Für einen der Angeklagten endete der Drogenhandel-Prozess am Landgericht Konstanz glücklich: Ein 38-Jähriger aus Radolfzell wurde freigesprochen, noch im Verhandlungssaal nahmen Polizeibeamte ihm die Fußfesseln ab, die er tragen musste, weil er sich in Untersuchungshaft befand.

Sein 33-jähriger Bruder sowie zwei weitere Angeklagte im Alter von 34 und 38, die in Radolfzell und Engen wohnen, hatten weniger Glück und wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Den vier Männern war Drogenhandel im großen Stil vorgeworfen worden. Es ging um Cannabis, Kokain und Amphetamine.

Mittäter oder ahnungsloser Mitbewohner?

Drei Tage nahm die Verhandlung in Anspruch, in den meisten Anklagepunkten waren die drei schlussendlich auch verurteilten Männer geständig – nur 38 Jahre alte Bruder hatte durchgehend bestritten, etwas mit den Drogengeschäften seines 33-jährigen Bruders zu tun gehabt zu haben. Auch während die übrigen Angeklagten vor der Urteilsverkündung ihr Recht auf das letzte Wort dafür nutzten, ihre Reue zum Ausdruck zu bringen und zu beteuern, in Zukunft ein drogenfreies Leben führen zu wollen, betonte er erneut seine Unschuld.

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Die Staatsanwaltschaft wollte ihm das aber nicht glauben. Der 38-Jährige habe im Elternhaus Bad und Küche mit seinem Bruder geteilt. „Es ist realitätsfern, dass man sich nur da aufgehalten und sonst nichts mitbekommen hat“, war die Staatsanwältin überzeugt. Zudem sei das Fahrrad des 38-Jährigen in einem Schuppen untergebracht worden, der als Drogenlager genutzt wurde. Sie sei daher überzeugt, dass es sich bei dem Mann um einen Mittäter handelt und forderte drei Jahre und drei Monate Haft. Der Angeklagte kommentierte die Ausführungen mit Kopfschütteln.

Keine Beweise für eine Mittäterschaft

Auch sein Anwalt hielt dagegen: Es gebe keinen Beweis dafür, dass der 38-Jährige an den Drogengeschäften seines Bruders beteiligt gewesen war. Zwar seien in seinen Wohnräumen Samen gefunden worden, allerdings sei unklar, ob diese wirklich von Cannabis-Pflanzen stammen. Auch bei gefundenen Stempeln, mit dem man Ecstasy-Tabletten herstellen und prägen kann, sei nicht klar, dass sie mit den Drogengeschäften zu tun hatten. Tabletten, die in dem Schuppen gefunden worden waren, hätten ganz andere Stempelmuster aufgewiesen.

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Auch, dass der 38-Jährige mit einem Fahrrad und einem gefülltem Rucksack unterwegs gewesen, dann aber mit einem leeren Rucksack zurückgekehrt sei, habe nicht nachweislich etwas mit Drogen zu tun. Ebenso wie mehrere Tausend Euro, die gefunden worden waren. Auch, ob der 38-Jährige überhaupt von den Drogengeschäften seines Bruders gewusst habe, sei umstritten – und selbst, wenn doch: „Das bloße Wissen über Taten anderer macht ihn nicht zum Mittäter“, betonte der Anwalt und fasste zusammen: „“Es mag alles zum Himmel stinken, aber wir wissen es nicht, also gilt im Zweifel für den Angeklagten.“

„Es kann Ihnen egal sein, ob uns das gefällt oder nicht“

Zum gleichen Schluss kam auch das Gericht. Zwar betonte der Vorsitzende Richter Joachim Dospil, die Fahrradfahrten mit dem Rucksack sowie die undurchsichtige Herkunft des Geldes würden dem Gericht nicht gefallen. „Aber es kann Ihnen egal sein, ob uns das gefällt oder nicht.“ Dass es sich bei dem 38-Jährigen wirklich um einen Mittäter handelte, könne nicht nachgewiesen werden. Für die Zeit, die er in Untersuchungshaft verbracht hat, steht ihm eine Entschädigung zu.

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Weniger Grund zur Freude hatten die übrigen drei Angeklagten. Der 33-Jährige wurde zu drei Jahren und sechs Monaten Haft, der 34-Jährige zu drei Jahren Haft und der zweite 38-Jährige zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt – bei letzterem war von der Staatsanwaltschaft zuvor für eine Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten plädiert worden. Bei allen wurde eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Bewaffnetes Handeltreiben, das von der Staatsanwaltschaft angenommen worden war, konnte dem 33-Jährigen laut Dospil nicht nachgewiesen werden. Seine Strafe blieb daher deutlich unter den geforderten fünf Jahren und neun Monaten Haft.

Auch der 34-Jährige wurde schlussendlich weniger hart geahndet – die Staatsanwaltschaft hatte ein Strafmaß von vier Jahren und drei Monaten gefordert. Seine Anwälte hatten vor der Urteilsverkündung erneut betont, ihr Mandant sei von einem verdeckten Ermittler zum Verkauf größerer Mengen Cannabis sowie zum Verkauf anderer Drogen gedrängt worden. Das Gericht folgte dieser Ansicht. Der 34-Jährige habe selbst wenig Initiative gezeigt, die geforderte große Menge Drogen wirklich zu beschaffen, sei vom Ermittler aber erneut kontaktiert worden. Damit habe er ihn angestiftet, die Tat zu begehen.

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Strenge Worte fand Joachim Dospil dafür zum Umstand, dass der 34-Jährige sich bereits wegen einer anderen Tat auf Bewährung befand. „Das hat Sie aber offensichtlich nicht dazu bewogen, Ihr Leben zu ändern“, rügte er den Angeklagten. Nun könnte die Bewährungsstrafe noch zu seiner dreijährigen Haftstrafe hinzugerechnet werden. „Und da hält sich mein Mitleid in Grenzen“, so der Vorsitzende Richter.

Die Erfolgsaussichten einer Drogentherapie sah das Gericht als hoch an, ohne sie bestehe aber die Gefahr, dass es nach der Entlassung wieder zu Drogengeschäften kommt. „Ich hoffe, dass Sie möglichst in Zukunft ohne Drogen durchs Leben kommen“, wandte sich Dospil zum Abschied an die Angeklagten.