Im Hegau hat die Karriere des Ausnahme-Radlers Albert Fritz begonnen. In Jestetten ist Fritz aufgewachsen und wohnte, nicht zuletzt um den Militärdienst zu umgehen, überwiegend in Schaffhausen. Durch einen Freund kam er zum Radfahrerverein Lottstetten, mit dem er zahlreiche Rennen im Hegau bestritt.

Nach den ersten Siegen wechselte Fritz Anfang der 1960er Jahre zum Velo-Club Singen. Er trainierte auf der Singener Radrennbahn und nahm an den ersten Bahnradwettkämpfen teil. Im Jahr 1962 war er auch beim Länderkampf gegen die Schweiz dabei, zu dem 1500 Zuschauer kamen und der maßgeblich zur Popularität des Radsports in der Region beitrug.

Fritz war in verschiedenen Disziplinen sechsmal Deutscher Meister, Europameister im Zweier-Mannschaftsfahren, gewann drei Etappen der Tour de Suisse und startete bei der Tour de France. Mit 34 Siegen war er neben Klaus Bugdahl aber vor allem der erfolgreichste Sechstagefahrer Deutschlands.

Die deutsche Radsportlegende Albert Fritz hat erste Erfolge auf der Radrennbahn in Singen gefeiert.
Die deutsche Radsportlegende Albert Fritz hat erste Erfolge auf der Radrennbahn in Singen gefeiert. | Bild: Thomas Güntert

Sein Sohn Sebastian, selbst ambitionierter Hobby-Radrennfahrer, erinnert sich bei einem Treffen mit einer anderen Radsportlegende, dem Idol Dietrich „Didi“ Thurau, an einige Anekdoten aus dem Leben seines Vaters. Unbedingt habe er ihm das Rauchen verbieten wollen. Zu einem Stück Kuchen konnte er aber nicht Nein sagen. Die 100-Kilometer-Radtouren, die Sebastian Fritz als 15-Jähriger mit seinem Vater machte, hätten immer an seiner Lieblingsbäckerei in Rielasingen vorbeigeführt, wo er Kuchen essen wollte.

Der fast 90- jährige Kuno Bühler erzählte im Gespräch mit Sebastian Fritz von Erinnerungen an den berühmten Sechstagefahrer Albert Fritz.
Der fast 90- jährige Kuno Bühler erzählte im Gespräch mit Sebastian Fritz von Erinnerungen an den berühmten Sechstagefahrer Albert Fritz. | Bild: Thomas Güntert

Vermutlich aufgrund der besseren Trainingsbedingungen und Wettkampfmöglichkeiten wechselte Fritz später zum Stuttgarter SC, wo er die ersten richtig großen Erfolge feierte. Seine Beziehung zur Radsport-Interessengemeinschaft (RIG) Hegau und der Radrennbahn Singen blieben für Albert Fritz aber zeitlebens bestehen.

Sebastian Fritz (links) erzählte vieles aus dem Privatleben seines Vaters und die deutsche Radsportlegende Didi Thurau über die ...
Sebastian Fritz (links) erzählte vieles aus dem Privatleben seines Vaters und die deutsche Radsportlegende Didi Thurau über die Sechstagerennen, die er mit Albert Fritz gefahren ist. | Bild: Thomas Güntert

Als er 1968 trotz seiner Erfolge nicht zur Olympiade in Mexiko nominiert wurde, wechselte er ins Profilager, wo er sich in den 1980er Jahren voll auf das Sechstagegeschäft konzentrierte. „Ich habe tolle Erinnerungen an einen tollen Typ“, berichtet sein Weggefährte Dietrich „Didi“ Thurau. Als 22-jähriger blonder Engel aus Frankfurt gewann der inzwischen 70-Jährige bei seinem Tour-de-France-Debüt im Jahr 1977 vier Etappen und trug 15 Tage das Gelbe Trikot. Thurau löste in Deutschland damit eine Welle der Begeisterung aus, die nur noch von Boris Beckers Wimbledonsieg 1985 und dem Tour-de-France-Erfolg von Jan Ullrich im Jahr 1997 übertroffen wurde.

Ein erfolgreiches Duo

Auch Thurau wechselte in den lukrativen Sechstagezirkus, der eine Mischung aus Sport, Party und Show war. In den frühen 1980er Jahren gewann das Duo Thurau und Fritz im Team Portas-Didi-Thurau-Rad die Sechstagerennen in Zürich, Frankfurt, Bremen und wurden Deutsche Meister im Zweier-Mannschaftsfahren.

In ihrer intensivsten Phase sind sie im Winter 15 Sechstagerennen gefahren. Die konditionsraubenden Six Days gingen dienstags um Mitternacht zu Ende und das nächste startete bereits zwei Tage später. Nach Rennende, wenn in der Halle die Lichter gelöscht wurden, habe Fritz mit seiner Trompete oftmals zum „Il Silenzio“ angesetzt – und 300 Mark dafür bekommen. „Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke“, so Thurau.

Albert Fritz, der von seinen Fans „Betonfuß“ oder „Pokerface Ali“ genannt wurde, hatte von den Stürzen auf dem Holzoval etliche Narben davongetragen und die verrauchten Hallen waren auch nicht gut für die Gesundheit. „Wir trugen Angora-Unterhemden, die waren nach den Rennen gelb vom Nikotin“, erinnerte sich Thurau.

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Albert Fritz führte nach seinem Karriereende in Neuhausen am Rheinfall ein Fahrradgeschäft, zu dessen Eröffnung sein Freund, die italienische Radsportlegende Francesco Moser extra aus dem Trentino kam. Später gab Fritz das Geschäft auf und war auf Mallorca bei Bicycle Holidays, einem Radtourismus Unternehmen des ehemaligen Steher-Weltmeisters Max Hürzeler, als Tour Guide tätig.

„Ich besuchte Albert zu seinem 70. Geburtstag in Mallorca und wir fuhren dort unsere letzte gemeinsame Radtour“, erinnert sich Thurau. 2019 ist Fritz gestorben und heute auf dem Friedhof in Jestetten beigesetzt. Dort hatten sich Fritz Sohn Sebastian und Dietrich Thurau jetzt im Pfarrsaal getroffen, um an die in Vergessenheit geratene Radsportlegende zu erinnern.