Da steht sie, mitten ihrem Traum. Ihrem eigenen Laden. Und im Zwielicht, diesem kurzen Augenblick der Dämmerung, schimmern ihre Kleider in Weiß, Champagner und Creme. Mit Perlen und Schleppen.

31 gebrauchte, fast neue Brautkleider. Simone Braun holt eins hervor, eine glitzernde Robe, und sagt: „Es gibt nichts, was so emotional ist, wie eine Hochzeit.“ Und es gibt nichts im Kleiderschrank einer Frau, was eine so kurze Tragedauer hat, wie ein Brautkleid.

Für Simone Braun ging ein Traum in Erfüllung. Im Glückstreffer kann sie Second-Hand Brautmode vermitteln. Dafür hat sie einen ganz ...
Für Simone Braun ging ein Traum in Erfüllung. Im Glückstreffer kann sie Second-Hand Brautmode vermitteln. Dafür hat sie einen ganz besonderen Ort geschaffen. | Bild: Susanne Schön

Simone Braun hat deshalb jetzt den ersten Schritt gewagt. Und mit dem „Glückstreffer“ ihren eigenen Laden für Second-Hand-Brautmode eröffnet. „Damit die Kleider einen zweiten Auftritt bekommen.“ Und irgendwie, sagt sie, sei das alles auch ein großes Corona-Projekt gewesen. Ein Projekt, das nur kurz vor dem ersten Lockdown seine Formen annahm. Am 6. März 2020. Das Datum hat sich Braun ins Gedächtnis gebrannt.

Eine Marktlücke am Bodensee

Mit einer Freundin sei sie an diesem Tag in den Schwarzwald gefahren, um für jene ein Brautkleid zu suchen. Ein gebrauchtes. Mit Geschichte. „Hier am Bodensee gab es nirgendwo einen Second-Hand-Laden dafür.“

Und während die Freundin fündig wurde, sah Braun schon ihr Geschäft vor sich. Ein kleines Studio. Mitten auf dem Hof, den sie in Eigeltingen mit ihrem Freund bewohnt. „Das war verrückt.“ Wie in einem Film. „Mein Freund und ich waren abends noch auf einer Geburtsfeier. Und ich habe da schon jedem erzählt, dass ich das mache.“

„Hier sind ein paar Tränen geflossen“

Dann ging alles Schlag auf Schlag. Eine Woche nach dem 6. März räumte Braun einen alten Kuhstall auf dem Hof ihres Freundes aus – ihr künftiges Studio. „Und dann kam die Pandemie. Und mit ihr ganz viel Zeit, ganz viel Arbeitswut“, sagt sie – und hängt die glitzernde Robe wieder zurück. „Hier sind ein paar Tränen geflossen“, erinnert sie sich. „Der Braut fiel es ganz schwer, sich von dem Kleid zu trennen.“

Übersichtlich hängen Kleider und Accessoires in ihrem Studio.
Übersichtlich hängen Kleider und Accessoires in ihrem Studio. | Bild: Simone Braun

Sie hatte es lange vor Corona gekauft. Und mit der Pandemie gebibbert und gehadert, ob sie noch heiraten könne, ob sie die Hochzeit nicht lieber verschieben solle. „Letztendlich hat sie letztes Jahr im Sommer geheiratet. Aber die nervenaufreibende Zeit davor und das Glück danach hat sie so sehr mit dem Kleid verbunden, dass ich zu ihr gesagt habe: Wenn du Sehnsucht hast, kannst du jederzeit vorbeikommen und es dir wieder ansehen.“

Warum die Braut das Kleid überhaupt abgegeben hat?

Braun schmunzelt. Sie mag die Geschichte. „Weil hinter jedem Kleid viel Arbeit steckt: Da gab es mal einen Entwurf, da hat sich mal jemand Gedanken über den Stoff gemacht, da hat jemand stundenlang geschneidert. Und diese Arbeit und das schöne Kleid zu verstecken, fand die Braut einfach zu schade.“

Auch in ihrem Second-Hand-Laden steckt viel Arbeit. Während des ersten Lockdowns zwischen März und Mai 2020 und während des zweiten Lockdowns zwischen November und Februar hat Braun, die eigentlich Büroassistentin ist, nach Feierabend fleißig renoviert.

Jede freie Minute, nach Feierabend und an den Wochenenden, hat Simone Braun den alten Kuhstall auf dem Hof ihres Freundes renoviert. Das ...
Jede freie Minute, nach Feierabend und an den Wochenenden, hat Simone Braun den alten Kuhstall auf dem Hof ihres Freundes renoviert. Das Vorher/Nachher Bild zeigt ihr Studio zu Beginn der Renovierungsarbeiten (links) und den Stand im Juni diesen Jahres (rechts) | Bild: Simone Braun

Und weil ihr zwei Dinge wichtig waren – nur Second-Hand Materialien zu nutzen und den ursprünglichen Stil, das Stall-Flair, zu bewahren – ist der Dielenboden gebraucht, es prangen an den Wänden alte Klinkersteine. Und hängt an der Decke eine Lampe, deren Umrandung an die Scheunen-Leiter erinnert, die sie einmal war.

Der „Glückstreffer“ von außen. Hinter den alten Stalltüren verborgen, hängen 31 gebrauchte Brautkleider.
Der „Glückstreffer“ von außen. Hinter den alten Stalltüren verborgen, hängen 31 gebrauchte Brautkleider. | Bild: Simone Braun

„Sie wissen nicht, wie oft ich mich kneifen musste“, sagt Braun. „Wie oft ich nicht glauben konnte, dass da wirklich ein Laden entsteht.“ Wie oft sie zweifelte. Wie oft sie dachte, sie müsste verrückt sein, mitten in der Pandemie, ein Brautmoden-Studio zu planen. Wo andere Läden doch schlossen. Wo eine Hochzeit nach der anderen verschoben wurde. „Aber jetzt“, sagt sie, „hinterfrage ich nicht mehr.“ Jetzt fühle es sich richtig an.

Keine festen Öffnungszeiten

Simone Braun zieht ein anderes, oben schlichtes, unten aufwendig besticktes Kleid hervor. Ein Ungetragenes. Noch Unberührtes. „Die Braut hat coronabedingt nur standesamtlich geheiratet.“ Zu jeder Robe kennt sie eine Geschichte

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Als Braun im Halbdunkeln ein Kleid in die Hand nimmt, dass am Rücken unzählige Knöpfe aufweist, muss sie selbst schmunzeln. Die Knopfleiste ist fast ein Meter lang. „Nach der Hochzeit, am Abend, hat der Bräutigam ewig gebraucht, die Knöpfe aufzukriegen. Eine Dreiviertelstunde lang.“ Das habe ihr die Trägerin erzählt. „Und sie hatte für die nächste Braut den Rat, dem Mann doch eine Häkelnadel einzustecken.“

Das Kleid mit der langen Knopfleiste.
Das Kleid mit der langen Knopfleiste. | Bild: Daniela Biehl

Doch wie finden Braut und Kleid eigentlich zusammen? Weil Braun als Büroassistentin tagsüber arbeitet, ist sie telefonisch kaum zu erreichen. Ihre Adresse steht nirgends im Internet. Und weil sie keine Laufkundschaft mag, gibt es keine festen Öffnungszeiten. „Das läuft alles über Social Media“, sagt sie. „Egal ob, es ums Anprobieren oder ums Abgeben der Kleider geht, wir machen digital einen Termin aus und dann kommen die Bräute vorbei.“

Denn: Den persönlichen Kontakt mag sie gern, aber nicht den Stress ständig vor Ort sein zu müssen. Braun kauft übrigens nichts an – sie arbeitet ausschließlich auf Kommission.

Das Kleid mit den unzähligen Knöpfen hängt sie vorsichtig zurück. „Ich werde oft gefragt, ob ich die Roben schon alle anprobiert hätte.“ Doch: Den Moment will sie sich aufheben. Irgendwann, wenn sie selbst verlobt sei, soll die Suche nach einem Brautkleid für sie etwas ganz Besonderes werden. Und so etwas verderbe man sich nicht.