Diese Geschichte kennt am Ende nur Verlierer. Und sie zeigt, wie hart in Konstanz um Wohnraum gekämpft wird. So hart, dass eine Familie mit zwei kleinen Kindern Angst hat, bald auf der Straße zu stehen. Und dass sich zwei Grundstücks- und Hausbesitzer nach einem langen Gerichtsverfahren auf dem eigenen Grund und Boden nicht mehr die Wohnung leisten können, die sie sich vorgestellt hatten.
Dabei fing die Geschichte vor rund dreieinhalb Jahren vielversprechend an: Ein junges Paar suchte dringend eine größere Wohnung und traf auf eine Frau, deren Mutter eine solche zu vermieten hatte. Es entstanden sogar Freundschaften – doch aus einem einstigen Vertrauensverhältnis wurde inzwischen ein hässlicher Streit, die Parteien sprechen sich nur noch vor Gericht.

Vermieter und Mieter hatten „freundschaftliches Verhältnis“
Doch der Reihe nach: Im Sommer 2019 war Linda K. schwanger, das Paar wollte umziehen. Von einer Bekannten (wir nennen sie Marion L.; der richtige Name ist der Redaktion bekannt) erfuhren sie, dass deren Mutter eine Wohnung im Paradies zu vermieten hatte. Der Haken an der Sache: Das Haus sollte abgerissen werden, sobald die Mutter stirbt, und einem Neubau weichen – genauso wie Marion L.s Nachbarhaus.
„Wir ließen uns trotzdem darauf ein, weil uns versprochen wurde, dass wir in Marions Neubau eine der fünf Wohnungen zum Rohkostenpreis kaufen können“, erläutert Ardian K. dem SÜDKURIER. Es wären also nur die reinen Baukosten fällig geworden, ohne Maklergebühren, den Anteil für das Grundstück und sonstige Aufpreise. „Für rund eine halbe Million Euro hätten wir eine Vier-Zimmer-Wohnung mit etwa 100 Quadratmetern gehabt“, sagt der 33-Jährige, der im Personalwesen einer sozialen Einrichtung arbeitet.
Er und seine schwangere Frau zogen in das alte Haus ein. „Wir halfen Marion, wo immer wir konnten. Und sie legte mir Brötchen vor die Tür, als ich im Wochenbett war“, erzählt Linda K. „Es war ein richtig freundschaftliches Verhältnis.“ Dies bestätigt auch Marion L. vor dem Konstanzer Amtsgericht.
Dass deren Mutter, also die Vermieterin des Paares, nur drei Monate später sterben würde, ahnte niemand. Nun erbte ihr Sohn, Marions Bruder, das Gebäude und wurde zum neuen Vermieter. Mit ihrer Nachbarin Marion besprach Familie K. dann den geplanten Neubau. „Sie war fast jeden Abend bei uns. Wir waren fast zwei Jahre lang in die Planungen mit dem Architekten eingebunden und haben so viel Lebenszeit in das Projekt investiert“, so Linda K.

Ehepaar K.: „Das war für uns nicht mehr tragbar“
Das war vergeblich, wie sich im Nachhinein herausstellt: Eines Abends im Dezember 2021 habe Marion L. geklingelt und gesagt, sie und ihr Bruder könnten das Ganze doch nicht bezahlen, sie müssten beide Grundstücke zusammenlegen und größer bauen.
Inzwischen hätten sie eine Bauherrengemeinschaft gebildet, sagt Marion L. nun vor Gericht. „Uns wurde dann angeboten, wir könnten eine Wohnung zu den üblichen Marktpreisen kaufen“, sagt Ardian K. „Das war für uns nicht mehr tragbar.“

Seine Frau ergänzt: „Leider haben wir das ursprüngliche Angebot mit der Wohnung zum Rohkostenpreis nie schriftlich fixieren lassen. Wir haben daran geglaubt, dass ein Handschlag unter guten Bekannten etwas wert ist. Wir waren so naiv!“
Schwester des Vermieters: „Ich war ein Trottel“
Dasselbe gibt auch Marion L. vor dem Konstanzer Amtsgericht zu Protokoll. Mehrfach betont sie als Zeugin: „Ich war so naiv, ich kenne mich mit Bausachen nicht aus und bin auch keine Juristin.“ Sie und ihr Bruder hätten ihre nebeneinanderliegenden Grundstücke ursprünglich nicht verkaufen wollen.
„Aber irgendwann haben wir unsere Grenzen erkannt, vor allem finanziell. Das Projekt wurde auf zehn Millionen Euro geschätzt. Da bin ich zur Familie K. gegangen und habe ihnen gesagt, dass wir das nicht so umsetzen können wie gedacht.“ Sie ergänzt: „Heute würde ich vieles anders machen. Ich war ein Trottel meiner Gutmütigkeit.“
Unterdessen setzte Marion L.s Bruder einen Mietaufhebungsvertrag auf. Den sollte die Familie unterschreiben, damit das Bauprojekt vorangehen kann. Das Ehepaar unterzeichnete nicht. Der Streit spitzte sich zu, bis der Vermieter am 3. März 2022 die Kündigung vorlegte. Die Familie sollte bis Ende Mai 2022 ausziehen. Ihr Anwalt hielt die Kündigung aber für rechtlich unwirksam. Im Sommer 2022 machte der Vermieter dann ein Angebot: „Wir sollten 5000 Euro bekommen, wenn wir bis Ende September ausziehen“, sagt Ardian K.
Doch das lehnte das Ehepaar ab, woraufhin der Vermieter Räumungsklage erhob. Diese wurde im Januar dieses Jahres vor dem Konstanzer Amtsgericht verhandelt. Ardian K. erzählt, Richter Christian Brase habe ihnen einen Vergleich vorgeschlagen: „Dieses Mal sollten wir 10.000 Euro bekommen, wenn wir innerhalb von drei Monaten ausziehen. Das kam für uns nicht in Frage. Wir können doch mit zwei kleinen Kindern nicht auf der Straße stehen!“
Denn trotz intensiver Wohnungssuche findet sich bis heute kein passendes Angebot. Das ganze Verfahren belastet beide Parteien sehr. So sagt Marion L. beim erneuten Treffen vor Gericht Anfang April 2023: „Ich bin ziemlich frustriert und habe mir das alles ganz anders vorgestellt. Die Freundschaft zur Familie ist beendet und meine ursprüngliche Vorstellung von der Wohnung im Neubau ist auch für mich finanziell nicht mehr erreichbar. Mein Bruder und ich wollen nur je eine altersgerechte Wohnung. Das Ganze geht mir nah.“
Ihr Bruder, der Vermieter der Familie K., äußert sich auf SÜDKURIER-Nachfrage nicht zu den Vorgängen.
Konstanzer Familie sucht nun ein neues Zuhause
Auch die junge Familie ist verzweifelt: „Wir hatten einige Miet- und Kaufangebote und haben sie alle abgesagt, weil wir Marion vertraut haben. Sie war wie eine zweite Mutter für mich“, sagt Linda K. Sie und ihr Mann zogen ihre Lehren aus der Geschichte: „Seitdem halten wir alles schriftlich fest, auch Kleinigkeiten“, so die 33-Jährige. Sie ist auch persönlich enttäuscht: „Uns geht es vor allem um Ehrlichkeit und Gerechtigkeit. So erziehen wir schließlich auch unsere Kinder.“

Trotzdem ist das Ehepaar erleichtert, dass der lange Streit doch noch ein Ende fand. Denn tatsächlich einigen sich beide Parteien dieses Mal auf dem Gerichtsflur. Familie K. muss bis Ende Juni 2023 ausziehen, erhält dafür aber deutlich mehr als die vorgeschlagenen 10.000 Euro.
„Uns geht es nicht ums Geld. Eine Wohnung wäre uns lieber gewesen, denn die wurde uns versprochen“, sagt Linda K. Ihr Mann zeigt auf sein Handy: „Gerade kam wieder eine Absage.“