Samstagabend – das war vor einer Woche ein großes Treffen der Auto-Szene, dessen die Polizei nur langsam Herr geworden ist. Das waren 300 Autos auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums EKZ. Und das waren Vorfälle mit der Szene auch in Stockach und Konstanz, wohin sich die Fahrer verlagert haben.
Zwischen dem vergangenen und diesem Wochenende hat die Stadt eine Allgemeinverfügung erlassen, die Treffen der Auto-Szene untersagt. Schon am Freitagabend war es danach deutlich ruhiger im Katz- und Maus-Spiel zwischen der Szene einerseits und Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst andererseits. Und auch am Samstagabend waren deutlich weniger Fahrzeuge unterwegs, die die Polizei als szenetypisch bezeichnet.
Markante Fahrzeuge gibt es trotzdem, etwa einen offenen Jeep, der mit zwei jungen Männern und zwei jungen Frauen besetzt ist und samt lauter Musik mehrfach an dem Kreisverkehr vorbeikommt. Früher am Abend haben auch vier junge Frauen in einem BMW eine Runde über den Parkplatz eines Möbelmarktes gedreht – eine eher untypische Besetzung, denn die Szene sei klar männlich dominiert, sagt Marcel Ferraro, Pressesprecher der Polizei, der am Samstagabend die Lage beobachtet hat.
Die Polizei ist stark präsent
Dafür war die Polizei mit vielen Einsatzkräften vor Ort, am Obi-Kreisel und per Streifenwagen auch an anderen Treffpunkten im Stadtgebiet. Etwa 30 Kräfte seien im Einsatz, sagt Ferraro. Auch der kommunale Ordnungsdienst der Stadt Singen war mit drei Mitarbeitern unterwegs. Dass es in Singen ziemlich ruhig blieb, heißt aber nicht unbedingt, dass die Szene nicht in Erscheinung trete, sagt Ferraro. Treffen seien beispielsweise in anderen Städten und Landkreisen möglich.
Ferraro ist um Differenzierung bemüht. Er unterscheidet im Gespräch am Abend zwischen Posern, Tunern und Rasern. Poser würden mit ihren Fahrzeugen gerne auffallen. Dafür beschleunigen und bremsen sie und fahren auch schnell durch den Kreisverkehr.
Zu nachtschlafener Zeit führt das natürlich zu Lärmbelästigungen. Die eigentlichen Tuner wollen ihre Autos einfach nur aufmotzen, ohne gegen Recht und Gesetz zu verstoßen. Und dann gebe es noch die Raser, die sich illegale Autorennen liefern: „Das sind die schwarzen Schafe.“ Bei Rasern sei rasch der Bereich der Straftaten erreicht und dagegen gehe man konsequent vor.

Doch Ferraro sagt auch: Diejenigen aus der Szene, die legal arbeiten und sich an Recht und Ordnung halten, hätten selbst Probleme mit den schwarzen Schafen. Denn diese bringen alle in Verruf. Und dass die Sache nicht einfach ist, scheint dem Polizisten bewusst zu sein. Denn inzwischen vermische sich auch die Party- mit der Autoszene – in einer Zeit, in der seit vielen Monaten viele Orte wie Diskos geschlossen sind, an denen junge Menschen feiern können.
Dass die Sicherheitskräfte sehr genau hinschauen, wenn es um die Autoszene geht, verdeutlicht ein weiteres Detail, das Ferraro nennt: „Die Schweizer Polizei wird künftig bei allen Einsätzen im Präsidiumsbereich dabei sein.“ Im Rahmen der Einsätze würden die Schweizer Kollegen mit ihren eigenen Streifenwagen unterstützen. Denn nicht zuletzt kommen viele der szenetypischen Fahrzeuge und ihre Fahrer aus der Schweiz.
Was treibt die Menschen aus der Szene um?
Doch wie ticken die Leute, die sich bei den Treffen gegenseitig ihre Fahrzeuge zeigen? Kommt man mit den wenigen Menschen ins Gespräch, die am Samstagabend in die Szene passen könnten, hört man viel von der Liebe zu Autos – und vom Ärger über die Chaoten, die allen Autofans, die einfach nur ohne Ärger ihr Hobby ausüben wollen, das Leben schwer machen.
Thorsten aus Rielasingen-Worblingen erzählt etwa, dass er sich schon vor knapp 26 Jahren mit seinen Freunden auf dem Parkplatz des heutigen Möbelhauses getroffen habe, der damals noch zu einem Baumarkt gehörte. Lange Jahre habe sich niemand daran gestört. „Die meisten haben keinen Bock auf Stress, die wollen sich einfach treffen“, sagt er. In der Szene gebe es diejenigen, die liebevoll an ihren Autos herumschrauben, bis sie sie nicht einmal mehr zu Treffen auf offener Straße bringen wollen würden. Stattdessen würden sie ihre Autos auf einem Hänger zu Anlässen wie der Friedrichshafener Tuning World mitbringen. Andere würden einfach nur herumcruisen und gucken, was abgeht.
Ärger über Raser
Worüber er sich ärgert: „Es gibt überall schwarze Schafe wie die Auspuffknaller. Das muss nicht sein und bringt die ganze Szene in Verruf.“ Doch er sieht auch eine Verantwortung bei den Autoherstellern. Aufgemotzte Fahrzeuge, beispielsweise mit den berüchtigten lauten Klappenauspuffanlagen, seien seit einigen Jahren immer günstiger von der Stange zu haben – da seien auch die Hersteller nicht ganz unschuldig.

Und einer Gruppe jugendlicher Männer und Frauen, die mit vier leichten Motorrädern unterwegs ist, merkt man den Frust darüber an, dass die Überwachung nun wieder so streng geworden ist. Einer von ihnen, Gabriel Alvesdos Santos aus Tengen, beklagt, dass die neue Verordnung der Stadt wie eine Kollektivstrafe wirke. „Die Problematischen soll man ausschließen“, sagt er. Denn was die Auto-Szene mache, das sei einfach ein Hobby, wie Videos ins Internet hochzuladen. Er verstehe aber auch, wenn Anwohner schlafen wollen uns sich vom Lärm der Auto-Szene gestört fühlen.
Ein eigener Platz für die Szene – kann das klappen?
Deswegen plädiert auch er für ein eigenes Gelände für die Szene, wo sie niemanden störe. In Stuttgart habe er sogar schon selbst erlebt, dass die Polizei dort präsent sei und darauf achte, dass alles geordnet zugehe. Er sei sich sicher, dass die Leute sich daran halten würden. Doch ein andere junger Mann aus der Gruppe, Joel Carleo, wirft ein: „Es gibt immer ein paar Chaoten.“ Er wehrt sich trotzdem dagegen, dass alle in einen Topf geworfen werden, Poser, Tuner und Raser. Die Chaoten sollte man rausholen und alle anderen einen Platz bekommen, sagt Alvesdos Santos dazu. Denn wenn es so weiterlaufe wie jetzt, werde das Thema eher schlimmer. Und ein dritter aus der Gruppe sagt: „Sobald die Polizei einen Abend weg ist, sind die Leute wieder da.“
Ein Platz für die Szene an einer Stelle, wo es niemanden stört – kann das funktionieren? Polizeisprecher Ferraro ist zumindest skeptisch. Er glaube, dass ein Auto-Poser ein Interesse daran habe, gesehen zu werden. Ob Poser ein solches Gelände aufsuchen, sei daher zumindest fraglich. Und auch Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler hat schon früher argumentiert, dass ein solcher Ort die Szene noch mehr anlocken würde – mitsamt posenden Fahrern in der Stadt.