Nachdem Angelika Haarbach die Ratoldus Gemeinschaftsschule im Sommer verließ, um vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, war eine ganze Weile lang unklar, wer ihre Position als Schulleiterin übernehmen wird. Zu Beginn des neuen Schuljahres wurde die Einrichtung daher zunächst kommissarisch geleitet. Mittlerweile gibt es jedoch Klarheit: Am 20. Oktober ist Nuria Loewen, die seit 2019 an der Ratoldusschule unterrichtet, offiziell zur Schulleiterin bestellt worden. Davor war sie als Abteilungsleiterin schon Teil des erweiterten Schulleitungsteams.
Gute Zusammenarbeit im Team
Die Freude über ihre Ernennung ist bei der 37-Jährigen „sehr, sehr groß“, wie sie sagt. „Mein Fernziel war immer Schulleiterin.“ Nur, dass es so schnell damit klappen würde, damit habe sie nicht gerechnet. Aber nicht nur Nuria Loewen selbst freut sich über ihre Ernennung. „Ich habe mich sehr über ihre Entscheidung gefreut, sich zu bewerben, und noch mehr, dass sie die Stelle bekommen hat“, sagt Katharina Schmal mit, die als Konrektorin eng mit ihr zusammenarbeitet.
Genau das sei übrigens ein Grund gewesen, weshalb sie Leiterin der Radoldusschule werden wollte, erklärt Nuria Loewen. Zusammen mit Katharina Schmal bilde sie ein „extrem gutes Team“, und auch mit den übrigen Kollegen sei die Zusammenarbeit sehr gut. Es gebe verschiedene Kompetenzbereiche, sie müsse also gar nicht alles selbst machen. Man helfe sich untereinander und tausche sich aus. „Diese Voraussetzung hat Frau Haarbach schon geschaffen, ich wusste ja, was mich erwartet.“
„Schule sollte die Gesellschaft abbilden“
Dass Nuria Loewen für das Format Gemeinschaftsschule brennt, wird im Gespräch mit ihr sofort klar. Ganz bewusst habe sie sich als ausgebildete Gymnasiallehrerin in den Fächern Deutsch und Englisch nach dem Referendariat in Steißlingen beworben. „Eine neue Schulform so aktiv zu gestalten – wann hat man denn dazu schon die Gelegenheit?“, begründet sie ihre Entscheidung. Und nachdem sie nach einer Elternzeit beschloss, die Schule zu wechseln und anderswo neue Erfahrungen zu machen, sei ihr auch klar gewesen: „Ich will wieder an eine Gemeinschaftsschule.“ So kam sie nach Radolfzell.
„Ich glaube, dass Schule so sein und die Gesellschaft abbilden sollte“, sagt sie über die Schulform. „Wenn man will, dass Kinder tolerant, demokratisch und sozial sind, dann muss man Vielfalt nicht als Hindernis, sondern als Bereicherung sehen.“ Sie finde es eigenartig, dass Kinder nach der Grundschule selektiert und auf Gymnasium, Realschule und Hauptschule aufgeteilt werden. „Ich sehe es so oft, dass die Empfehlung gar nicht zutrifft und sich die Schüler noch entwickeln“, beklagt sie. „Schule sollte stärkenorientiert sein.“ Genau das biete eine Gemeinschaftsschule.
Sie räumt ein, dass an einer Gemeinschaftsschule sei „mit Sicherheit nicht alles leicht“ sei. Es sei immer schwer, allen gerecht zu werden. Außerdem müsse sich die Ratoldusschule weiter ihren Platz in der Schullandschaft erkämpfen, da gegenüber den neuen Ansätzen, die die Gemeinschaftsschule von anderen Einrichtungen unterscheidet, noch Skepsis herrsche. Für die Lehrkräfte sei das eine Herausforderung.
„Ich bin von Herzen Lehrerin“
Für ihre eigene Arbeit sieht Nuria Loewen es als Vorteil, dass sie vier Kinder im Alter von zehn, sieben, sechs und drei Jahren hat. Sie selbst habe als Mutter einen ganz anderen Blick auf die Anliegen der Kinder und der Eltern. „Da ist ein ganz anderer Berührungspunkt da“, sagt sie. „Das macht das Miteinander verständnisvoller.“
Aber auch anderswo sind ihr gemeinsame Berührungspunkte wichtig – nämlich mit ihren Kollegen. Sie wolle neben ihrer Schulleitertätigkeit weiter unterrichten und einen Einblick in die Unterrichtsrealität behalten. „Ich will ja die Schule für die Schüler und Kollegen gestalten“, sagt sie. „Da muss ich ja einen Bezug haben zu deren Realität.“ Durch ihren engen Kontakt habe sie etwa erfahren, dass Nachhaltigkeit den Schülern sehr wichtig sei. „Das muss man ja erst einmal irgendwie erspüren.“ Außerdem wolle sie das Unterrichten selbst nicht missen: „Ich bin von Herzen Lehrerin“, betont Nuria Loewen.
Sie sprudelt vor Ideen – aber will es langsam angehen lassen
Für die Zukunft hat die neue Schulleiterin einiges geplant: „Ich bin jemand, der vor Ideen sprudelt“, sagt sie über sich. Dennoch wolle sie nichts übereilen. Weil die Gemeinschaftsschule noch jung sei, habe es an der Ratoldusschule in der Vergangenheit viele Umbrüche, Wachstum und Änderungen gegeben. „Jetzt braucht es erst einmal eine gewisse Ruhe“, ist Nuria Loewen überzeugt. „Wir haben auf jeden Fall Entwicklungsfelder. Aber gut Ding will auch Weile haben.“
Vorgenommen hat sie sich und ihrem Team aber dennoch einiges. So wolle sie unter anderem die das Profil der Ratoldusschule schärfen und sie gerne zu einer Schule mit Schwerpunkt Kunst und Kultur machen. Außerdem wolle sie die SMV-Arbeit ausbauen und damit die Demokratiebildung und die Mitverantwortung der Schüler stärken. Auch das Miteinander solle weiter eine große Rolle spielen. „Mir ist es ganz wichtig, dass wir uns mit der Schule identifizieren. Dass wir uns als eine Schule verstehen und für einander da sind.“ Möglich sei das etwa durch gemeinschaftliche Aktionen, an denen die ganze Schule teilnehme. Und auch das Patensystem von älteren für jüngere Schüler solle ausgebaut werden. „Wir heißen Gemeinschaftsschule und da sollten wir auch eine Gemeinschaft sein“, betont Nuria Loewen.
Corona bringt Herausforderungen
Dass sie ihre Arbeit als Schulleiterin inmitten der Corona-Pandemie aufgenommen hat, versucht die 37-Jährige sportlich zu sehen. „Das ist natürlich eine deutliche Mehrbelastung für alle“, sagt sie zwar. Allerdings sei sie schon vor ihrer Ernennung zur Schulleiterin als Mitglied des erweiterten Schulleitungsteams in die Corona-Abläufe stark involviert gewesen. Und obwohl Nuria Loewen die Digitalisierung auch als ein Entwicklungsfeld an der Schule sieht, habe es an der Ratoldusschule recht gute Voraussetzungen für einen Unterricht unter Corona-Bedingungen gegeben: „Wir haben eine relativ gute Ausstattung und ein sehr digitalaffines Team“, freut sie sich. „Das hat viel erleichtert.“
Trotzdem sieht sie Schwierigkeiten in der Zukunft. Gravierend seien die emotionalen Folgen der Pandemie, es sei auch danach noch wichtig, gut auf die Schüler zu schauen. Eine große Herausforderung werde es in den kommenden Jahren sein, „diese Defizite aufzuarbeiten“.