Ein 19-Jähriger muss wegen Schwarzfahren und einem Angriff auf eine Zugbegleiterin 75 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Außerdem erhielt er in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Stockach eine Verwarnung.
Was ihm vorgeworfen wurde
Die Staatsanwaltschaft warf dem Jugendlichen eine Vielzahl an Straftaten vor. Im Januar 2019 soll er mit dem Zug von Singen nach Immendingen ohne Fahrschein gefahren sein. Außerdem, so die Staatsanwaltschaft weiter, entwendete er am Bahnhof in Ludwigshafen ein Fahrrad von einem Nachbarn. Des Weiteren soll der 19-Jährige im April vergangenen Jahres bei einer Zugfahrt von Sipplingen nach Radolfzell ebenfalls keinen Fahrschein besessen und bei der Fahrscheinkontrolle im Zug die Zugbegleiterin am Hals gedrückt haben.
Zusätzlich soll er Dezember in einem Ludwigshafener Supermarkt eine Wodka-Flasche geklaut haben. Die Anklage lautete daher Erschleichen von Leistungen in zwei Fällen, einmal in Tateinheit mit Körperverletzung und Diebstahl in zwei Fällen.
Angeklagter ohne Anwalt vor Gericht
Der Angeklagte, der ohne Verteidiger vor Gericht erschien, gab zu, im Januar 2019 ohne Fahrschein mit dem Zug gefahren zu sein. Auch das zweite Schwarzfahren räumte der Jugendliche ein. An diesem Tag habe er ein bisschen Alkohol getrunken, um schlechte Nachrichten, die er aus der Heimat bekommen habe, zu vergessen.
Er konnte sich aber nicht daran erinnern, die Zugbegleiterin am Hals gepackt zu haben. „Sie hat mich laut angeschrien und ich hatte das Gefühl, dass sie rassistische Sachen erzählt hat“, sagte er.
Er trinkt, wenn er Stress hat
Den Vorwurf, das Fahrrad eines Nachbarn im selben Gebäude gestohlen zu haben, wies er zurück. „Es ist unlogisch, dass Fahrrad zu klauen, wenn ich mit ihm in derselben Unterkunft wohne“, sagte er. Er besitze selbst ein Fahrrad und müsse keines stehlen. Doch den Diebstahl der Wodka-Flasche gab er zu. Diese habe er aus Geldnot geklaut und benötigt, weil er Stress hatte: „Ich muss Alkohol trinken, wenn ich Stress habe.“
Verschiedene Zeugen sagten in der Verhandlung aus. Der Fahrradbesitzer gab an, dass ihm ein Freund gesagt habe, dass das Fahrrad beim Angeklagten sei. Dieser sei unhöflich und aggressiv gewesen. Das Rad habe dann plötzlich auf einem öffentlich zugänglichen Balkon gestanden. Sein Freund bestätigte diese Aussage und ein Polizist sagte aus, dass das Fahrrad beim Eintreffen der Polizei nicht mehr auf dem Balkon des 19-Jährigen war.
Berichte über aggressives Verhalten
Zu den Vorfällen in den Zügen war ein Radolfzeller Polizist als Zeuge anwesend. Er erklärte, dass der Jugendliche bereits öfters aufgefallen und der Polizei gegenüber immer respektlos und aggressiv gewesen sei. Beim Schwarzfahren von Sipplingen nach Radolfzell habe ein Alkoholtest bei den 19-Jährigen einen Wert von 0,7 Promille ergeben.
Ein Zeuge, der im Zug war, erinnerte sich ebenfalls an aggressives Verhalten, auch den Versuch, der Zugbegleiterin an den Hals zu gehen. Zudem habe er die Frau am Halstuch, an der Bluse und an den Haaren gezogen.
Die Bahnmitarbeiterin selbst erzählte unter anderem anderen, dass ihr der Jugendliche tatsächlich an den Hals gefasst habe. Er habe ihr unter anderem auch an den Haaren gezogen. „Ich war dadurch total durch den Wind und drei Wochen krankgeschrieben“, sagte sie. Nachts konnte sie laut eigener Aussage nicht schlafen, weil sie das Gesicht des Angeklagten vor Augen hatte.
Vorschlag für Jugendstrafrecht
Die anwesende Jugendgerichtshilfe sagte zur Einschätzung, dass man meinen könnte, man habe hier einen Erwachsenen sitzen, weil er bereits eine eigene Familie habe: „Aber ich tendiere eher zum Jugendstrafrecht, da man hier auf der anderen Seite biologisch noch einen Jugendlichen sieht.“
Die Staatsanwältin hielt es ihn ihrem Plädoyer für erwiesen, dass der Angeklagte das Fahrrad gestohlen habe. Strittig war ihrer Meinung nach nur die Körperverletzung: „Die Aussagen des Zeugen und der Zugbegleiterin weichen erheblich voneinander ab. Bei den Angaben der Zugbegleiterin habe ich leichte Zweifel.“ Sie halte aufgrund der Zeugenaussage des Passagiers eine versuchte Körperverletzung für gegeben. Sie beantragte eine Verwarnung und 60 Stunden gemeinnützige Arbeit. Außerdem solle der Angeklagte fünf Gespräche bei einer Alkoholberatung machen.
„Ja, ich war alkoholisiert und möchte mich bei der Zugbegleiterin entschuldigen. Das Fahrrad habe ich aber nicht gestohlen“, sagte der Angeklagte in seinem letzten Wort, bevor sich die Richterin zur Urteilsfindung zurückzog.
Die Begründung des Urteils
Richterin Julia Elsner verwarnte den 19-jährigen Angeklagten schließlich und verurteilte ihn zu 75 Stunden gemeinnütziger Arbeit, die er innerhalb von fünf Monaten leisten muss. Zum Vorfall mit der Zugbegleiterin sagte sie, dass die Darstellungen zwar unterschiedlich gewesen seien, aber: „Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass Sie aggressiv waren und billigend in Kauf genommen haben, der Geschädigten wehzutun.“
Das Urteil habe sie nach dem Jugendstrafrecht gefällt, weil der Angeklagte keine vollständige Entwicklung durchlaufen habe. „Das war jetzt sowas wie die allerletzte Warnung vom Gericht. Ich hoffe, wir sehen uns hier nie wieder“, ermahnte sie den Angeklagten.