„Das Herz hat geblutet. Das Wetter war prächtig. Und wir durften unseren Laden nicht öffnen“, beschreibt Hans-Peter Stroppa, der zusammen mit seinem Bruder Rainer ein traditionelles Singener Fahrrad-Geschäft führt.

Der Blick geht kurz zurück, auf volle Lager mit Fahrrädern der unterschiedlichsten Art. „Wir mussten bei der Bezahlung der Rechnungen teilweise in die Vorleistung gehen. Ostern ist für uns Weihnachten. Dieses Geschäft war aber genauso futsch, wie das im Vorfeld der Kommunion“, schildert Hans-Peter Stroppa. Das Blatt hat sich grundlegend gewendet, seit die Stroppas vor zwei Wochen ihr Geschäft wieder öffnen durften.

Leute wollen vor Ort kaufen

Kurzarbeit war gestern. „Heute rennen uns die Leute die Bude ein. Es zieht sie nach draußen. Sie wollen sich bewegen. Dabei bietet das Radfahren eine der Möglichkeiten, sich gesund in der Freizeit oder auf dem Weg zur Arbeit zu betätigen“, erklärt Stroppa.

„Wir sind heilfroh, dass es so gut läuft. Die Beschäftigten arbeiten unter Hochdruck, auch mit Überstunden. Zuvor konnten wir nur den Service aufrechterhalten und über unseren Internet-Handel Fahrräder verkaufen. Das macht aber nur einen geringen Bruchteil von unserem Umsatz aus“, so Stroppa. „Gerade beim Kauf von hochwertigen Fahrrädern wollen sich die Kunden vor Ort die Produkte ansehen, sich darüber beraten lassen und sie testen. In den Monaten März bis Mai machen wir den halben Jahresumsatz. Der halbe März und fast der ganze April ist durch die Corona-Schließung weggebrochen. Das lässt sich nicht mehr aufholen“, sagt Stroppa.

„Wir sind in Gedanken aber auch bei den vielen Betreibern von Geschäften und vor allem bei denen von Gaststätten, wo der Umsatz aufgrund der strengen Auflagen oder anhaltenden Schließungen stark leidet oder gar keiner erzielt werden kann“, so Stroppa.

Schutz sorgt auch für Kopfweh

Es gebe einen regelrechen Ansturm auf Elektro-Bikes. „Wir haben in einem weiten Umkreis eines der größten E-Bike-Centers in der Region. Es gibt einen Trend, wonach immer mehr Sportler auch auf E-Mountain-Bikes setzen. Ein Test hat ergeben, dass im selben Zeitraum auf einem elektronisch betriebenen Mountain-Bike mehr körperliche Leistung möglich ist als auf einem herkömmlichen“, sagt Stroppa.

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„Wir haben den Schutz-Vorschriften Rechnung ertragen. So gibt es kontaktlose Desinfektionsständer. Das Tragen von Schutzmasken ist für die Mitarbeiter beschwerlich. Abends wird da schon mal über Kopfweh geklagt“, so Stroppa. Er selbst trägt einen Plexiglashelm, der ebenfalls andere Personen schützen soll.

Rigo Raatz ist froh, dass die Kunden nun in großer Anzahl in sein Gottmadinger Fahrradhaus Graf kommen.
Rigo Raatz ist froh, dass die Kunden nun in großer Anzahl in sein Gottmadinger Fahrradhaus Graf kommen. | Bild: Tesche, Sabine

„Wir sind glücklich, dass unser Laden brummt“, sagt Christian Himmel, Verkaufsleiter bei Fahrrad Graf in Gottmadingen. Wie Stroppa stellt er fest: „Viele Leute investieren das durch die Beschränkungen gesparte Geld für Urlaubsreisen in Fahrräder. Besonders gefragt sind hochwertige und E-Bikes“, schildert Himmel.

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Das vor Ostern und der Kommunion ausgefallene Geschäft samt Streichung der Gewerbeschau mit verkaufsoffenem Sonntag sei nicht mehr aufzufangen. Nach der Trübsal während der Schließung herrsche unter den Beschäftigten wieder großer Optimismus und Tatendrang. „Einen immer größeren Stellenwert nimmt das Leasing von E-Bikes ein. Das wird von vielen Firmen gefördert und von den Arbeitgebern per Gehaltsumwandlung in Anspruch genommen“, verrät Himmel.

Seit 2013 hat Christian Rohr seinen Fahrrad-Handel in Gottmadingen aufgenommen. Im heutigen Bike-Store ist auch sein Sohn Tobias tätig. „Wir haben unser Geschäft stetig erweitert und von Anfang an auf persönlichen Kunden-Service gesetzt, wie bei Reparaturen und Wartung. Das zahlt sich nun aus. Selbst bei der Schließung kamen viele Kunden zu uns, wenn wir auch nicht verkaufen durften“, berichtet Rohr.

Auf Service spezialisiert

„Das Geschäft boomt, vor allem bei den hochwertigen Bikes, auf das wir uns spezialisiert haben. Von daher können wir fast sogar von der Corona-Krise profitieren“, so Rohr. Es sei aber unglaublich, wie viele Radler ihm bei Ausfahrten in der Natur begegneten. „Das führt zu einem reinsten Verkehr in freier Landschaft und den Wäldern. Die Ruhe und die Natur zu genießen komme etwas abhanden“, erklärt Rohr.

„Verkauf und Beratung verlagern wir teils auch vor das Geschäft. Hinein dürfen ohnehin nur ein bis zwei Personen, da sie auch nur von mir und meinem Sohn als einzige Beschäftigte bedient werden“, sagt Rohr.

Christian Rohr (links) und sein Sohn Tobias haben sich neben dem Fahrrad-Verkauf auf den Service spezialisiert.
Christian Rohr (links) und sein Sohn Tobias haben sich neben dem Fahrrad-Verkauf auf den Service spezialisiert. | Bild: Bittlingmaier, Albert

„Während der Schließung haben wir verstärkt auf unseren Online-Handel gesetzt“, erklärt Christoph Alff, stellvertretender Geschäftsführer des Zweirad-Geschäftes Joos mit Hauptsitz in Radolfzell. Es gibt dort zwei Geschäfte, weitere in Gottmadingen, Immenstaad und Reichenau-Waldsiedlung.

„Auffallend war, dass neben den Online-Kunden, die weiter weg wohnen, auch viele Menschen aus der Region bei uns über Internet-Fahrräder bestellt haben“, so Alff. Es sei auch intensiv über Video-Kommunikation beraten worden.

Mit Schutzmaske bedienen die Beschäftigten von Zweirad Joos in der Gottmadinger Filiale wie die anderen Bike-Geschäfte ihre Kunden. Die ...
Mit Schutzmaske bedienen die Beschäftigten von Zweirad Joos in der Gottmadinger Filiale wie die anderen Bike-Geschäfte ihre Kunden. Die müssen ebenso Mund und Nase abdecken. | Bild: Tesche, Sabine

„Nun läuft das Geschäft sehr gut. Es ist spürbar, dass die Leute mehr Zeit haben und das Fahrradfahren auch innerhalb ganzer Familien neu entdecken“, sagt Alff. Zudem nutzten viele Pendler Bikes, weil sie beispielsweise nicht in Bussen oder Zügen mit der Schutzmaske sitzen wollten, so Alff. Die Häuser von Joos haben einen durchschnittlichen Bestand von gut 10.000 Fahrrädern.