Die NS-Tageszeitung Bodensee-Rundschau berichtete am 8. November 1935: „Dieser Tage hat der Oberbürgermeister dem städtischen Hochbauamt den Auftrag erteilt, die Bauarbeiten des Hallenbads beginnen zu lassen. Es sind daraufhin Aufträge im Werte von rund 135.000 Reichsmark an das hiesige Handwerk sofort zur Vergebung gelangt.“
Folglich war das Kur- und Hallenbad am Seerhein eine von vielen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach 1933. Der neue NS-Oberbürgermeister Albert Herrmann (1892-1977) hatte nach seinem im Mai 1933 erfolgten Amtsantritt schnell die Defizite der Kommune erkannt.
Als Grenzstadt zur Schweiz war an die Ansiedlung von Rüstungsindustrie nicht zu denken. So suchte er die „Stadt ohne Raum“ durch Förderung von Kultur, Sport und Fremdenverkehr zu einem Zentrum für Dienstleistungen umzubauen, das unverkennbar auch ideologische Zielvorgaben zu erfüllen hatte.
Hallenbad soll Teil der „Ehrenpforte des Reichs“ sein
Als „Visitenkarte des Reiches“ sollte Konstanz ein „Bollwerk des Deutschtums“ sein, gleichsam eine nach Süden ausgerichtete „Ehrenpforte des Reichs“. Unverzüglich und zielstrebig machte er sich an die Arbeit. Das Strandbad Jakob und die Bodensee-Kampfbahn (das heutige Bodensee-Stadion) wurden noch 1934 fertiggestellt, im selben Jahr konnte die Sanierung des damals als „Grenzlandtheater“ bezeichneten Stadttheaters abgeschlossen werden. 1935 sollten nun das Kur- und Hallenbad in Angriff genommen werden.

Oberbürgermeister Herrmann plante eine Einbeziehung medizinischer Einrichtungen in das neue Bad. Er hoffte, dass neben den Schulen auch Vereine und Reichswehr das zukünftige Bad nutzen würden – aber auch Schweizer Gäste. Neben einem großen Schwimmbecken sollten Dampf-, Brause- und Wannenbäder, ein Freibad, ein Café und ein Friseursalon zu dem neuen Bad gehören.
Zwischen Offizierskasino und Villa Herosé
Die Standortfrage war schnell gelöst. Ein rund 7700 Quadratmeter großes, zwischen dem Offizierskasino im Osten (heute: Constanzer Wirtshaus) und der früheren Villa Herosé im Westen (heute: Tagungszentrum Villa Rheinburg) gelegenes Grundstück verfügte über eine ideale Lage am Seerhein.
Ein weiterer Standortvorteil lag in der Tatsache begründet, dass seit 1892 vom Pulverturm eine private Fährverbindung von der Altstadt Richtung Spanierstraße vorhanden war. 99 Jahre lang, bis ins Jahr 1991, verkehrte die kleine Fähre „Niederburg“ zwischen Pulverturm und dem Kur- und Hallenbad, bis schließlich eine neue Fußgänger- und Fahrradbrücke in Betrieb genommen werden konnte.

Der sportbegeisterte Oberbürgermeister beauftragte Baurat Friedrich Hübinger (1885-1965) mit den Planungen, auf die er freilich selbst mehrfach Einfluss nahm. Die mächtige Schwimmhalle sollte den Kern des Gesamtbauwerks bilden.
Um das Ensemble sollten sich zweistöckige Gebäude gruppieren mit einem römisch-irischen Bad, medizinischen Bädern, einer Dienstwohnung und einem zur Spanierstraße ausgerichteten Friseursalon. Dieses Ladengeschäft betreibt die Familie Dietrich bis heute, mittlerweile in der dritten Generation.
Anhand eines Modells und anhand von Plänen hatten Herrmann und Hübinger bereits im April 1935 sich der Zustimmung des badischen Gauleiters Robert Wagner in Karlsruhe versichert.

Nach Baubeginn bereitete vor allem die Gründung des Bauwerks Probleme. Probebohrungen ergaben erst in einer Tiefe von 14 Metern einen tragfähigen Grund. Eine kostspielige Pfahlgründung wurde zugunsten einer Plattengründung verworfen.

Die Arbeiten am Kur- und Hallenbad dauerten ab Baubeginn nur zwei Jahre – einschließlich des Innenausbaus. Am 31. Oktober 1937 konnte das neue Bad feierlich eröffnet werden, die Baukosten beliefen sich auf rund 750.000 Reichsmark.
Auch das Kur- und Hallenbad spiegelt die dunkle Zeit der NS-Diktatur. Es wurde bald schon ein Badeverbot für Juden erlassen; „Juden sind hier unerwünscht“ war auf Schildern in sämtlichen Konstanzer Bädern zu lesen. Die Belegschaft des Kur- und Hallenbades musste eine schriftliche Anordnung des Oberbürgermeisters als gelesen abzeichnen, nach der Juden der Zutritt zum Bad zu verwehren sei.
Schwimmerin im Visier der NS-Schergen
Im Juli 1938 informierte Hübinger den Oberbürgermeister darüber, dass „die Schwimmerin Hildegard Brücher, die im Turnverein Hellas im Einzelschwimmen und im Staffelschwimmen mit Erfolg tätig war, Nichtarierin ist. Ihre Mutter ist Jüdin.“
Es handelt sich bei der 17-jährigen jungen Frau um Hildegard Hamm-Brücher (1921-2016), die nachmalige Staatsministerin im Bonner Auswärtigen Amt. Sie hatte ab 1937 das Internat Schloss Salem besucht und sollte 1938 als Externe ihr Abitur am heutigen Ellenrieder-Gymnasium ablegen.
Infolge ihres baldigen Fortzugs wurde die Angelegenheit zu den Akten gelegt. So war auch die spätere Große Dame der FDP in das Blickfeld der NS-Verfolgung und -Diskriminierung geraten, und zwar im Kur- und Hallenbad am Seerhein.
