„Ich entschuldige mich und ich bereue mein Verhalten.“ Diesen Satz wird der 19-jährige Mann auf der Anklagebank des Konstanzer Amtsgerichts an diesem Tag mehrfach wiederholen. Dort geht es Ende April um gemeinschaftlichen besonders schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.

Als die Justizbeamten den Beschuldigten mit Fußfesseln und Handschellen in den Sitzungssaal führen, wirkt er verunsichert, gar zerbrechlich. Er starrt auf den Boden, blickt kaum auf. Dass er wirklich getan hat, was ihm vorgeworfen wird, ist in diesem Moment schwer vorstellbar.

Was wird dem jungen Mann vorgeworfen?

Am 27. Juli und 5. August 2022 soll der 19-jährige Syrer am Ufer des Seerheins – insbesondere im Herosé-Park – zusammen mit vier weiteren Männern mehrere Menschen ausgeraubt und teils körperlich angegriffen haben. Die Tatserie soll geplant und abgesprochen gewesen sein, heißt es in der Anklageschrift. Doch das ist nicht alles: Laut Aussage des leitenden Kriminalbeamten seien der Gruppe in unterschiedlicher Besetzung bis zu elf Raubüberfälle im vergangenen Sommer zuzuordnen.

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Vor Gericht landeten allerdings nur die Taten des ersten und letzten Tages. Grund dafür sei unter anderem, weil diese Vergehen sich am besten beweisen ließen, informierte Oberstaatsanwalt Johannes-Georg Roth jüngst. Beim Prozessauftakt Ende Februar mussten sich alle fünf Beschuldigten vor dem Jugendschöffengericht Konstanz verantworten. Weil sein Anwalt erkrankte, wurde die Verhandlung des ältesten Angeklagten vom ursprünglichen Verfahren abgetrennt und findet nun separat statt.

Angeklagter gesteht Taten über seinen Anwalt

Er soll ahnungslose Menschen ausgeraubt, bedroht und körperlich angegriffen haben – all das wird dem 19-Jährigen vorgeworfen. Er selbst äußert sich dazu nicht. Wohl aber sein Anwalt, der zu Beginn der Verhandlung eine Stellungnahme im Namen seines Mandanten verliest. Darin räumt er ein, sowohl an dem Überfall Ende Juli als auch auch an der Raubserie des 5. August beteiligt gewesen zu sein.

Was Verteidiger Sandro Durante aber betont: „Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Absprache, die Straftaten zu begehen.“ Die Jugendlichen hätten sich im Herosé-Park zum „Abhängen und Chillen“ verabredet. Alle Überfälle hätten sich überraschend und spontan ergeben. An genaue Details zu den Taten könne sein Mandant sich nicht erinnern, so Durante. Denn er habe unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen gestanden.

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Die Geschädigten müssen nochmals aussagen

An diesem ersten Verhandlungstag sagen fünf Zeugen aus. Die meisten von ihnen sind Geschädigte der Raubserie und hatten ihre Erlebnisse bereits ab Ende Februar bei der Verhandlung gegen die anderen vier Beschuldigten geschildert. Unter ihnen ein junger Mann, der sich in der Nacht des 5. August mit seiner Partnerin im Herosé-Park aufhielt.

Sie hätten auf einer Bank gesessen und zusammen Alkohol getrunken, berichtet der Zeuge. Einer der Angeschuldigten habe ihn nach Zigaretten gefragt. „Ich wollte ihm keine geben.“ Wenig später habe ein anderer angefangen, den Rucksack seiner Freundin zu inspizieren. „Ich habe ihn ermahnt“, erinnert sich der 20-Jährige.

(Archivbild) Auf einer Bank im Herosé-Park saß das Paar, als es von mehreren Männern umringt wurde.
(Archivbild) Auf einer Bank im Herosé-Park saß das Paar, als es von mehreren Männern umringt wurde. | Bild: Sven Frommhold | SK-Archiv

Dann habe er ein Messer aus der Tasche gezogen. Zugleich habe ein anderer gerufen: „Stech‘ ihn ab, stech‘ ihn ab!“ Der Zeuge dazu: „Das war so einschüchternd, dass ich ihm meinen Geldbeutel direkt gegeben habe.“ Auch seine Freundin habe er aufgefordert, ihre Wertsachen auszuhändigen. An die Täter kann sich das junge Paar nicht erinnern – denn die beiden hatten an jenem Sommerabend gut getrunken, wie sie der Richterin erzählen.

Hat die Bande sich bewusst Opfer ausgesucht, die betrunken oder gebrechlich waren? Davon überzeugt ist zumindest der leitende Polizeiermittler, wie er zuvor im Zeugenstand betont hatte: „Opfer im wahrsten Sinne des Wortes.“ Ob die Überfälle also tatsächlich so spontan waren, wie der Beschuldigte behauptet, bleibt zweifelhaft. Auch bleibt im Dunkeln, welche Rolle er genau bei eben geschilderter Tat hatte.

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Nach der Aussage des Zeugen meldet sich der Angeklagte zu Wort. „Ich entschuldige mich“, sagt der auf Arabisch. Ein Dolmetscher übersetzt. „Wir waren nicht wir selbst, haben getrunken. Und ich bereue mein Verhalten.“ Er spricht leise, wirkt unsicher, kann keinen Blickkontakt mit dem Zeugen halten. Dieser entgegnet nachsichtig: „Das war ‚ne dumme Aktion, aber es ist ok.“

Brutal zugetreten, als das Opfer am Boden lag

Ganz abgesehen von den psychischen Folgen eines solchen Angriffs – nicht alle Opfer entkamen ihren Peinigern körperlich unbeschadet. Einen 34-jährigen Mann sollen die Jugendlichen am frühen Morgen zuerst verprügelt und dann ausgeraubt haben. Auch er sagt nochmals als Zeuge aus: „Sie haben mich gepackt und zu Boden geschlagen. Etwa zwei Minuten lang haben sie mich getreten, dann sind sie mit dem Fahrrad weggefahren.“

Ein Aktenfoto zeigt das Gesicht des Mannes nach dem Vorfall: Es ist geschwollen, voller Blut. Noch heute zeugt eine Narbe von der Tat. Auch sein Mandant habe auf den am Boden liegenden Mann eingetreten, räumt Anwalt Durante ein. „Er schämt sich sehr dafür.“ Eine persönliche Entschuldigung des Angeklagten möchte der Geschädigte lieber nicht hören. Er wolle einfach damit abschließen, sagt er.

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Nach diesem skrupellosen Angriff endete die Tatnacht für den Beschuldigten. Denn er habe sich gegen 5.30 Uhr dazu entschieden, schlafen zu gehen. Das bestätigt der leitende Kriminalbeamte im Zeugenstand. An mindestens drei weiteren Überfällen, die seine Begleiter später begangen haben sollen, sei er nicht mehr beteiligt gewesen. Das Urteil gegen den 19-Jährigen soll am 8. Mai fallen.