Die Beschäftigten der Singener Karstadt-Filiale und die Personalvertreter schöpfen weiter Hoffnung, dass ihre Arbeitsstätte nicht – wie vom Konzern in Essen angekündigt – schließen muss, sondern wie andere sechs bedrohte bundesweite Standorte nun doch erhalten wird. Als Hauptgrund für die Rücknahme dieser beabsichtigten Schließungen nennt der in Insolvenz geratene Konzern das Entgegenkommen von Vermietern durch Reduzierung der Kosten. Eine solche Haltung hat auch der Vermieter der Singener Karstadt-Filiale signalisiert.

Noch keine Signale aus Essen

Vorsichtig optimistisch gibt sich die Betriebsratsvorsitzende Karin Greuther nach einem Treffen mit Nicole Hoffmeister-Kraut, der baden-württembergischen Wirtschafts- und Arbeitsministerin, zusammen mit Vertretern der Gewerkschaft und Betriebsräten der fünf im Südwesten von der Schließung bedrohten Karstadt-Filialen. „Die Ministerin hat uns eingehende Unterstützung zugesagt“, erklärt Karin Greuter. Von der Zentrale in Essen gebe es dagegen noch keine Signale, wie es weitergehe. Kündigungen liegen laut Karin Greuther noch nicht vor. „Unsere Beschäftigen sind immer noch guten Mutes, dass Karstadt Singen nicht schließt“, sagt sie.

Viele Einschnitte für Beschäftigte

„Viele unserer Beschäftigten arbeiten seit Jahrzehnten bei Karstadt. Seit langem müssen sie Einschnitte akzeptieren und Opfer bringen. Sie sind bitter enttäuscht, dass ihr Verzicht und ihr Engagement umsonst gewesen sein sollen“, sagt Karin Greuther. Vorsorglich nehme sie in der nächsten Woche Kontakt mit dem Unternehmen auf, das für eine mögliche Transfergesellschaft zuständig ist. Eine solche soll nach Massen-Kündigungen den Übergang zur Arbeitslosigkeit oder Beginn einer neuen Tätigkeit abmildern und neue berufliche Perspektiven eröffnen.

Bei einer großen Kundgebung zeigen sich viele Bürger aus Singen und dem Umland solidarisch mit Karstadt und den Beschäftigten.
Bei einer großen Kundgebung zeigen sich viele Bürger aus Singen und dem Umland solidarisch mit Karstadt und den Beschäftigten.

„Wir gehen davon aus, dass Karstadt bleibt“, betont Oberbürgermeister Häusler. Die Stadt Singen habe viele Millionen Euro in das Bahnhof-Areal investiert. „Wir schaffen ein ganz neues, modernes Ambiente“, so Häusler. Karstadt habe die Umbauarbeiten mit zeitweisen Belastungen mitgetragen. „Der Vermieter ist mit dem Konzern in intensiven Gesprächen, in denen er eine starke Senkung der Mietkosten in Aussicht gestellt hat“, so Häusler.

Gewerkschafter setzt auf Zeit

„Wichtig wäre es jetzt, Zeit zu gewinnen“, sagt Markus Klemt, Gewerkschaftssekretär bei Verdi. Nach dem jetzigen Stand müsste vom 10. bis 17. Juli entschieden werden, wer in eine Transfergesellschaft eintreten will. Ziel müsste es sein, mindestens bis in den August hinein Zeit zu gewinnen, mit der Hoffnung, dass bis dahin die Singener Karstadt-Filiale noch gerettet werden könne. Die Insolvenz des Konzerns sorge auch dafür, dass die Beschäftigten bei einer Schließung nur eine geringe Abfindung bekämen.

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Nach Verdi-Informationen laufen laut Pressemitteilung der Gewerkschaft im Hintergrund die Gespräche über den Erhalt der 124 Arbeitsplätze bei Karstadt Kaufhof am Standtort Singen weiter. So sei die Senkung der Mietkosten eine zentrale Frage. „Ziel muss es sein, die weiterhin bestehenden Filialen zukunftssicher zu machen und soweit möglich, die bedrohten Häuser noch zu retten“, erklärt Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut nach dem Treffen in Stuttgart. Verdi-Landesbezirksleiter Martin Gross ergänzt: „Wenn alle Kräfte – Kommunen, Wirtschaftsministerium, Vermieter und Beschäftigte – zusammen nach Lösungen suchen, werden wir weitere Häuser retten können.“

Frauen besonders betroffen

In einem Brief hatte Hoffmeister-Kraut bereits die Geschäftsleitung des Konzerns aufgefordert, die Schließungspläne noch einmal zu überdenken. „Angesichts der derzeitigen schwierigen wirtschaftlichen Lage, gerade auch im Einzelhandel, geht mir das Schicksal der von den Schließungen betroffenen Beschäftigten nahe. Denn es trifft im besonderen Maße teilzeitbeschäftige und alleinerziehende Frauen, die zudem mit einem geringen Einkommen zurechtkommen müssen“, erklärt Hoffmeister-Kraut.

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Die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger begrüßt das Engagement der Ministerin: „Meine ganze Solidarität gilt den Beschäftigten von Karstadt, die durch ihren Verzicht auf Lohnerhöhungen und tariflich zugesagten Leistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld ihren Part zur Sanierung des Konzerns bereits geleistet haben.“ Für das Entgegenkommen der Vermieter und die Unterstützung von OB Häusler, Singen Aktiv, Wirtschaftsförderung, Gemeinderat, Betriebsrat, Gewerkschaft und der Kunden bedanke sie sich ausdrücklich.

 

So soll eine Transfergesellschaft Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt helfen

  • Die Gründung: Eine Transfergesellschaft wird nach einer Erklärung des Verlags für Deutsche Wirtschaft als eigene Gesellschaft gegründet, um Arbeitnehmer in einen befristeten Arbeitsvertrag zu übernehmen, die vor der Kündigung stehen. Die Gründung läuft nach einem gesetzlich definierten Verfahren in enger Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit. Voraussetzung für die Gründung einer Transfergesellschaft ist, dass ein Unternehmen so tief in der Krise steckt, dass Massen-Entlassungen nicht zu vermeiden sind.
  • Der Zweck: Transfergesellschaften verfolgen den Zweck, konkret von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeitern eines Betriebes im Rahmen einer maximal einjährig befristeten Beschäftigung in neue Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Transfergesellschaften haben ausschließlich das Ziel, die bei ihnen angestellten Beschäftigten so schnell wie möglich in neue Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Wer in eine Transfergesellschaft wechselt, ist dort fest angestellt, nicht mehr beim bisherigen Arbeitgeber. Für die Organisation werden professionelle Betreiber von Transfergesellschaften hinzugezogen, die auf Personalentwicklung und -vermittlung spezialisiert sind.
  • Die Ziele: Die Transfergesellschaft versucht Folgendes zu erreichen: Die Personalfacharbeiter sollen genau herausfinden, wo die beruflichen Stärken und Neigungen der einzelnen Personen liegen und welche Tätigkeiten in Frage kommen. Auch ein möglicher Bedarf an Weiterbildung wird geklärt. Während der Einbindung in die Transfergesellschaft ist es Aufgabe der Beschäftigten, sich für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Die Teilnahme an Weiterbildung nimmt daher großen Raum ein. Auch Betriebspraktika können absolviert werden.
  • Die Vermittlung: Erklärtes Ziel ist es, Vermittlungschancen in ein neues Arbeitsverhältnis zu erhöhen und ohne Übergang in die Arbeitslosigkeit in ein neues Beschäftigungsverhältnis zu vermitteln. Sie müssen nicht wechseln: Der Wechsel in eine Transfergesellschaft ist freiwillig.
  • Die Finanzierung: Transfergesellschaften werden aus verschiedenen Töpfen finanziert. Arbeitnehmer erhalten das sogenannte strukturelle Kurzarbeitergeld. Das beträgt zwischen 60 beziehungsweise 67 Prozent (mit Kind) des letzten Nettolohns. Diesen Betrag zahlt das Arbeitsamt. In den meisten Fällen werden die Gehälter vom vorherigen Arbeitgeber auf 80 Prozent aufgestockt.