Die Sorge in der Singener Karstadt-Filiale unter den etwa 80 Beschäftigten sowie Vertretern des Handels und der Stadt ist groß: Der Kaufhaus-Konzern Galeria Karstadt Kaufhof mit Sitz in Essen hat erneut Insolvenz beantragt. Das weckt Erinnerungen an das Jahr 2020: 40 Filialen mussten damals bundesweit schließen, weitere folgten. Auch Karstadt Singen hatte der Insolvenzverwalter damals das Aus verordnet.

In einer beispiellosen Gemeinschaftsaktion schafften es aber Vertreter des Kaufhauses und der Stadt Singen, auch mithilfe von gut 2000 Unterschriften, das Traditionskaufhaus zu retten. Dazu war vor allem ein Entgegenkommen von Frank Mattes, dem Geschäftsführer der Vermietergesellschaft, notwendig.

Nun schreckt aber die Ankündigung auf, dass von den 131 verbliebenen Karstadt-Filialen ein beträchtlicher Teil – die Zahl 40 wird genannt – geschlossen werden soll.

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Betriebsratsvorsitzende: Stimmung ist bedrückt

„Wir wissen außer über die Meldungen in den Medien von nichts“, erklärt Karin Greuter, Betriebsratsvorsitzende von Karstadt Singen auf Nachfrage. Auch der SÜDKURIER hat jüngst mehrfach über die Pläne des Konzerns berichtet. Sie könnten die weitere Existenz der regionalen Filialen in Singen und in Konstanz bedrohen. „Klar, die Stimmung unter den Beschäftigten ist bedrückt. Wie anders sollte dies sein, wenn sie solche negativen Nachrichten erreichen“, beschreibt Karin Greuter.

Karstadt Singen und das Einkaufszentrum Cano befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft im Herzen von Singen.
Karstadt Singen und das Einkaufszentrum Cano befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft im Herzen von Singen. | Bild: Bittlingmaier, Albert

Der Betriebsrat sei ständig in engem Austausch mit der Gewerkschaft Verdi. Die hatte schon vor zwei Jahren das Singener Haus im Bemühen um den Erhalt kräftig unterstützt. Auch diesmal will sie laut ihrer Ankündigung um jeden Standort kämpfen. Die Leitung der Karstadt-Filiale Singen konnte zu einer Stellungnahme nicht angefragt werden. Sie ist derzeit vakant.

Große Anziehungskraft trotz Cano

Beim Standort-Marketingverein Singen Aktiv läuten ebenfalls die Alarmglocken. „Der Erhalt von Karstadt wäre für die Einkaufsstandort Singen enorm wichtig. Das Kaufhaus hat trotz des Einkaufszentrums Cano noch eine große Anziehungskraft“, sagt Claudia Kessler-Franzen, Geschäftsführerin von Singen Aktiv und städtische Wirtschaftsförderin.

„Der Erhalt von Karstadt wäre für die Einkaufsstandort Singen enorm wichtig.“ Claudia Kessler-Franzen ist Geschäftsführerin ...
„Der Erhalt von Karstadt wäre für die Einkaufsstandort Singen enorm wichtig.“ Claudia Kessler-Franzen ist Geschäftsführerin von Singen aktiv | Bild: Arndt, Isabelle

„Karstadt hat seit Eröffnung in den 70er Jahren zu einem großen Schub der Einkaufsstadt Singen beigetragen und heute noch eine große Bedeutung für die Kundenfrequenz“, bestätigt Hans Wöhrle, Vorsitzender des Singener Einzelhandelsverbandes. Der Strukturwandel, dem der gesamte Handel vor allem durch die zunehmende Internet-Konkurrenz unterworfen werde, mache aber auch nicht vor Kaufhäusern Halt, so Wöhrle. Eine eingehende Beratung wertet er als wichtiger denn je, damit Geschäfte weiterbestehen könnten.

Über die Jahre wurde viel Personal eingespart

In der Singener Karstadt-Filiale herrscht nach wie vor ein reges Kunden-Aufkommen. Auffallend aber für jeden Besucher des Kaufhauses: In manchen Abteilungen, wie im Bereich Bekleidung, gibt es teils nur spärlich Beratungspersonal. Eine offensichtliche Entwicklung, die Helmut Wessendorf mit sehr kritischen Ausführungen auf den Plan ruft. Unter seiner Geschäftsführung hat Karstadt 1974 in Singen eröffnet.

Es begann 1974 mit 450 Mitarbeitern

„Nach 1945 waren die Warenhäuser maßgeblich dran beteiligt, dass Innenstädte aufgebaut und zu neuem Leben erweckt wurden. Die Macher in den Warenhäusern, vorrangig bei Karstadt, waren engagierte und gut ausgebildete Männer und Frauen, die vor allen Dingen Wünsche der Kunden kannten und mit ihnen in engem Kontakt standen. Dies war die Grundbasis für den Erfolg der Warenhäuser und des gesamten Einzelhandels“, so Wessendorf.

Der frühere Singener Karstadt-Filialleiter Helmut F. Wessendorf übt heftige Kritik an der Führungsetage des Konzerns. Sie habe ...
Der frühere Singener Karstadt-Filialleiter Helmut F. Wessendorf übt heftige Kritik an der Führungsetage des Konzerns. Sie habe jahrzehntelang die falsche Strategie und Personalpolitik betrieben, moniert er. | Bild: Trautmann, Gudrun

1973 sei er vom Vorstand der Karstadt AG mit der Neueröffnung der Filiale Singen betraut worden. „Es war damals noch alles im Rohbau und ich hatte bis zur Eröffnung im März 1974 genügend Gelegenheit, mir ein Verkaufsteam von 450 Mitarbeitern – heute sind es kaum noch 100 – aufzubauen. Kunden aus dem gesamten Hegau seien täglich gerne zu Karstadt gekommen.

„Somit war die Neueröffnung von Karstadt Singen sicherlich mit ein Grund, für die Initialzündung für den Handelsstandort Singen mit der höchsten Zentralitäts-Kennziffer“, sagt der frühere Karstadt-Filialleiter.

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In den 80er Jahren habe der Trend begonnen, sich von Fachleuten zu trennen und diese Positionen mit Finanzkünstlern und Quer-Einsteigern zu besetzen. „Man hat sich von Werbeagenturen und von Gutachtern tolle Verkaufserfolge vorgaukeln lassen, die sich jedoch meistens nicht einstellten. Fazit: Kosten mussten gesenkt werden“, blickt Wessendorf verärgert zurück. Ausgaben zurückschrauben sei am Besten und Schnellsten über den Personalabbau gegangen. Das habe sich sofort in positiven Renditezahlen niedergeschlagen.

Ex-Karstadt-Chef benennt eine Ursache

„Die Mitarbeiter haben sich größte Mühe gegeben, den Personalabbau zu überwinden, aber dann im Laufe der Jahre, Motivation verloren. So hart wie es ist, das klassische Warenhaus hat leider seine Chance durch falsche Führungskräfte im Konzern verloren“, bedauert Wessendorf.

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Die Stadt Singen reagiert mit einer Pressemitteilung auf die bedrohliche Lage: Mit großer Sorge beobachte die Stadt Singen die Entwicklung bei der Warenkaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Das Unternehmen plane eine Insolvenz im Schutzschirmverfahren, mindestens ein Drittel der Filialen soll schließen. Der Stadt Singen sei aktuell nichts von einer Schließung der Singener Karstadt-Filiale bekannt.

Situation hat sich seit 2020 noch verbessert

Anders als bei der angedrohten Schließung 2020 verfüge Karstadt Singen, nach der Neugestaltung der Innenstadt und des nahegelegenen Bahnhofsplatzes inklusive Busterminal, über einen 1-A-Standort in der Singener Fußgängerzone. Auch die Ansiedlung des Einkaufszentrums Cano gegenüber von Karstadt habe die Kundenfrequenz der Einkaufsstadt Singen noch einmal deutlich erhöht.

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Nah an der Schweizer Grenze gelegen gehöre Singen laut Zentralitätsziffer zu den fünf einkaufsstärksten Städten in ganz Baden-Württemberg, schreibt die Singener Verwaltung. Im Sinne der engagierten Beschäftigten hoffe die Stadt Singen auf einen Fortbestand der Karstadt-Filiale.