, dass hier gar nicht Konstanzer aktiv gewesen seien, sondern linksgerichtete Studenten.

Damit sollte das Ansinnen wohl relativiert werden, erinnert sich Egenolf Löhr, damals ebenfalls SPD-Stadtrat und an der Wanderung beteiligt: „Da waren viele junge Familien mit Kindern dabei und da wollten wir eben verhindern, dass die Kinder von dem harten Wasserstrahl getroffen werden.“ Es kam zum Handgemenge, die vom Grundstückseigentümer herbeigerufene Polizei nahm die Anzeige – Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Körperverletzung – auf.

Egenolf Löhr war beim Spaziergang für ein freies Seeufer 1975 dabei. Dieses wurde später verwirklicht. Bei der Feier zum 1. Mai ...
Egenolf Löhr war beim Spaziergang für ein freies Seeufer 1975 dabei. Dieses wurde später verwirklicht. Bei der Feier zum 1. Mai erinnerte er am vergangenen Donnerstag, 1. Mai, daran. | Bild: Rindt Claudia

Die kuriose Wendung kam, wie Löhr rückblickend angesichts des Verfahrens gegen Reisacher und Löhr schmunzelnd feststellt, so: „In die öffentliche Diskussion kam das erst so richtig durch den Strafprozess, der für ein bundesweites Echo sorgte. Die Stimmung kippte.“ Reisacher wurde zu einer Geldstrafe von 1600 D-Mark verurteilt, Löhr freigesprochen, allerdings hatte er einen Teil der Prozesskosten zu tragen.

Und als dann entlang des Konstanzer Seeufers die Kanalisierung des Abwassers vorangetrieben wurde, ergab sich eine Chance. 1983 wurde im Gemeinderat beschlossen, im Zuge des „Abwassersammlers“ Gelände aufzuschütten und darauf einen Seeuferweg umzusetzen – jener Seeuferweg, wie wir ihn heute kennen und er von Einheimischen und Touristen gerne und reichlich genutzt wird.

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Es fehlen nur wenige Meter

An den Seerhein, rechtsrheinisch von Industrie geprägt, wagte sich damals wohl auch Reisacher nicht. Heute – sieht man vom Gelände des Ruderclubs Neptun, dem Constanzer Wirtshaus und dem Hallenbad ab – ist nahezu das gesamte Seerheinufer auf beiden Flussseiten frei zugänglich. Aber eben nur fast. Denn der Uferweg endet kurz nach dem Bodenseeforum bei der Rheinbrücke.

Unter der Rheinbrücke endet der Uferweg recht abrupt – links ist ein Zaun, an dem der öffentliche Zugang zum Seerhein endet.
Unter der Rheinbrücke endet der Uferweg recht abrupt – links ist ein Zaun, an dem der öffentliche Zugang zum Seerhein endet. | Bild: Jürgen Rössler

„Der Weg hört hier geradezu brutal auf“, sagt Alexander Tasdelen vom Jungen Forum Konstanz (JFK). Es hat sich die Schaffung von „attraktiven Freiflächen für alle Altersklassen“ sowie „sichere und saubere Entspannungsoasen vom Hörnle bis zum Seerhein“ auf die Agenda geschrieben. Zwar ist am Bürogebäude Rheingarten ein Uferweg schon umgesetzt, doch dieser hat weder flussauf- noch flussabwärts Anschluss. In beide Richtungen fehlen nur noch wenige Meter.

Der Angelsportverein verweist auf seine Brutbecken, für die ein Seeuferweg problematisch werden könnte, sowie auf den Zugang zu den Bootsstegen. Auch die benachbarte Werft ist auf Zugang zum Wasser und zu den Stegen angewiesen. Beim Landratsamt, dessen Wasserwirtschaftsamt an der Rheinbrücke beheimatet ist, stand man stets eher skeptisch den Plänen zu einem Seeuferweg gegenüber.

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Ein nahezu durchgängiger Uferweg von Staad bis zum Wollmatinger Ried – das wäre ein Projekt so ganz im Sinne Reisachers, der früh im Jahr 1993 verstarb. „Dass das wünschenswert ist, ist keine Frage. Die Frage ist, ob der politische Druck da ist“, sagt Löhr, der das Konstanzer Stadtgeschehen mittlerweile distanzierter betrachtet, denn der 81-Jährige lebt am nördlichen Seeufer.

Tasdelen weist auch darauf hin, wie sich beide Seerheinufer in den vergangenen Jahren entwickelten, wie vielfältig die Uferzonen von Einheimischen und Gästen genutzt würden. Da müsse man auch dieses Projekt vorantreiben. Aus der Stadtverwaltung ist zu hören, dass es durchaus Pläne gebe, doch „für die weitere Entwicklung unter der Brücke hindurch sowie über die angrenzenden Grundstücke oder an diesen vorbei fehlen aktuell sowohl finanzielle Mittel als auch personelle Ressourcen.“

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Alexander Tasdelen jedoch lässt sich von Erwin Reisacher anregen: „Genau so war das vor 50 Jahren doch auch. Es dominierten Bedenken und dauerte noch Jahre, hat dann aber geklappt.“