Homeoffice, Click and Collect und nächtliche Ausgangssperren – in Deutschland gibt es genügend Konzepte, um das Infektionsgeschehen so gering wie möglich zu halten. Während überall darauf geachtet wird, die Kontakte zu minimieren, tagen Gemeinderäte in und um Radolfzell immer noch in Präsenz. Aber ist das wirklich notwendig? Systeme, um Sitzungen online abzuhalten gibt es jedenfalls.
Patrick Krauss, Bürgermeister in Moos, berichtet: „Um Sitzungen online abzuhalten müssten wir die Geschäftsordnung ändern. Bevor wir das tun, wollen wir aber erst ein neues System einführen.“ Bisher sei vor jeder Sitzung massig Papier an die Gemeinderäte raugegangen. „Momentan sind wir dabei, das Ganze zu digitalisieren.“ In Zukunft sollen die Unterlagen als PDF-Dateien auf einen Server hochgeladen werden, damit sich die Räte die Dokumente auf ihre mobilen Geräte laden können – das alles per App.
Eine digitale Sitzung erfordert einen völlig neuen Ablauf
„Wir arbeiten mit dem Unternehmen comundus regisafe zusammen, um das Schritt für Schritt umzusetzen. Formelle Fehler währen fatal“, erklärt Krauss. Die Arbeit mit der App sei ein völlig neuer Arbeitsablauf und könne nicht von heute auf morgen eingeführt werden, da die Gemeinderäte zuerst geschult werden müssten. Trotz des digitalen Fortschritts bevorzugt der Mooser Bürgermeister Sitzungen in Präsenz: „Der Austausch untereinander fehlt online einfach. Und Abstimmungen gehen in Präsenz auch besser.“ Bei Online-Sitzungen sei die Ablenkung höher, auch wenn Videokonferenzen „wahnsinnig effizient“ seien.
Andreas Schmid, Bürgermeister in Öhningen, ergänzt: „Der persönliche Kontakt ist für uns sehr wichtig.“ Er habe im Gemeinderat über die digitale Alternative abstimmen lassen. „Dabei kam heraus, dass wir so lange wie möglich in Präsenz tagen wollen.“ Vor den Sitzungen werde aber versucht, so viel wie möglich per Email-Verkehr abzuklären, sodass die Sitzungen nicht unnötig in die Länge gezogen würden. Schmid erklärt weiter: „Wahlen dürfen wir laut unserer Geschäftsordnung nicht online stattfinden lassen.“
Halle in Wangen ist ein guter Kompromiss
Die Halle in Wangen sei aber ohnehin recht groß und gut belüftbar. „Die Hälfte der Fensterfront kann bei Bedarf geöffnet werden.“ Bevor die Gemeinderatssitzungen aber ausfallen, wolle er sie online durchführen. Er fasst zusammen: „Wir werden die Infektionszahlen weiter beobachten und wenn es schlimmer wird, müssen wir einen digitalen Weg einschlagen. Der Aufwand ist für uns als kleine Kommune aber schwer zu stemmen.“
In Gaienhofen seien die Gemeinderatssitzungen dagegen momentan ausgesetzt. Bürgermeister Uwe Eisch schreibt: „Die Gemeinderatssitzungen fanden bisher nach Möglichkeit mit Testung und Hygienekonzept in Präsenz statt. Momentan haben wir das aufgrund der Corona-Lage ausgesetzt.“
Auch sie müssten laut Geschäftsordnung des Gemeinderats zuerst die Hauptsatzung der Gemeinde ändern, damit virtuelle Sitzungen rechtlich zulässig seien. „Dies wird zeitnah geschehen und wir werden dann auch Sitzungen online abhalten – je nach Infektionsgeschehen.“ Der Gaienhofener Gemeinderat wird am kommenden Dienstag, 18. Mai, 18 Uhr darüber abstimmen, ob künftig virtuelle Gemeinderatssitzungen möglich sein werden.
Hybrid-Sitzungen nur in absoluten Ausnahmen
Die Stadtverwaltung Radolfzell teilt mit: „Der neue Paragraph 37a der Geschäftsordnung des Gemeinderats gibt den Städten und Gemeinden die Möglichkeit Gremiensitzungen als Video- oder Hybridsitzung durchzuführen.“ Jedoch müssten Gremiensitzungen auch nach der Anpassung der Gemeindeordnung weiterhin als Präsenzsitzung durchgeführt werden. Die Möglichkeit der Video- und Hybridsitzung dürfe nur in absoluten Ausnahmefällen genutzt werden: „Darauf hat der Landesgesetzgeber mehrfach hingewiesen.“
Als Ausnahme könne die Corona-Pandemie zwar gewertet werden, aber nicht in jedem Fall und zu jedem Zeitpunkt. „Vielmehr müssen auch stets das aktuelle Infektionsgeschehen sowie die möglichen und ergriffenen Hygienemaßnahmen berücksichtigt werden“, heißt es in der Stellungnahme weiter. „Die Stadt Radolfzell hat zum Gesundheitsschutz der Gremienmitglieder, der Verwaltungsmitarbeiter und anderer möglicher Teilnehmer mehrere Lösungen eingeführt.“
Während es in anderen Städten und Gemeinden der Öffentlichkeit schon länger gestattet ist, per Videokonferenz den Sitzungen beizuwohnen, heißt es in Radolfzell nur: „Aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage sei eine Live-Übertragung für die interessierte Öffentlichkeit aktuell nicht gestattet.“