Sie war vermutlich der erste grenzüberschreitende Fall für das Schweizer Contact-Tracing-Team. So erklärt das Schaffhauser Gesundheitsamt, warum im Fall einer Frau aus Büsingen manches noch nicht rund lief. Ein Arbeitskollege der Frau war vor wenigen Wochen am Coronavirus erkrankt, doch erst auf eigene Initiative wurde die Frau in Schaffhausen getestet. Sie begab sich in Quarantäne – auf Empfehlung der Schweizer Behörden, aber ohne Wissen des deutschen Gesundheitsamts. „Ich habe mich allein gelassen gefühlt“, sagt sie heute.
Behörden auf deutscher und schweizerischer Seite bestätigen, dass es Verbesserungsbedarf gibt. In einem internationalen Austausch von benachbarten Landkreisen und Kantonen soll die Zusammenarbeit künftig gestärkt werden, ein erstes Treffen dafür fand am Mittwoch statt.
Deutsche Behörden wissen nichts von Risikokontakt und Quarantäne
„Mein Name war in Deutschland nicht bekannt“, sagt die Frau, die in Büsingen wohnt und im Kanton Zürich arbeitet. Es liegen zwar nur wenige Kilometer zwischen ihrem Wohnort und ihrem Arbeitsplatz, aber eben auch die Landesgrenze zur Schweiz. Von ihrem Vorgesetzten habe sie erfahren, dass sie nach einem Gesprächstermin mit Corona infiziert sein könnte. Auf einen Anruf Schweizer Behörden habe sie aber vergeblich gewartet, also meldete sie sich selbst bei der Corona-Hotline in Schaffhausen. Die wusste nichts von dem Verdachtsfall im Nachbarkanton, testete sie aber schließlich. Das Ergebnis lag am nächsten Abend vor: negativ. Dennoch sollte sie sich in Quarantäne begeben, weil das Virus noch hätte ausbrechen können.
Die vom Spital in Schaffhausen zugesagten Informationen seien erst eine Woche nach dem Test im Briefkasten gewesen – mit dem Hinweis, dass sie sich beim deutschen Gesundheitsamt melden soll. Dort habe niemand davon gewusst, dass sie sich in Quarantäne befand. Ihre Erlebnisse hätten ein so ungutes Gefühl hinterlassen, dass sie nun die Öffentlichkeit informieren will. Allerdings ohne ihren Namen zu nennen, weil sie weiterhin in der Schweiz arbeiten möchte und Einschränkungen fürchtet.

Den richtigen Ansprechpartner zu finden, fällt schwer
Dem SÜDKURIER geht es ähnlich wie der Betroffenen: Es ist nicht leicht, den richtigen Ansprechpartner zu ermitteln. Das Bundesamt für Gesundheit verweist auf den Kanton und der Kanton Zürich verweist auf das Spital Schaffhausen, wo sich die Büsingerin auf dem Heimweg testen ließ. Das Spital wiederum verweist auf das Gesundheitsamt und Contact-Tracing-Team des Kantons Schaffhausen. Manuel Morales ist stellvertretender Leiter dieses Teams und der Corona-Hotline, er kann Licht ins Dunkel bringen: Die Kontakt-Rückverfolgung ist in der Schweiz kantonal geregelt. Deshalb sei die Büsingerin in Schaffhausen nicht bekannt gewesen, nachdem sie im Kanton Zürich einen Risikokontakt hatte. Kontaktiert werde häufig auch nur, wer länger als fünf Minuten und näher als 1,5 Meter mit einem Infizierten zu tun hatte. Bei einem Gesprächstermin sei das möglicherweise nicht der Fall.
Schweizer können Quarantäne in Deutschland nur empfehlen
Morales möchte aber nicht für seine Kollegen sprechen. Er erklärt, was in Schaffhausen schief gelaufen ist. Ende Juli habe es einen ersten grenzüberschreitenden Fall gegeben – dabei handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Büsingerin. „Es kann sein, dass die Abwicklung deshalb länger gedauert hat als sonst. Bei uns geht das innerhalb von 24, höchstens 48 Stunden.“ Doch in dem Fall habe man noch abklären müssen, was die Schweizer Behörde machen soll und kann: Sie könne für den deutschen Wohnort keine Quarantäne anordnen, sollte aber die deutschen Behörden informieren. Es könne sein, dass das in diesem Fall nicht oder verspätet geschehen sei, räumt er ein.
Landratsamt weiß von acht Menschen, die sich in Schweiz infiziert haben
„Der Austausch funktioniert gut. Es gibt aber noch Verbesserungsbedarf“, sagt Marlene Pellhammer als Pressesprecherin des Landratsamts Konstanz. „Die Schweizer Behörden melden uns Erkrankte und relevante Kontaktpersonen, sofern sie ihren Wohnsitz in unserem Landkreis haben und umgekehrt.“ Die Schweiz erfahre beispielsweise, wenn ein Grenzgänger in Deutschland positiv getestet wurde und an seiner Schweizer Arbeitsstelle ein Risiko sein könnte. „Seit Beginn der Pandemie haben sich unserer Kenntnis nach insgesamt acht Personen aus dem Landkreis in der Schweiz angesteckt.“
An wen Grenzgänger sich wenden sollen
Pellhammer empfiehlt Grenzgängern: „Wenn an ihrem Arbeitsplatz Covid-19 aufgetreten ist, so sollen sie sich mit ihrem Arbeitgeber und dem Gesundheitsamt des Wohnortes in Verbindung setzen.“ Das Landratsamt bedaure übrigens, dass die Corona-App nicht grenzüberschreitend funktioniere, sagt die Pressesprecherin. Und sie stellt klar: Es gelten die Vorschriften am Wohnort. Wer in Deutschland wohnt, muss daher mit 14 Tagen vier Tage länger in Quarantäne als im Nachbarland.
Inzwischen klappt die Zusammenarbeit reibungsloser, heißt es
„Zum Glück war ich nicht wirklich an Corona erkrankt“, sagt die Büsingerin. Von deutschen Behörden habe sie rasch Informationen erhalten, sodass die offenen Fragen weniger wurden. Nun ist auch klar: „Mittlerweile sind die Prozesse optimiert und wir hatten einige Fälle, in denen es reibungsloser funktioniert hat“, wie Manuel Morales erklärt. „Zu verbessern gibt es da sicher den ein oder anderen Punkt“, sagt die Betroffene. Doch es sei gut, wenn die Behörden aus ihrem Fall gelernt hätten.
Situation in der Schweiz
- Die Kommunikation zwischen Kanton und Landkreis findet laut Manuel Morales vom Schaffhauser Contact Tracing meist per Mail statt. Bei Grenzgängern, die in der Schweiz arbeiten, kontaktiere sein Team zusätzlich den Betroffenen und empfehle eine Quarantäne – vorschreiben könne das eine Schweizer Behörde aber nicht für den deutschen Wohnort. Marlene Pellhammer vom Landratsamt Konstanz bestätigt einen Austausch telefonisch, per Fax und verschlüsselt per E-Mail.
- Ein Corona-Test sei für Deutsche in der Schweiz grundsätzlich möglich, erklärt Morales. Die Kosten übernehme der Schweizer Bund dann, wenn Symptome vorliegen. Allerdings brauche es eine telefonische Voranmeldung über die Corona-Hotline des jeweiligen Kantons.
- Die Infektionszahlen in Schaffhausen steigen in den vergangenen Tagen wieder, wie Manuel Morales erklärt: In den vergangenen sieben Tagen habe es 13 Neu-Infektionen gegeben. Außerdem seien aktuell 20 Menschen in Isolation, außerdem 45 in Quarantäne. Dazu kommen 84 Rückreisende aus Risikogebieten, die ebenfalls in Quarantäne sind.