Ein leerer Bus steht einsam auf dem Gelände. Überall liegen Trümmerhaufen. Die Stadt ist verlassen. Wer jetzt an ein Endzeit-Szenario denkt, der kann beruhigt aufatmen. Es handelt sich hierbei nur um eine Katastrophenübung. Dennoch sieht man diese Ausmaße nicht alle Tage: unter möglichst realen Bedingungen haben Ende Oktober Blaulichtorganisationen aus verschiedenen Ländern an der europäischen Großübung in Baden-Württemberg teilgenommen. Das Szenario? Ein Erdbeben der Stärke 6,9 auf der Richter-Skala. Mit dabei waren am Übungsort Mosbach Ralf Homburger, vom gleichnamigen Bestattungshaus in Singen und Hilzingen, gemeinsam mit Leon Homburger und Tom Wagner als Teil des Notfallteams der Landesinnung der Bestatter Baden-Württemberg.
Vom 24. bis 26. Oktober hat die Katastrophenschutzübung „Magnitude 2024“ im Großraum Karlsruhe stattgefunden. Die Übung ist laut Innenministerium ein partnerschaftliches Projekt der EU, bei dem rund 1000 Einsatzkräfte aus Deutschland, Österreich, Griechenland, der Schweiz und Frankreich den Ernstfall üben konnten. Übungsorte waren Mosbach, Mannheim, Bruchsal, Schwarzach und Neckarelz.

In Mosbach wurde auf einem ehemaligen Kasernengelände mit einer installierten Trümmerstrecke der Schwerpunkt Bergung und Versorgung verletzter Menschen geübt. Hier galt es, nach schweren Gebäudeschäden an allen drei Übungstagen verschüttete und vermisste Menschen zu suchen, zu sichern und aus den teils meterhohen Trümmerbergen und eingestürzten Gebäuden zu retten.
„Wir konnten die physische als auch psychische Unterstützung der Hilfskräfte vor Ort beim Bergen von Verstorbenen, als auch die eigenständige Bergung aus Trümmern üben“, sagt Ralf Homburger. Wichtig sei für das Team gewesen, in Zusammenarbeit mit der Polizei den Toten wieder einen Namen zu geben und sie dabei so würdevoll, wie es in einer derartigen Lage möglich sei, auf ihrem letzten Weg zu begleiten, erklärt der 54-Jährige.
Denn bei großen Schadenslagen sei immer davon auszugehen, dass viele freiwillige Helfer eingesetzt werden. „Die Bilder, die es zu sehen und zu verarbeiten gilt, sind meist nicht schön. Vieles ist unerwartet und wenn beispielsweise eine junge Feuerwehrfrau oder ein junger Feuerwehrmann, die bisher noch keinen Verstorbenen gesehen haben, in so einen Einsatz kommen, ist dies schon eine erhebliche psychische Belastung“, sagt der Bestatter. „Genau da liegt unser Ansatz, denn in großen Schadenlagen sollten die Rettungskräfte möglichst ihren Fokus auf das Retten legen.“ Die Bergung von Verstorbenen könne zu einem frühen Zeitpunkt durch Bestatter erfolgen. Dies entlaste dann auch physisch.
Die Magnitude sei eine Großübung gewesen, die es in dieser Dimension in Deutschland noch nie gegeben habe. Homburger selbst sei seit 37 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr, einen Einsatz in dieser Größe habe er jedoch noch nie erlebt. „1000 Helferinnen und Helfer mit unzähligen kleinen und großen Fahrzeugen, schweren Geräten, Rettungsfahrzeugen, Helikoptern – das war unglaublich“, schildert Ralf Homburger seine Eindrücke im Nachgang. Beeindruckend sei vor allem der Einsatz der Rettungshunde gewesen. „Für uns Menschen war klar, dass es sich um eine Übung handelt. Für die Hunde war es aber Realität. Zu sehen, wie hellwach und engagiert die Rettungshunde waren, war faszinierend“, sagt Homburger.
Üben, damit der Ernstfall kein Ernstfall wird
Es sei das erste Mal gewesen, dass Bestatter an einer Katastrophenschutzübung teilgenommen haben. „Sicher hat in jeder Übung das Leben Vorrang vor dem Tod, aber der Schutz der Menschenwürde geht über den Tod hinaus“. Daran würden Bestatter tagtäglich arbeiten. „Aber gerade im Fall einer Katastrophe, wie sie hier simuliert wurde, ist es unsere Verpflichtung, ein Mindestmaß an Menschenwürde zu ermöglichen“, so Homburger. „Reale Einsätze führen jeden psychisch als auch physisch an die Grenzen. Die Übung war in ihrer Gesamtheit sehr komplex. Eines der großen Probleme, welches sich für uns aufgetan hat, ist das Thema Kommunikation. Hier gilt es noch vieles zu prüfen und sauber aufzustellen“, so Homburger.

„Wir konnten Impulse setzen und selbst wertvolle Erkenntnisse für den Ernstfall gewinnen. Natürlich hoffen wir, niemals in die Situation zu kommen, diese Erkenntnisse nutzen zu müssen. Aber es ist ein gutes Gefühl, diese zu haben. Es war eine sehr beeindruckende Erfahrung mit so vielen Menschen aus ganz Europa, die alle das eine Ziel haben, anderen Menschen in großer Not zu helfen, zusammen zu üben und zu arbeiten“, sagt Ralf Homburger. Es gebe ihm ein sehr positives Gefühl, wie gut die europäische Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe in Europa funktioniere.