Herr Stärk, Sie sind nun 100 Tage als Bürgermeister von Mühlhausen-Ehingen im Amt. Wie verlief der Start?

Am dritten Tag fiel der Strom im gesamten Ortsgebiet aus und nach sechs Wochen war im Ortsteil Mühlhausen Land unter. Nun könnte man meinen, der Start war für mich persönlich nicht ganz glücklich. So sehe ich das nicht, weil man kann sich die Dinge nicht aussuchen und man wächst ja auch mit seinen Aufgaben. Ansonsten fühle ich mich sowohl von der Verwaltung, dem Bauhof, dem Kindergarten und der Schule als auch vom Gemeinderat sehr gut in ihren Reihen aufgenommen. Auch meine Kontakte in die Bevölkerung hinein empfand ich als sehr wohltuend und konstruktiv.

Was hat Sie am meisten überrascht?

Überrascht hat mich eigentlich nichts, da ich ja aus der kommunalen Familie komme und diese auch schon lange erlebe. Obwohl ich ja bereits die Größe der Verwaltung in Mühlhausen-Ehingen aus meiner ersten Zeit her noch kannte, so musste ich mich nach 19 Jahren bei der Stadt Engen doch wieder auf das deutlich kleinere Rathaus umgewöhnen und einstellen.

Patrick Stärk bei der Lagebesprechung mit Helfern nach dem Unwetter in Mühlhausen. Bild: Matthias Güntert
Patrick Stärk bei der Lagebesprechung mit Helfern nach dem Unwetter in Mühlhausen. Bild: Matthias Güntert | Bild: Matthias Güntert

Nun wurden Sie mit verheerenden Hochwasser gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit als Bürgermeister besonders gefordert. Wie konnten Sie das bewältigen?

Das nachweislich 120-jährige Hochwasser hat den Ortsteil Mühlhausen tatsächlich erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Über 130 Einsatzstellen in privaten Häusern und Wohnungen mit insgesamt über 400 Einsatzkräften aus dem ganzen Landkreis zeugen davon, dass ein Bürgermeister alleine gar nichts bewältigen kann. Ich bin heute noch den Einsatzkräften von Herzen dankbar, dass sie noch Schlimmeres verhindert haben und wir keine Personenschäden zu beklagen hatten. Ich war dabei ebenfalls die ganze Nacht präsent im Ort und hatte das Gefühl, dass sowohl die Einsatzkräfte als auch die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner, mit denen ich gesprochen habe, einfach dankbar für die Anteilnahme waren, auch wenn ich aktiv und direkt nicht helfen konnte.

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Half dabei Ihre Erfahrung als Hauptamtsleiter von Engen? Dort gibt es ja auch gefährdete Gebiete.

Für ein solches Schadensereignis hat man kein Handbuch für den Bürgermeister oder früher den Hauptamtsleiter zur Hand, das man dann strukturiert abarbeiten kann. Sicher hat hier auch ein Stück Lebenserfahrung geholfen, intuitiv bereits in der Nacht, aber vor allem am darauffolgenden Tag, die ein oder andere richtige Entscheidung hoffentlich getroffen zu haben. Was mir natürlich aus meiner beruflichen Erfahrung aus Engen geholfen hat, ist die Kommunikation mit übergeordneten Behörden und hier vor allem mit der Regierungspräsidentin, welche die sogenannte „Außergewöhnliche Einsatzlage“ nach dem Landeskatastrophenschutzgesetz anerkannt hat, was beim Tragen der Einsatzkosten eine nicht unerhebliche positive Auswirkung für unsere Gemeinde haben wird.

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Was sagen Sie zum Einsatz der Bevölkerung von Mühlhausen-Ehingen in dieser fatalen, völlig ungewohnten Situation?

Seit Corona hatte man ja das Gefühl, das soziale Miteinander sei eingeschlafen oder womöglich gar nicht mehr vorhanden. Wenn es dann aber darauf ankommt, dann spürt und erlebt man diese Dorfgemeinschaft in seiner Reinkultur. Das macht mich unheimlich stolz, wie hier die Bevölkerung zusammengestanden ist und dies immer noch tut. Die älteren Mühlhauserinnen und Mühlhauser berichten mir, dass sie so ein Hochwasser vom Hang her noch nie in diesem Maße erlebt haben. Ich hoffe und glaube, dass bei aller Tragik des Unwetters, der Zusammenhalt im Dorf gestärkt wurde.

Was bleibt noch zu tun und wie kann man sich noch besser vor solchen Unwettern wappnen?

In vielen Häusern und Wohnungen laufen immer noch die Trocknungsgeräte. Noch immer können etliche Menschen nicht in diese zurück. Kommunal sind im Tiefbaubereich die meisten Schäden bis auf ganz wenige Ausnahmen zumindest repariert und wieder nutzbar. Die Gemeinde Mühlhausen-Ehingen hat wie viele andere Kommunen eine Hochwasserschutz-Konzeption für die Bachläufe, die in Teilen auch schon umgesetzt ist. Was aber ganz wenige Gemeinden haben, ist eine Starkregen-Konzeption, die die Situation im Hangbereich der Vulkankette abbildet und Handlungspfade ableitet. Der Gemeinderat wird hierzu in der Oktobersitzung befasst sein. Was aber auch leider klar ist. Ganz ohne Schäden wäre auch bei einer Starkregen-Konzeption bei diesen insgesamt 105 Liter pro Quadratmeter der Ort nicht davon gekommen. Es muss aber unser Ziel sein, die Schäden zu minimieren, weil wir werden vermutlich leider nicht 120 Jahre warten können, bis ein solches Ereignis wieder uns treffen könnte.

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Zurück zu Ihrer eigentlichen Aufgabe. Was konnte bisher schon erledigt werden und in welchen Bereichen sehen Sie den schnellsten Handlungsbedarf?

Bislang setze ich ja noch Projekte um, die mein geschätzter Vorgänger Hans-Peter Lehmann mit dem Gemeinderat noch auf den Weg gebracht hat. Hierzu gehört die Erschließung des Neubaugebiets „Spitzäcker“ in Ehingen, die in Kürze vollendet sein wird. Dazu gehört auch die Fortführung der Planungen der Sanierung der Schloßstraße. Hierzu wird am 6. Oktober eine Bürgerinformationsveranstaltung stattfinden. Das Wohnprojekt im Alter am Alten Sportplatz nimmt Konturen an. Der Bauträger bereitet gerade das Grundstück vor. Auch hier wird spätestens Anfang November ebenfalls eine Bürgerinformationsveranstaltung stattfinden. Vergangene Woche hat die Feuerwehr das neue MLF (Mittleres Löschfahrzeug) für den Löschzug Ehingen in Empfang genommen. Eine erhebliche Investition in die Sicherheit der Bevölkerung. Der Gemeinderat hat Mittel zur Neuaufstellung der Homepage zur Verfügung gestellt. Hier sind wir intensiv dran, damit wir zu Beginn 2022 diese onlinestellen können. In der ersten Sitzung nach der Sommerpause wird der Gemeinderat über die Einrichtung von gärtnerbetreuten Grabfeldern auf beiden Ortsteilfriedhöfen beraten und entscheiden dürfen. Ich würde mich freuen, wenn wir dieses Projekt angehen könnten.

Wo soll sich die Gemeinde hinentwickeln und welche Maßnahmen gilt es in den nächsten Jahren besonders zu meistern?

Die Gemeinde Mühlhausen-Ehingen hat, was die Einwohnerzahl anbelangt ein stetiges, aber auch gesundes Wachstum, verzeichnen können. Diese Entwicklung gilt es beizubehalten. Mühlhausen-Ehingen wird das aus meiner Sicht durch die strategisch günstige Lage auch schaffen. Es gilt dabei Schritt zu halten, was die Bereitstellung von bedarfsgerechten Kindergartenplätzen anbelangt. Die Grundschule ist heute bereits Ganztagesschule und genießt qualitativ einen hervorragenden Ruf. Hier gilt es für uns als Schulträger, Rektorin Christina Gnirss und ihr Kollegium bestmöglich zu unterstützen. Natürlich möchten wir auch in puncto Gewerbe proaktiv unterwegs sein und eventuell auch touristisch einen ersten Schritt gehen.

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie bisher gesammelt?

Hier kann ich wirklich nur von positiven Erfahrungen berichten. Natürlich hatte auch ich in den ersten 100 Tagen schon Gespräche, bei denen es unterschiedliche Standpunkte gab. Diese Gespräche fanden aber bisher trotzdem mit großem Respekt statt. Ansonsten bin ich einfach nur froh und dankbar, dass man wieder langjährigen Hochzeitspaare besuchen und die Glückwünsche überbringen kann und auch etliche Vereine bereits wieder ihre Jahreshauptversammlungen abgehalten haben. Das sind sehr schöne Begegnungen, die ich sehr schätze und auf die ich mich weiter freue.

Die Vereine prägen das Gemeindeleben entscheidend mit. Wie froh sind Sie, dass nach der langen Corona-Pause die Aktivitäten der Vereine langsam wieder Fahrt aufnehmen?

Mühlhausen-Ehingen lebt ganz klar von den Aktivitäten der Vereine. Egal ob dies kulturell, sportlich oder sozial zu sehen ist. Schön, dass der Musikverein Mühlhausen sein kleines Schulhofkonzert zum besten geben konnte. Schade, dass das Picknick-Konzert der Musikkapelle Ehingen ins Wasser fiel. Hoffen wir aber, dass der Herbstfesthock mit meinem ersten Bieranstich mit der Dorfgemeinschaft am nächsten Wochenende gefeiert werden kann. Bei den zwei Heimspielen des SV Mühlhausen hat man die Freude spüren können, dass man endlich wieder auch regionalen Fußball sehen und eine Stadionwurst genießen kann. Mit Vorfreude schaue ich auch dem Heimspielauftakt des TV Ehingen am 26. September entgegen. Aber auch die vielen anderen Vereine, Gruppierungen und Organisationen entwickeln wieder zunehmend Aktivitäten und das freut mich sehr, da dies für die Gemeinschaft in Mühlhausen-Ehingen elementar ist.

Was wünschen Sie sich persönlich und den Mitbürgern für Ihre Zukunft?

Ich wünsche mir einfach, dass wir alle mit dem notwendigen Respekt in einer immer rauer werdenden Welt miteinander umgehen und dass die Gemeinde Mühlhausen-Ehingen mit ihren liebenswerten Einwohnerinnen und Einwohner vor solch schweren Unwetterereignissen, wie wir es vor kurzem leider erleben mussten, weitestgehend verschont bleibt. Dies alles gepaart mit der bestmöglichen Gesundheit und Schaffenskraft. Alles andere kommt dann fast von ganz allein.

Fragen: Albert Bittlingmaier