Die Nachricht ist noch keine Stunde alt, da hat Nicole Buchholz schon das Wichtigste gehört. Das Haus, in dem sie seit 28 Jahren im Gasthaus Löwen arbeitet*, ist verkauft. An prominenter Ecke direkt bei der Wollmatinger Kirche St. Martin ist ein viel beachtetes Immobiliengeschäft nun doch über die Bühne gegangen – und die Löwen-Wirtin wäre wohl nicht gut in ihrem Job, wenn sie nicht mehr oder weniger in Echtzeit erfahren hätte, was kurz zuvor im unteren Saal des Konstanzer Konzils passiert ist.

*In einer früheren Version hatten wir berichtet, Nicole Buchholz betreibe den Löwen seit 28 Jahren. Wirtin ist sie allerdings erst seit 2010. Bis dahin war Gezine Merk-Laber die Wirtin des Löwen.

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Dort ist es lange Zeit fast gespenstisch still. Rechtspflegerin Monika Schönbucher, die sich am Konstanzer Amtsgericht um Zwangsversteigerungen kümmert, hat das umfassende Regelwerk geduldig vorgetragen. Dann gehen zögerlich die ersten Gebote ein, in kleinen Schritten geht es von 1,3 auf 1,4 Millionen Euro für das Gesamtpaket aus vier einzelnen Teilen voran. Schnell zeigt sich, dass es auf ein Duell zwischen zwei Parteien hinausläuft. Nach etwa 20 Minuten ist die Zwei-Millionen-Euro-Grenze erreicht. Bei genau 2.020.000 Euro geht der Zuschlag an die Firma R&H Baukonzept aus Singen.

Bis zuletzt hatte ein Konstanzer Unternehmen namens RS Imperia dagegengehalten – es hatte schon bei einem früheren, letztlich gescheiterten Versteigerungstermin im Oktober 2022 Interesse am Löwen-Areal gezeigt. Hinter der Firma, die auch mit den Konstanzer Tipico-Wettbüros verbunden ist, steht die Unternehmerin Stephanie Omelic. Sie hatte beim vorigen Termin das Höchstgebot von 1,85 Millionen Euro abgegeben. Dieses Mal wäre sie auf zwei Millionen hochgegangen – und ist damit nun doch unterlegen.

Ein Bündel Akten, ein Taschenrechner – das gehört zu den Dingen, die eine Rechtspflegerin bei einer Zwangsversteigerung braucht. ...
Ein Bündel Akten, ein Taschenrechner – das gehört zu den Dingen, die eine Rechtspflegerin bei einer Zwangsversteigerung braucht. Hier liegen die Dokumente zum Gasthaus Löwen und und zwei angrenzenden Gebäuden in Konstanz-Wollmatingen. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Dieses Mal können die alten Eigentümer nicht zurückziehen

Anders als im vergangenen Herbst kann sie nun nicht mehr auf einen neuen Anlauf hoffen. Damals hatte die Eigentümerfamilie die einstweilige Einstellung des Verfahrens beantragt. Ein neuerliches Mal sei dies nicht möglich, teilt Rechtspflegerin Monika Schönbucher klipp und klar mit. Damit steht fest: Wenn R&H die Gebotssumme bezahlt und auch die rund 200.000 Euro an Grundschuld aufbringt, die noch auf dem Immobilienkomplex lasten, hat das Löwen-Areal unwiderruflich den Besitzer gewechselt.

Dieses Mal kann sie das Versteigerungsverfahren nicht wieder einstellen: Rechtspflegerin Monika Schönbucher.
Dieses Mal kann sie das Versteigerungsverfahren nicht wieder einstellen: Rechtspflegerin Monika Schönbucher. | Bild: Kirsten Astor

Die Familie Trummer, die sich nun von ihrem Besitz trennen muss, will sich zur Sache nicht mehr äußern. Erika Trummer war selbst einmal die Löwen-Wirtin gewesen und hatte früher gesagt, die Versteigerung tue ihr weh. Das mag auch daran liegen, dass die Immobilien nicht unter den Hammer kamen, weil die Eigentümer kein Geld mehr hatten – sondern weil sie sich nicht einig werden konnten, wie sie mit ihrem Besitz umgehen wollen.

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All das weiß Nicole Buchholz, denn die ungewisse Zukunft ihrs Gasthofs ist schon lange weit über Wollmatingen hinaus ein Gesprächsthema. Nun weiß sie noch weniger, wie es weitergeht. Zuletzt hatte sie neue Hoffnung geschöpft, weil ihr Pachtvertrag grundsätzlich vom Erwerber mit übernommen wird. Aber sie weiß auch: Das Gebäude ist in keinem guten Zustand. „Sie werden es wohl abreißen und hier Wohnungen hinbauen“, ist die düstere Vorahnung der Wirtin, die fast ihr halbes Leben im „Löwen“ zugebracht hat.

Was haben die Käufer nun mit dem Gelände vor? Wie wollen sie die Auflage erfüllen, dass die Bäume im bisherigen Biergarten erhalten werden müssen? Die beiden Herren, die die Firma R&H Wohnkonzept vertreten, wollen nicht einmal ihre Namen sagen. Es gehe nicht um sie als Privatpersonen, bescheiden sie. Und Fragen zur künftigen Nutzung, zu möglichen Neubauplänen direkt in der Wollmatinger Ortsmitte und zur Zukunft der Gastronomie werde man auch nicht beantworten.

Die langjährige Wirtin Nicole Buchholz (rechts) und ihre Tochter Aylin wissen derzeit noch nicht, wie es für sie weitergeht.
Die langjährige Wirtin Nicole Buchholz (rechts) und ihre Tochter Aylin wissen derzeit noch nicht, wie es für sie weitergeht. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Die Käufer sitzen im Hegau-Tower in Singen

Klar ist nur: Inklusive Grunderwerbssteuer und Gerichtskosten sowie weiteren Auslagen dürfte R&H Wohnkonzept mindestens 2,5 Millionen Euro investiert haben – bei einem festgestellten Verkehrswert des Ensembles in Höhe von drei Millionen Euro. Entschieden wird die Zukunft des Löwen-Areals übrigens im Hegau-Tower. Dort, in der Maggistraße 5, hat die Firma ihren Sitz. Auf Facebook ist ihr jüngster Beitrag über ein Jahr alt, namentlich benannte Ansprechpartner sind dort nicht zu finden. Und wer auf den Link zur angeblichen Firmen-Homepage klickt, sieht nur den Hinweis „Site Offline – Diese Seite ist vorübergehend nicht verfügbar“.

Für Nicole Buchholz und ihre Tochter Aylin, die sich an diesem Donnerstagmorgen langsam auf die Gäste für den Mittagstisch vorbereiten, heißt es nun erst mal: Warten. Der Abschied vom „Löwen“ würde ihnen schwer fallen, sagen sie. Aber sie wissen auch: „Engagierte, erfahrene Leute werden in der Gastronomie überall gebraucht“, sagt Nicole Buchholz, „insofern mache ich mir jetzt nicht die ganz großen Sorgen.“