Elitsa Dimitrova und Oliver Reiter wollen helfen, den Fachkräftemangel in den Kitas zu lindern. Sie sind in der ersten Klasse der neuen zweijährige Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin. Sie nehmen damit am Modellversuch „Direkteinstieg Kita“ der Arbeitsagentur und des Kultusministeriums teil. Dabei haben sie ursprünglich einen ganz anderen Berufsweg eingeschlagen: Elitsa Dimitrova ist von Beruf Werkstoffingenieurin und kommt ursprünglich aus Bulgarien. Jetzt drückt die 35-Jährige mit 19 Mitstreiterinnen und einem Mitstreiter seit September zweimal die Woche die Schulbank in der Bildungseinrichtung DAA (Deutsche Angestellten Akademie) und arbeitet an drei Tagen in der Woche in der Kita Storchennest in Steißlingen.

Warum hat sie den Quereinstieg in die Kita gewagt?

„Ich wollte mit jungen Menschen arbeiten. Mir gefällt, dass Kinder kein Blatt vor den Mund nehmen“, erklärt die Mutter eines vierjährigen Sohnes. In ihrem Ausbildungsberuf konnte sie, als sie aus Bulgarien kam, nicht arbeiten, weil ihr die Deutschkenntnisse fehlten. Nachdem sie in der Zwischenzeit in der Gastronomie und im Verkauf tätig war, konnte sie sich auch nicht mehr vorstellen, wieder in ihrem „Männerberuf“, wie sie es nennt, zu arbeiten. Deshalb macht sie jetzt die Ausbildung.

20 Frauen und ein Mann, die die Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistenz bei der DAA in Singen und in den Kitas begonnen haben, ...
20 Frauen und ein Mann, die die Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistenz bei der DAA in Singen und in den Kitas begonnen haben, sitzen in der Klasse von Lehrerin Maia Stürmer (nicht im Bild). | Bild: Weiß, Jacqueline

Ihr gefalle, was sie jetzt zum Beispiel zum Thema Sozialkompetenz oder über die Entwicklung des Kindes lerne. „Die Weiterbildung ist kurz und knackig“, erklärt sie. 20 bis 30 Arbeiten würden in den zwei Jahren Ausbildung geschrieben. Laut Bundesagentur für Arbeit kümmern sich sozialpädagogische Assistenten dann gemeinsam mit sozialpädagogischen Fachkräften um Säuglinge und Kleinkinder. Schon im zweiten Jahr der Ausbildung zählen sie demnach mit 0,2 Stellenanteilen zum Betreuungsschlüssel einer Einrichtung, nach der Ausbildung sind sie voll ausgebildete Fachkraft ähnlich einer Erzieherin oder eines Erziehers.

Oliver Reiter gehört mit seinen 54 Jahren zu den ältesten Teilnehmern des Direkteinstiegs Kita. Wie er erzählt, sei es in gewisser Weise sein Traum gewesen, mit Kindern zu arbeiten. „Mir haben immer alle gesagt: Du kannst so gut mit Kindern“, berichtet er. Doch zur Verwirklichung des Traums fehlte ihm der Realschulabschluss. Der ist bei dieser Ausbildung nicht gefordert und deshalb sieht er jetzt seine Chance.

Weiterbildung ist eine Chance zum Traumberuf

Der 54-Jährige ist gelernter Koch, hat aber in den vergangenen Jahren im Sommer auf einem Bodenseeschiff als Matrose gearbeitet und im Winter zum Beispiel in der Therme. Jetzt habe er die Möglichkeit, nochmal einen Beruf zu lernen, und die habe er ergriffen. Die Verbindung von zwei Tagen Theorie in der DAA und drei Tagen Praxis im Albert-Schweizer-Kinderhaus in Konstanz gefällt ihm besonders gut. Das, was er im Unterricht erfahre, könne er dann auch gleich anwenden.

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Die Verzahnung von Theorie und Praxis sei wesentlich bei dieser Ausbildung, erklärt Elke Wößner, Schulleiterin der DAA, die mit dem neuen Bildungsgang ebenfalls Neuland betreten hat. Die Teilnehmerinnen der ersten Ausbildungsklasse seien in der Mehrzahl zwischen 30 und 40 Jahre alt und zu 90 Prozent selbst Mütter. Ihnen komme entgegen, dass die Ausbildung in Teilzeit mit 75 Prozent absolviert werden könne und bezahlt wird.

Teilnehmerinnen wollen mit Kindern arbeiten

„Die Frauen erziehen ihre Kinder und erleben das als sehr gewinnbringend“, berichtet Elke Wößner zur Motivation der Teilnehmerinnen. Deshalb wollten diese Berufsrückkehrerinnen auch in Zukunft mit Kindern arbeiten und hätten sich für die Ausbildung entschieden. Viele kämen aus dem Einzelhandel oder aus einer Bürotätigkeit und hätten schon in der Schulkindbetreuung oder im Ehrenamt Kinder betreut. Die Motivation sei bei allen Teilnehmerinnen hoch. Bisher habe nur eine abgebrochen, weil sie keine Betreuung für ihre Kinder fand.

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Die hohe Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit der Teilnehmerinnen bestätigt auch Nico Dmeiri, der bei der Agentur für Arbeit für den neuen Bildungsgang zuständig ist. „Man merkte bei ihnen schon in den Beratungsgesprächen, dass es eine gesicherte Entscheidung war“, erklärt Dmeiri. Sie hätten sich schon länger damit beschäftigt. Wichtig sei jetzt auch, noch mehr Träger vom Direkteinstieg zu überzeugen. Dann könne man ab September nächsten Jahres vielleicht schon mit zwei Klassen starten.

Mathias Auch, Leiter der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg, wirbt für den Direkteinstieg.
Mathias Auch, Leiter der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg, wirbt für den Direkteinstieg. | Bild: Weiß, Jacqueline

„Der Bildungsgang, der in einer Kooperation von Kultusministerium und Agentur für Arbeit entwickelt wurde, soll ein Mittel sein, den Fachkräftemangel in Kitas schnell zu beheben“, erklärt Mathias Auch, Leiter der Arbeitsagentur Konstanz-Ravensburg. Die Betreuungssituation wirke sich unmittelbar auf den Arbeitsmarkt aus: Wenn es nicht genug Betreuungsplätze gebe, könnten die Eltern auch nicht arbeiten.