Diese Nachricht hat die Bezeichnung Paukenschlag verdient: Der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) ist im Rechtsstreit um das Ende der Kooperation mit dem Neurochirurgen Aram Bani vor dem Konstanzer Landgericht unterlegen. In erster Instanz hat das Landgericht geurteilt, dass die beiden Kündigungen des Kooperationsvertrags, die der GLKN mit verkürzter beziehungsweise ganz ohne Kündigungsfrist ausgesprochen hat, unwirksam sind. Diese Kündigungen erfolgten, weil Bani zuvor seinerseits den Vertrag über die neurochirurgische 24-Stunden-Rufbereitschaft gekündigt hat, wie GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber bereits früher erklärte.
Der niedergelassene Arzt hat damit vor dem Landgericht in erster Instanz auf ganzer Linie gewonnen, die beklagte Partei, der GLKN, muss laut dem Urteil auch die Kosten des Rechtsstreits tragen. Doch die Auseinandersetzung könnte in die nächste Runde gehen. Bernd Sieber, Geschäftsführer des GLKN, signalisiert bereits, dass man sich nicht so einfach unterkriegen lassen wolle. Man prüfe intensiv, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen, so Sieber.
Bei dem Rechtsstreit geht es für beide Seiten um viel. Einerseits ist ein entscheidender und überregional wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung betroffen. Neurochirurgen sind bei zahlreichen Notfällen an der Behandlung beteiligt und sie sind wichtig für den Status des Singener Krankenhauses als regionales Traumazentrum. Nach Banis Abgang musste das Krankenhaus die überregional wichtige stationäre neurochirurgische Versorgung von Patienten komplett neu aufbauen. Bis dahin hatte der niedergelassene Arzt stationäre neurochirurgische Eingriffe auf Grundlage des Kooperationsvertrags durchgeführt.
Es geht um viel Geld
Andererseits geht es um viel Geld. Der Streitwert des zivilrechtlichen Verfahrens wurde auf 1,88 Millionen Euro festgelegt, wie Mirja Poenig, Richterin am Landgericht und dessen Pressesprecherin, auf Anfrage erklärt. Mit diesem hohen Betrag legt das Gericht zunächst einmal, grob gesagt, lediglich fest, um welchen Betrag die Parteien streiten. Der Streitwert lässt keine Rückschlüsse darüber zu, wie viel Geld am Ende wirklich fließen könnte, wenn beispielsweise eine Partei Schadenersatz an die andere leisten muss. Denn dabei kommt es auf die Forderungen beider Parteien an.
Und auch die Kosten des Rechtsstreits stehen laut Poenig noch nicht fest. Die Gebühren hängen zwar mit dem Streitwert zusammen, doch die beteiligten Anwälte müssten auch ihre Forderungen geltend machen – und auch darüber könne wieder gestritten werden. Dennoch vermittelt der Streitwert des Verfahrens einen Eindruck davon, um wie viel es geht.
Was bedeutet das Urteil nun zunächst? Rechtlich gesehen besteht damit der Kooperationsvertrag zwischen Klinik und niedergelassenem Arzt noch bis zum Ende dieses Jahres fort. Denn die Frist für die hilfsweise ordentliche Kündigung, die der GLKN ebenfalls ausgesprochen hat, beträgt 18 Monate zum Jahresende. Und diese Frist läuft erst Ende 2024 ab. Beide Seiten sind indes schon längst faktisch aus der Zusammenarbeit ausgestiegen. Der GLKN hat mit Chefarzt Sven Gläsker die Neurochirurgie am Singener Krankenhaus neu aufgebaut, Bani ist mit seiner Praxis in neue Räume am Kreuzensteinplatz gezogen.
Es gibt kein Zurück zur alten Zusammenarbeit
Dass es zurück zur alten Zusammenarbeit geht, dürfte also ausgeschlossen sein. Beim Gütetermin vor dem Landgericht im Januar ging es daher auch um einen Ausgleich über Schadenersatz. Einer von Banis Anwälten hatte dabei bereits erwähnt, dass seinem Mandanten durch die vorzeitige Vertragskündigung etwa 2,3 Millionen Euro verloren gegangen seien – was auch an der langen Kündigungsfrist des Vertrags liegt. GLKN-Chef Sieber sagte nun, dass das Krankenhaus nach dem Gütetermin seinerseits Forderungen in ähnlicher Höhe an den Arzt erhoben habe. Laut Sieber habe es aber keine persönlichen Gespräche zwischen den Anwälten der beiden Seiten gegeben und daher auch keine Einigung über die Höhe von möglichem Schadenersatz. Am Ende habe daher das Landgericht sein Urteil gesprochen.
Erfolg hatte Banis Klage, weil das Gericht keine rechtliche Einheit der beiden Verträge sah, wie Richterin Poenig mitteilt. Denn ab Januar 2019 habe das Krankenhaus die neurochirurgische 24-Stunden-Rufbereitschaft in einem eigenen Vertrag geregelt, die Kooperation bei stationären Eingriffen in einem zweiten Vertrag. Der Kooperationsvertrag hat die weitaus größere Vergütung für die Praxis mit sich gebracht, wie beim Gütetermin deutlich wurde. Und er hat eine Kündigungsfrist von 18 Monaten zum Jahresende.
Verschiedene Kündigungsfristen sind entscheidend
Der Vertrag über die Rufbereitschaft war der wirtschaftlich weit weniger bedeutende Vertrag und war mit vier Wochen zum Ende eines Quartals kündbar – was Bani bei seiner Kündigung dieses Vertrags kurz vor Weihnachten 2022 auch eingehalten hat. Eine unzulässige Teilkündigung durch den niedergelassenen Arzt sah das Gericht daher nicht. Und daher habe auch der wichtige Grund für die außerordentliche Kündigung der Kooperation durch das Krankenhaus nicht vorgelegen, so Poenig weiter.
Und wie blicken die beiden Parteien auf das Urteil? Er habe mit jedem Prozessausgang gerechnet, sagt GLKN-Chef Sieber. Und er betont, dass der frühere Kooperationsvertrag mit Bani nach einem Urteils des Bundessozialgerichts ohnehin nicht mehr zulässig gewesen sei. Verhandlungen über eine neue Ausgestaltung der Zusammenarbeit seien aber erfolglos geblieben, weshalb er die Trennung von dem Kooperationspartner nach wie vor für richtig halte, so Sieber: „Wir waren gezwungen zu handeln.“
Banis Anwalt Dirk Lebe sieht die Sache naturgemäß anders. Dass der Prozess so ausgehen würde, habe sich schon in der Verhandlung angedeutet. Und die schriftlichen Entscheidungsgründe würden keinen „Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verhaltens von Herrn Bani“ lassen, schreibt Lebe auf Anfrage. Sein Mandant sei zu Verhandlungen jederzeit bereit. Doch die Gespräche über einen möglichen Schadenersatz hingen nun maßgeblich vom Verhalten der Klinik ab.