Der Fahrzeug-Verkauf liegt auf Eis, Einzelhandelsgeschäfte machen keinen Umsatz, Industriebetriebe liegen lahm, das Handwerk dümpelt vor sich hin. Die Corona-Krise bremst auch die heimische Wirtschaft aus. Nun sollen Singener Unternehmen im Schulterschluss dazu aufrufen, dass die Kunden bei ihren Käufen etwas auf Zeit spielen, um dann die regionalen Firmen und Handelsgeschäfte zu berücksichtigen, wie Dirk Oehle, Vorsitzender der Interessensgemeinschaft (IG) Singen Süd im SÜDKURIER-Gespräch erklärt.

Aufruf soll gestartet werden

„Wir sind in engem Austausch mit Vertretern der Unternehmen und planen eine Zusammenkunft. In dieser soll gemeinsam beschlossen werden, eine Werbekampagne über mehrere Medien zu starten. Das soll die gegenseitige Solidarität und Unterstützung in diesen schwierigen Zeiten zeigen. Ziel ist es, durch die Aktion zu erreichen, dass die Menschen nicht verstärkt Online ihre Käufe abwickeln, sondern abwarten, bis alle regionalen Firmen wieder funktionieren“, sagt Oehle.

Dirk Oehle will gemeinsam mit anderen Firmen dafür werben, dass die Menschen wieder mehr regional einkaufen, wenn die Schließungen ...
Dirk Oehle will gemeinsam mit anderen Firmen dafür werben, dass die Menschen wieder mehr regional einkaufen, wenn die Schließungen beendet sind. | Bild: SK

Die Kunden dazu motivieren, keine Panik zu schieben und lieber noch etwas abzuwarten, um dann regional einzukaufen, so heißt die Devise. „Auch manche private Investition lässt sich verschieben“, so Oehle. „Die Autohäuser machen derzeit nur das Notdürftigste, wie Reparaturen und Wartungen, damit wenigstens etwas Geld hereinfließt“, berichtet er. Nach den verordneten Schließungen der Verkaufsräume setzten manche Betriebe auf Hol- und Bringservice.

Umsätze gehen gegen Null

Auch das Handwerk werde derzeit etwas ausgebremst. Die verordneten Schutzmaßnahmen belasteten zudem betriebliche Abläufe. Das gelte auch für sein eigenes Unternehmen Oehle Rohstoffverwertung. Dazu fehlten Aufträge, wie von der Firma Fondium, wo die Produktion stillstehe. Und der Handel müsse die Umsätze durch die Schließungen gegen Null fahren, wenn Firmen ihre Artikel ausschließlich in den Läden verkaufen, so Oehle.

Viele Autos auf den Höfen, aber keine Kunden. Die Automeile im Singener Süden bleibt derzeit fast verwaist.
Viele Autos auf den Höfen, aber keine Kunden. Die Automeile im Singener Süden bleibt derzeit fast verwaist. | Bild: lbert Bittlingmaier

„Unser Unternehmen versucht, die Kunden digital zu beraten“, sagt Oliver Ley, Geschäftsführer des Singener Autohauses Südstern-Bölle. Auch einzelne Termine seien möglich, damit Kunden Fahrzeuge vor dem Kauf inspizieren können. „Unser Autohaus wird aber durch die Schließung des Verkaufsraums stark ausgebremst“, betont Ley.

Innenstadt wirkt gespenstisch

„Die ganze Stadt steht fast still. Als hätte man alle Lichter ausgemacht. Das wirkt gespenstisch, zeigt aber auch, wie sehr die Singener Innenstadt von Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistern lebt“, beschreibt Hans Wöhrle, Vorsitzender des Singener Einzelhandelsverbandes. Wer zusätzlich zum Ladenverkauf einen Online-Handel betreibe, dem ginge es vergleichsweise noch ganz gut. Andere machten gar keine Umsätze.

Es gehe auch um Existenzen, je länger die mindestens bis zum 20. April geltenden Schließungen noch andauerten, glaubt Wöhrle. „Ich bin nicht grundsätzlich gegen Online-Handel. Vielen Geschäften hilft er. Was mich aber stört, sind die riesigen Umsätze der großen Internet-Anbieter mit teils Sitz im Ausland, die zum Großteil kaum oder gar keine Steuern zahlen“, betont Wöhrle. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer Wettbewerbsverzerrung.

Online-Handel passt nicht für alle

„Für uns kleinere Geschäfte ist der Online-Handel sehr aufwendig und kostspielig. Das hat mein Sohn Falk als Inhaber unserer beiden Singener Schuhhäuser selbst feststellen müssen. In der Bekleidungsbranche kommen viele Artikel wieder zurück. In anderen Bereichen, wie beim Buchhandel, wird die Sendung überwiegend behalten“, so Wöhrle. Porto, die Gebühr für Rücksendungen und Provisionszahlungen für den Internet-Handel kosteten viel Geld. Und der Aufwand der ständigen Pflege des Angebots sei immens. „Somit ist zumindest für unsere Geschäfte der Online-Handel unrentabel“, sagt Wöhrle.

Auch Gastronomie trifft es hart

Für ihn und die Kollegen aus dem Bereich Bekleidung sei es auch ein Problem, dass die Frühjahrsware die Lager und die Verkaufsräume überfülle, im Gegenzug aber keine Artikel abgesetzt werden könne. Fast alle gewerblichen Unternehmen in der Stadt litten unter den Corona-Beschränkungen. „Sie treffen auch die Gastronomie hart. Die Umsätze fehlen, die Mieten und weiteren Fixkosten müssen die Betreiber der Gaststätte aber trotzdem bezahlen“, zeigt der Vorsitzende des Singener Einzelhandelsverbandes auf.

„Da wir momentan keine Einkünfte, sondern nur Ausgaben haben, versuchen wir nun, einen Online-Handel einzurichten“, sagt Werner Stein, der in Singen zwei Juweliergeschäfte und weitere in Ravensburg führt. Sohn Florian wird bald die Geschäfte übernehmen.

„Wir hoffen, dass die Leute wieder verstärkt regional einkaufen, wenn die Geschäfte wieder öffnen. Die hiesigen Unternehmen zahlen auch die Steuern, die für den Erhalt der gesamten Infrastruktur, wie Polizei, Schulen oder Kindergärten, nötig sind“, so Stein. „Für unsere Betriebe haben wir Kurzarbeit angemeldet. Die insgesamt knapp 20 Beschäftigten zeigen angesichts der allgemeinen Lage Verständnis.“

Maggi produziert mit Hochdruck

Nur von außen ruhig: Das Maggi-Werk meldet Hochbetrieb in der Produktion.
Nur von außen ruhig: Das Maggi-Werk meldet Hochbetrieb in der Produktion. | Bild: Bittlingmaier, Albert

Die Corona-Krise bringt viele Firmen in Nöte. Es gibt aber auch ein Gegenbeispiel. Das Singener Maggi-Werk meldet eine hohe Auslastung der Produktion, wie die Nestlé-Medien-Abteilung in Frankfurt berichtet.

  • Versorgung sicherstellen: Das Maggi-Werk produziere momentan unter Volllast. Kurzarbeit sei deshalb vor Ort aktuell kein Thema. Im Gegenteil: „Alle Nestlé-Mitarbeiter arbeiten mit Hochdruck daran, die Versorgung mit Lebensmitteln in Deutschland sicherzustellen.“
  • Flexible Schichten: Wo immer möglich, biete Maggi Mitarbeitern an, beispielsweise flexibel Schichten zu tauschen oder Arbeitszeiten zu verlegen. In allen Fällen unterstützt die Firma laut Medien-Mitteilung die Mitarbeiter bestmöglich, um individuell passende Lösungen zu finden.
  • Prioritäten bei Produktion: Es sei noch zu früh, um etwas über die weitere Geschäftsentwicklung zu sagen. Das Maggi-Werk konzentriere sich darauf, die verstärkte Nachfrage, beispielsweise nach Fertiggerichten, zu erfüllen. Dabei sollen Prioritäten gesetzt und verstärkt solche Produkte produziert werden, die aktuell besonders nachgefragt werden, so beispielsweise Maggi-Ravioli.